Der Bundestag hat eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes mit großer Mehrheit verabschiedet. Darin enthalten ist eine Impfpflicht für medizinisches Personal und Beschäftigte in Pflegeheimen bis Mitte März des nächsten Jahres. Außerdem wird den Ländern die Möglichkeit wieder eingeräumt, einen allgemeinen Lockdown zu verhängen.
Es ist das erste Ampel-Vorhaben im Bundestag und gleichzeitig einer der größten politischen Wortbrüche in der Geschichte der Bundesrepublik. Vor der Wahl sprach sich keine der nun im Bundestag vertretenen Parteien für eine solche Impfpflicht aus, am heutigen Freitag stimmten alle Fraktionen mit Ausnahme von AfD und Linkspartei dafür.
Von 736 Abgeordneten stimmten 569 dafür, 79 dagegen, 38 enthielten sich, und 50 Stimmen wurden nicht abgegeben. Die Regierungsfraktionen sowie die CDU/CSU stimmten nahezu geschlossen dafür, wobei es in der CDU/CSU-Fraktion fünf und in der FDP eine Gegenstimme gab. Die Linke-Fraktion enthielt sich mit der Ausnahme von Sahra Wagenknecht, die dagegen stimmte. Die AfD stimmte geschlossen gegen eine Impfpflicht.
Diejenigen, die gegen die Meinung der Fraktion bei ihren Wahlversprechen blieben, waren in der CDU/CSU die Abgeordneten Hans-Peter Friedrich, Manfred Grund, Jens Koeppen, Andreas Mattfeldt und Jana Schimke. Für die Impfpflicht stimmten auch zahlreiche innerparteiliche Kritiker der Corona-Politik wie etwa Friedrich Merz, Carsten Linnemann und Christoph Ploß. Der einzige Kandidat um den CDU-Vorsitz, der nicht für die Impfpflicht stimmte, war Helge Braun, der genau wie Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn keine Stimme abgab.
Ulrich Lechte war der einzige Abgeordnete der FDP, der gegen den Antrag stimmte. Auch viele FDP-Abgeordnete, die vor der Wahl stark für eine liberale Corona-Politik, teilweise sogar einen Freedom Day warben, stimmten für die Impfpflicht: so etwa Wolfgang Kubicki, Jens Teutrine (vor der Wahl Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen) sowie Frank Schäffler.
Insgesamt stimmten lediglich acht Abgeordnete jenseits der AfD gegen das De-Facto-Berufsverbot für ungeimpfte Pflegekräfte und Ärzte.
Vom 15. März 2022 an müssen dann Beschäftigte in Kliniken und Arztpraxen einen jeweils aktuellen Impf- oder Genesenen-Nachweis vorlegen. Dies ist ein scharfer Eingriff in eine ganze Reihe von Grundrechten; sowohl in die Berufsfreiheit als auch in das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit. Besonders die FDP, aber auch weite Teile der Grünen und der Kanzler persönlich starten mit einem Wortbruch in die neue Ära: Im Wahlkampf hatte vor allem die FDP den Eindruck erweckt oder zumindest die Erwartung geschürt, dass es mit ihr keine Impfpflicht geben werde.
Damit sind wir bei der Lage in den Krankenhäusern: Offensichtlich fürchten viele Pfleger und Krankenschwestern die Impfung so sehr, dass sie lieber die Entlassung und Arbeitslosigkeit in Kauf nehmen. Eine Nebenwirkung wird sein, dass sich der Pflegenotstand verschärfen wird, wenn das Pflegepersonal zu Hause bleibt. Oder folgt auf die Impfpflicht die Arbeitspflicht?