Am Vor-Nikolaus-Wochenende gingen in Deutschland und anderen Ländern viele tausende Demonstranten auf die Straßen zum Protest gegen die Corona-Maßnahmen, vor allem gegen die in Deutschland drohende Impfpflicht. In Frankfurt am Main gab es am Samstag zwei große Demonstrationen. Gegen 15 Uhr hatten sich rund 1.500 Demonstranten auf dem Opernplatz versammelt. Zur gleichen Zeit begann am nahegelegenen Reuterweg ein Protestzug von 700 Menschen. Wegen Verstößen gegen die städtischen Auflagen wurden beide Demos aufgelöst. Ein Mann mit einem gelben Stern mit der Aufschrift „ungeimpft“ wurde vorläufig festgenommen.
In Berlin versammelten sich am Wochenende nur einige hundert Personen zu Protesten. Womöglich hat das erst angekündigte, dann zurückgenommene 3G-Gebot für Demonstrationen den Protest in der Hauptstadt gezähmt. Hinzu kommen die harten Aktionen der Polizei bei früheren Demonstrationen, beginnend mit polizeilichen Straßensperrungen und Schikanen, endend mit Gewalt gegen Demonstranten.
Am Samstag zogen kleinere Gruppen zu verschiedenen Landmarken, mit Slogans wie „Nieder mit der Corona-Diktatur“. Zugleich kam es zu Zusammenstößen in der Berliner S-Bahn, über die Bild berichtet: Unmaskierte Corona-Demonstranten fuhren mit der Bahn, als „rund 20 Vermummte“ mit dem Ruf „Antifa Maskenkontrolle!“ in den Waggon einstiegen. Die Demonstranten konnten ärztliche Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht vorlegen. Die Antifa-Vermummten kommentierten das unwillig, aber nicht ohne Pointe: „Jetzt müssen wir hier die Arbeit der Polizei machen.“ Danach drängten sie die unmaskierten Demonstranten aus der Bahn, wobei einige verletzt wurden. Auch einen offiziell angemeldeten Autokorso mit 80 Autos und mehr als 170 Teilnehmern, der im Stadtteil Friedrichsfelde startete, störten vermummte Personen.
Demonstration in Wien gegen die Impfpflicht
Besonders großen Zulauf hatten die Demonstrationen am Samstag in Wien. Laut Einschätzung der Polizei kamen 42.000 Menschen zusammen, um gegen die in Österreich bereits beschlossene Impfpflicht und den erneuten Lockdown (seit dem 22. November geltend) zu protestieren. Daneben waren 1.200 Polizisten auf Wiener Straßen im Einsatz, viele von ihnen in Schutzkleidung. Sechs Versammlungen waren von der Landespolizeidirektion untersagt worden, zum Teil weil sie am selben Ort hätten stattfinden sollen. Die Brennpunkte waren im Südosten der Innenstadt, im Bereich des Stadtparks. Der Hauptzug wurde am Ring gestoppt, was zu Unmutsbekundungen und Zusammenstößen führte. Als Absperrungen durchbrochen wurden, setzte die Polizei Pfefferspray ein.
Auch in Wien war das Demonstrationsgeschehen vielstimmig. So hatten die Identitären um Martin Sellner unter den Parolen „Uns kriegt ihr nie“ und „Wir sind das Volk“ einen Protestzug organisiert, der von der Polizei anscheinend problemlos in den Bezirk Landstraße umgeleitet wurde. Eine „linke Gegendemo“ unter dem Motto „Mund-Nasen-Schutz aufsetzen. Gegen Nazis, Staat und Kapital“ konnte am Stephansplatz starten, wenn auch nur mit 1.500 Teilnehmern.
