„Orientierungsformat“. Was für ein Wort. Es klingt nach Erziehungsfernsehen. Also dem, was rechtsradikale Verschwörer ARD und ZDF unterstellen, wenn die ihrem Informationsauftrag nachgehen. Allerdings stammt diese Vokabel von den Öffentlich-Rechtlichen selbst. Als „Orientierungsformat für junge Männer“ kündigen sie die neue Show „Brudi“ an, die vorerst nur im Netz zu sehen sein wird.
Was in der Ankündigung wie verstaubtes Staatsfernsehen daherkommt, wirkt in der Realität wie der Versuch alter Produzenten, eine junge Show zu schaffen: Wie schon in den 90ern des letzten Jahrhunderts auf Viva sollen Schnitte und bewegliche Kameras Tempo suggerieren. Wie bei TV-Total werden Beiträge aus anderen Formaten hineingeschnitten, um so das Geschehen scherzhaft zu kommentieren.
Letztlich sitzen die drei Gastgeber Ken, Souf und Leon auf einem Sofa und unterhalten sich über ein vorher ausgewähltes Thema. Den größten Teil der Folge macht ein Quiz aus.
Was in der Idee subtil als Botschaft verkauft werden soll, kommt in Wirklichkeit als Pädagogik mit dem Holzhammer daher: Du musst dich nicht schämen, wenn du dir Luxus nicht leisten kannst! In kommenden Folgen soll es um Fragen gehen wie: „Kein Geld?“ oder „Kein Sixpack?“ oder „Keine Beziehung – oder auch gar keine Lust drauf?“. Und es wäre nicht Funk, wenn nicht auch die Frage dabei wäre: „Kein Hengst im Bett?“
Die Moderatoren verkauft Funk als Vertreter von Stereotypen: „Ken interessiert sich beispielsweise für Fashion und Gaming.“ Oder: „Leon, der früher Teil des erfolgreichen YouTube-Formats ‚Grischistudios‘ war, brennt für Fitness“, heißt es in der Pressemitteilung. Wobei von Souf gesagt wird: Er „kommt aus der Welt der Finanzen“. Soufiane Mohamedi ist 22 Jahre alt, hat ein Zertifikat, das ihn als Edelmetallberater ausweist und ist laut Sender gelernter Sozialversicherungsfachmann. Der „coole Business-Mann“ berate eine Wirtschaftskanzlei. Für ihn spreche, dass er „absolut keinen Bock auf Macho-Gehabe“ habe.
Funk kündigt an, neue Folgen würden wöchentlich erscheinen. Die erste Folge hatte nach anderthalb Tagen auf YouTube noch keine 3.500 Abrufe. Dafür aber sehr gute Kommentare: „Reflektierte Unterhaltung! Sehr cool“, schwärmt etwa Krypto Sidis, ein YouTube-Kanal, der ganze 2 Abonnenten und bislang (Stand 8. Dezember, 11.30 Uhr) noch keine Inhalte hat. Auch Loui S findet: „Coole erste folge!“, er hat zwar nur einen Abonnenten, dafür aber eine Playlist mit „Qeerfeministischer Musik“. Und auch der Kanal d da benutzt das Wort „cool“ für „Brudi“. Dieser Kanal hatte am 8. Dezember weder Inhalte noch Abonnenten.
Weitere Nutzer loben den Beitrag – allerdings verbindet auch viele von ihnen etwas mit der gebührenfinanzierten Welt von Funk. „Brudi“ kommt also offensichtlich vor allem bei Funk-Mitarbeitern an. Und bei Kanälen mit sehr wenig Inhalten und Ressonanz. Die Frage liegt nahe: Haben da womöglich Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eines öffentlich-rechtlichen Angebotes Fake-Accounts angelegt, um die eigenen Inhalte zu pushen? Wäre das nicht eine Lüge? An der Stelle ist vielleicht ein wenig Pädagogik mit dem Holzhammer angebracht: Du brauchst nicht zu lügen, Funk, nur weil deine Angebote kaum einer sehen will.