„Es sind sehr gute Frauen und Männer“, sagt der designierte Bundeskanzler. Olaf Scholz hat am Montag seine zukünftigen Bundesminister vorgestellt, die in einem Ampel-Kabinett federführend sein sollen. Die SPD ist damit die letzte Regierungspartei, die ihr Team präsentiert. Es ist eine Entourage aus neuen, bekannten und allzu bekannten Gesichtern.
Es gibt Überraschungen; aber es sind weniger die Überraschungen unter dem Weihnachtsbaum, die erfreuen, als vielmehr das nächste Dutzend Krawatten und Socken, das einen ernüchtert. Andere Überraschungen lassen einen dagegen vielmehr den Thrill in der Geisterbahn verspüren. Quote und parteipolitische Erwägungen stehen dabei vor Qualifikation. Das sollte nicht verwundern. Nicht nur hier werden Traditionen aus der Merkel-Ära fortgesetzt. Es ist ein neurotisches Team in einem neurotischen Zeitalter. TE stellt die SPD-Minister im neuen Kabinett Scholz vor.
Innenministerin wird Nancy Faeser (51). Die hessische Fraktions- und Landesvorsitzende der SPD sagte bei der Vorstellung: „Ein besonderes Anliegen wird mir sein, die größte Bedrohung, die derzeit unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung hat, den Rechtsextremismus, zu bekämpfen.“ Faeser forderte bereits früher neben einer Entlastung der Polizei auch eine vollständige Aufarbeitung und Aufklärung der NSU-Verbrechen. Was in den Zeiten einer imminent wichtigen Migrations- und Integrationspolitik von der neuen Innenministerin zu erwarten ist, deutete sich im Juni im hessischen Parlament an, wo sie sich für das Wahlpflichtfach Türkisch an Schulen einsetzte. Es sei absurd, wenn die im Alltag meistgesprochene Fremdsprache Türkisch auf der Strecke bleibe; die Hälfte des herkunftssprachlichen Unterrichts an hessischen Schulen finde im Fach Türkisch statt. Es ginge um eine „Aufwertung“. Der Antrag wurde abgelehnt.
Verteidigungsministerin wird die derzeitige Justiz- und Familienministerin Christine Lambrecht (56). Sie selbst sagte über die eigenwillige Benennung: „Für viele wird die Nominierung als Verteidigungsministerin eine Überraschung sein.“ Das sei Vertrauensbeweis wie Herausforderung. Lambrecht scheint damit selbst zu bestätigen, dass der Ministeriumszuweisung eher Proporz und Parität als Kompetenz zugrunde liegen. Lambrecht war in ihrer Amtszeit dafür bekannt, in jedem Sektor die linke Maximalforderung zu übernehmen: etwa eine Verschärfung beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz, die Forderung nach Enteignungen oder die Durchsetzung von „Kinderrechten“. Mit Aussagen zur Verteidigungspolitik fiel sie bisher nicht auf. Lambrecht wiederholte im Zuge ihrer Vorstellung die altbekannten Phrasen, dass der Beruf des Soldaten attraktiver gemacht und das Beschaffungswesen modernisiert werden müsste. Auslandseinsätze müssten ständig überprüft werden. Sie ist nach Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer nunmehr die dritte Verteidigungsministerin in Folge. Seit Thomas de Maizière hatte kein Amtsträger mehr biografische Berührungspunkte mit der Bundeswehr. Offensichtlich fehlt Deutschlands Politikern jedes Mitleid mit den Soldaten.
Hubertus Heil (49) bleibt erwartungsgemäß als Arbeitsminister im Amt. Von der Süddeutschen Zeitung gibt es eine schöne Begründung dafür: „In den vergangenen vier Jahren hat er als Arbeitsminister mehr durchgesetzt, als die SPD im Koalitionsvertrag festgeschrieben hatte.“ Der Niedersachse dürfte für Scholz ein neuralgischer Schaltpunkt in den kommenden vier Jahren werden, hatte die SPD doch in ihrer Kampagne wieder auf alte Slogans zu Rente, Mindestlohn und Soziales zurückgegriffen. Wenn Heil also in der letzten Legislaturperiode bereits besser als erwartet geliefert hatte, dürfte er jetzt zu Hochtouren auflaufen. Heißt: Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro und die Reform von Hartz IV in ein „Bürgergeld“. Er wolle „mehr Respekt und mehr Leistungsgerechtigkeit“ in der künftigen Regierung, Heil werde deswegen „für sozialen Fortschritt in Deutschland arbeiten“. Vor einer Woche kündigte er außerdem eine Impfpflicht in Heimen und Kliniken an. Heil spielt damit gleichzeitig an mehreren brisanten Fronten und ist zugleich ein wichtiger Anker von Kanzler Scholz. Vielleicht könnte er sich in der SPD eines Tages für Höheres empfehlen.
In das Ministerium für Bauen und Wohnen zieht Klara Geywitz (45). Das Ressort war in Horst Seehofers Amtszeit dem Innenministerium untergeordnet. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende trat 2019 im Tandem mit Scholz für den gemeinsamen Chefsessel an. Das Duo scheiterte, aber es zeigt die enge Verzahnung und das Vertrauensverhältnis. Wie Arbeitsminister Heil und Kanzleramtschef Schmidt dürfte sie daher als interne Kanzlerstütze gelten. Die Brandenburgerin betonte am Montag bereits den Mieterschutz als Hauptanliegen. Sie gilt als Vertreterin des Ostens und hatte in der Vergangenheit eher mit Familienthemen – Stichwort: Kindergrundsicherung – gepunktet. Sie erfüllt damit die Norm im Kabinett: Sie soll zentrale Ziele des Koalitionsvertrags erfüllen, ohne selbst in der Vergangenheit in ihrem Themengebiet aufgefallen zu sein. 400.000 Wohnungen will die neue Bundesregierung bauen – energiesparend und klimaverträglich natürlich. Hier gibt es zuletzt doch eine Nuance: Eine Mietpreisbremse hält Geywitz nur für eine vorübergehende Lösung – und beim Thema Enteignungen ist sie merkwürdig zurückhaltend.