Auch eine Gruppe „Katholischer Widerstand“ rief zum Protest gegen staatliche Maßnahmen und Impfpflicht auf. Die Piusbruderschaft ruft in Österreich zum wöchentlichen öffentlichen Rosenkranzgebet auf, bis „die aktuelle Gesellschaftskrise sich friedlich gelöst hat und die Regierenden auf ihre Zwangspläne definitiv verzichtet haben“. Die Oppositionspartei FPÖ unterstützt die Proteste, ohne sich an ihrer Organisation zu beteiligen.
In Benelux bleibt die Lage angespannt: „Keine Impfung für unsere Kinder“
Besonders heftig waren die Zusammenstöße zwischen Ordnungshütern und Protestierenden in der belgischen und EU-Hauptstadt Brüssel mit Bildern, die knapp hinter den jüngst aus Benelux gesehenen zurückbleiben. Schon vor ein und zwei Wochen war es in Brüssel und anderswo zu teils heftigen Protesten gekommen.
Zu den Parolen der Demonstranten gehörte „Keine Impfung für unsere Kinder“. Am Gebäude der EU-Kommission machte sich eine Gruppe von etwa 100 Protestierenden mit Rufen nach „Liberté“ (Freiheit) bemerkbar. Angeblich kam es dort zur Eskalation an einer von Bereitschaftspolizei gesicherten Absperrung. Einer der Redner sagte: „Wenn du alles über deine Regierung weißt, dann heißt das Demokratie. Aber wenn die Regierung alles über dich weiß, dann bedeutet das Tyrannei.“
Im niederländischen Utrecht marschierten 5.000 Menschen durch die Straßen. In Luxemburg protestierten am Samstag rund 2.000 Menschen gegen die Corona-Politik des Großherzogtums. Einige von ihnen stürmten unter „Liberté“-Rufen einen Weihnachtsmarkt, für den die neue Zertifikatspflicht galt.
Thüringen, Sachsen und der „Fackelmarsch“ von Grimma
Das Herz des deutschen Protests gegen die Corona-Maßnahmen scheint – neben der Wirtschaftsmetropole Frankfurt – derzeit vor allem Mitteldeutschland zu sein. In Thüringen kam es am Wochenende zu zahlreichen Protesten, obwohl laut Landesmaßnahmen nur Versammlungen von bis zu 35 Personen erlaubt sind. Doch in Sonneberg waren es offiziellen Angaben zufolge 1.100 Teilnehmer, in Gotha 800, daneben einige hundert in Bad Langensalza, Jena und Erfurt. Am Sonnabend und am Sonntag gingen landesweit jeweils mehr als 2.000 Menschen auf die Straße. Dabei kam es vereinzelt zu Vorfällen, bei denen Flaschen und Feuerwerkskörper flogen. Ein Polizist wurde verletzt. Für den Montag wurden weitere Demonstrationen in Thüringen und Sachsen erwartet. Eine lebhafte Demonstration wird daneben auch aus dem fränkischen Ansbach berichtet.
In einem „Fackelmarsch“ zogen rund 30 Demonstranten – darunter Familien und Kinder – mit Fackeln, Trillerpfeifen und Trommeln vor das Wohnhaus der sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) in Grimma. Diese Aktion ist offenbar geeignet, um ein neues politisches Narrativ zu begründen. Die schiefe, geschmacklose Symbolik des Demo-Zuges wird nun sehr gezielt von verschiedenen Kommentatoren genutzt. So deklarierte der Noch-SPD-Co-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans den Demo-Zug zum „faschistoiden“ Akt. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüner mit maoistischer Vergangenheit) sprach von „SA-Methoden“, Noch-Bundesinnenminister Horst Seehofer von der „organisierten Einschüchterung einer staatlichen Repräsentantin“ und der sächsische Innenminister Roland Wöller von einem „Angriff auf die Demokratie“.
Klar ist: Die 30 Demonstranten haben hier eine Grenze überschritten – sowohl was die Fackeln als Symbol angeht, als auch den Ort, nämlich das Privatdomizil einer Politikerin. Zu sagen ist aber auch: Ähnliche Überschreitungen von eindeutig linker bis linksextremer Seite werden nicht in derselben Weise diskutiert und skandalisiert. Zu denken ist beispielsweise an das mehrfach belagerte Privathaus einer AfD-Bundestagskandidatin während des jüngsten Wahlkampfs.
