Annalena Baerbock, als Außenministerin designiert, aber noch nicht berufen, hat in einem Interview mit der Taz China in doppelter Weise gedroht. Mit Blick auf die Volksrepublik äußerte sie: „Deswegen ist für mich eine wertegeleitete Außenpolitik immer ein Zusammenspiel von Dialog und Härte….Wenn es keinen Zugang mehr gibt für Produkte, die aus Regionen wie Xinjiang stammen, wo Zwangsarbeit gängige Praxis ist, ist das für ein Exportland wie China ein großes Problem. Diesen Hebel des gemeinsamen Binnenmarkts sollten wir Europäer viel stärker nutzen.“ Auch ein Boykott der Olympischen Spiele wäre für sie kein Tabu: „Wenn ich sehe, wie Chinas Führung mit der Tennisspielerin Peng Shuai umgeht oder mit der verhafteten Bürgerjournalistin Zhang Zhan, sollten wir natürlich auch die Olympischen Spiele genauer in den Blick nehmen. Da gibt es für Regierungen unterschiedliche Formen des Umgangs, die in den kommenden Wochen sicherlich diskutiert werden.“
Nun bringt man sich, wenn man mit der Faust auf den Tisch haut, in Gefahr, dass das nicht einmal den Tisch interessieren könnte. Doch da man in Peking über feine Ohren verfügt, wurden die Äußerungen der deutschen Außenministerin in spe durchaus wahrgenommen. Ich hatte bereits geschrieben, dass Annalena Baerbock mit ihrem naiven Interview Xi Jingping ein wertvolles Geschenk gemacht hat, das er zu nutzen verstehen wird. So kam es auch, postwendend wurde der Außenministerin-Elevin freundliche Belehrung aus Peking zu teil.
In China kommt man nicht einmal so eben aus dem Völkerrecht, sondern man hat eine gründliche Ausbildung genossen und man legt großen Wert auf Einordnung und Etikette. Wer sich wann wie äußert, ist Teil der Semantik der Aussage. Der an dieser Stelle fällige Exkurs über den Konfuzianismus, obwohl er hinsichtlich kultureller Codes und von Kultursensibilität gerade für die Chefin der deutschen Diplomaten große Bedeutung besitzt, soll übersprungen werden.
Der künftigen deutschen Außenministerin wurde Belehrung nämlich nicht vom Staatschef, nicht vom Außenminister, nicht einmal vom Botschafter der Volksrepublik in Deutschland erteilt, sondern von einer Botschaftssprecherin. Man könnte spotten, von Praktikantin zu Praktikantin, doch wäre der Spott nicht nur allzu billig, sondern sogar verfehlt, denn die Botschaftssprecherin dürfte eine solide Ausbildung mit soliden Abschlüssen durchlaufen haben. Routiniert erinnert die Botschaftssprecherin daran, dass „China der umfassenden strategischen Partnerschaft zwischen unseren beiden Ländern große Bedeutung beimisst.“ Was nicht nur eine Feststellung ist, sondern auch eine Warnung beinhaltet, die „umfassende strategische Partnerschaft“ nicht leichtfertig durch unbedachte Drohungen zu beschädigen.
Dann kommt eine unverhandelbare Position, die eigentliche Botschaft an die deutsche Außenministerin in spe: „Wir sind bereit, mit der neuen deutschen Bundesregierung einander entgegenzukommen, unsere gemeinsamen Interessen auf der Grundlage von gegenseitigem Respekt, Gleichberechtigung und gegenseitigem Nutzen auszubauen, um die Beziehungen zwischen China und Deutschland sowie der EU auf einen guten und stabilen Weg zu bringen.“ China wird sich nicht durch ein „Zusammenspiel von Dialog und Härte“ beeindrucken lassen, erst recht nicht, wenn das vollmundig deklariert wird. Die Botschaftssprecherin nennt die deutsche Außenministerin nicht beim Namen, doch wer gemeint ist, ist vollkommen klar, nämlich Annalena Baerbock: „Ich hoffe, dass einzelne deutsche Politiker China und die chinesisch-deutschen Beziehungen objektiv und ganzheitlich betrachten…“, was auch bedeutet, dazu in der Lage sind, sie „objektiv und ganzheitlich“ zu betrachten, „…Chinas Kerninteressen und Hauptanliegen tatkräftig respektieren und ihre Energie mehr darauf verwenden, die praktische Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten in verschiedenen Bereichen voranzubringen. Was wir brauchen, sind Brückenbauer anstatt Mauerbauer.“ Damit wird Baerbock ins Unrecht gesetzt, sie hat sich zu beweisen, hat eine Bringschuld zu leisten. Baerbock muss nun zeigen, ob sie Brückenbauer oder Mauerbauer sein will. Eine künftigen Ministerin in Berlin davor zu warnen, Mauerbauer zu sein, besitzt schon eine eigene Maliziösität.
Deutschland und auch Europa müssen sich in der Veränderung der Machtverhältnisse auf der Welt neu finden und neu positionieren. Deutschland und Europa haben die Initiative verloren. Diese zurückzugewinnen, im Spiel der Mächte Macht zu sein, bedarf eines interessengeleiteten, strategischen Denkens, bedarf des Realismus, nicht der Utopie. Deutschland sollte sich vor dem Imperialismus der Moral hüten, und statt dessen die Grundlagen für die eigene Entwicklung legen. In einer imperialen Welt wird auch Deutschland imperial denken müssen, denken, aber nicht poltern, klug und strategisch vorgehen, denn die Welt ist kein grüner Parteitag.
Wenn man Baerbock hört, beschleicht einen die Ahnung, dass Deutschland keine Ampel-, sondern eine Azubiregierung bekommt – man wird sehen, ob sie, wie es einige Regierungsmitglieder in spe aus eigener Erfahrung kennen, die Ausbildung vorzeitig abbricht.