Ein neues Narrativ wird entbunden: Corona-Protest führt zu Gewalt
Die Corona-Proteste, die bisher angeblich aus Wirrköpfen, Aluhut-Trägern, Alt-Ökologen und einigen „Rechten“ bestanden, werden inzwischen gerne als radikal und „gewaltbereit“ apostrophiert und damit zum Thema für „Demokratie-“ und „Extremismusforscher“. Damit wird letztlich auch einem schärferen Durchgreifen der Sicherheitskräfte das Wort geredet, das es freilich schon in der Vergangenheit immer wieder gab. Der Sozialpsychologe und „Extremismusforscher“ Oliver Decker sieht auf den Corona-Demonstrationen „ein recht breites Spektrum“ vertreten, sprach im ARD-Morgenmagazin aber zugleich davon, dass die dort gepflegten Verschwörungsideologien ein Scharnier zur extremen Rechten bildeten.
Dagegen sieht der Soziologe und „Demokratieforscher“ an der Universität Leipzig Johannes Kiess die Radikalisierung der Impfgegner gegenüber NDR Info – anscheinend in toto – als abgeschlossen und nicht mehr rückholbar an: „Ich denke, das ist schon zu spät. Das Kind ist in den Brunnen gefallen. Die Radikalisierung findet eh schon statt. […] Ich denke auch, es wird zu mehr Gewalt kommen, es wird sicherlich auch Versuche von Tötungen geben, weil sich einfach auch Einzelpersonen so an die Wand gestellt fühlen, so an die Wand gedrängt fühlen, dass sie keinen anderen Ausweg mehr sehen, als Gewalt anzuwenden.“ Kiess fordert ein „klares Durchgreifen“ der Polizei. Um die Impfpflicht gehe es in Wahrheit nicht. Denn, so sagte er schon früher im Interview, Virus- und Impfskepsis sei eher ein Wesenszug „anderer Milieus“, wahrscheinlich ist hier die westdeutsche Naturbewegung gemeint. In Sachsen seien dagegen „Distanz gegenüber der Demokratie“ und – man höre und staune – „Autoritarismus“ die Gründe für die Impfskepsis und Maßnahmenkritik. Dass man da mit versuchten „Tötungen“ rechnet, scheint schon zum Common Sense zu gehören, nachgefragt wird an der Stelle jedenfalls nicht. Das Phantasma eines „Corona-Terrors“, von sinnlosen Gewalt- und Mordtaten dient als Argument für mehr staatlichen Autoritarismus.
Proteste für Wahlfreiheit auch Down Under
Übrigens protestierten auch auf der gegenüberliegenden Seite der Erde, etwa im australischen Bundesstaat Victoria, Tausende gegen die dortigen Pandemiemaßnahmen. Verschiedene Parteienvertreter – etwa von der United Australia Party oder den Liberaldemokraten – nahmen an den Protesten teil. 91 Prozent aller Einwohner von Victoria mit mehr als zwölf Jahren haben zwei Injektionen der verschiedenen Gentherapien erhalten. Trotzdem steht keine Aufhebung der Zertifikatspflicht an in dem Land, das „Infizierte“ in Quarantäne-Lagern unterbringt.
Auch vollständig „Geimpfte“ nehmen an den dortigen Demonstrationen teil, um das Recht auf Wahlfreiheit in medizinischen Fragen zu verteidigen, wie der öffentlich-rechtliche Sender ABC News berichtet. Laut dem australischen Sender Sky News wollen die Demonstranten sich von nun an täglich treffen und Teile der Stadt lahmlegen. Und auch im neuseeländischen Christchurch marschierten am Samstag einige hundert Unverdrossene gegen Corona-Maßnahmen und Impfpflicht.