Tichys Einblick
Weltinnenministerin

Baerbock droht China: grüne Außenpolitik in Kaiser-Wilhelm-Manier

Schon vor ihrem Amtsantritt als Außenministerin hat Annalena Baerbock den ersten kapitalen Bock geschossen: Sie droht China mit "Härte" und Importbeschränkungen. Als ob China vom deutschen Absatzmarkt abhängig wäre – anstatt umgekehrt.

Annalena Baerbock beim Bund-Länder-Forum in Berlin zur Entscheidung über die Annahme des Koalitionsvertrags

IMAGO / Chris Emil Janßen

Bevor die Frau aus dem Völkerrecht überhaupt als Außenministerin berufen worden ist, hat sie bereits den ersten kapitalen Bock geschossen und Deutschland geschadet. Vollmundig in Kaiser-Wilhelm-Manier hat sie mit Blick auf China gegenüber der taz angekündigt: „Dialog ist der zentrale Baustein internationaler Politik. Aber das heißt nicht, dass man Dinge schönreden oder totschweigen muss… Für mich ist eine wertegeleitete Außenpolitik immer ein Zusammenspiel von Dialog und Härte.“ In Peking jedenfalls wird man Baerbocks Äußerungen mit einiger Freude zur Kenntnis nehmen, denn dort weiß man, dass derjenige, der auf die Palme klettert, wieder von der Palme herunterkommen muss – und das wird für den Kletterkünstler oder in diesem Fall für das Land der Kletterkünstlerin sehr teuer, denn Politiker sind nicht haftbar für den Schaden, den sie anrichten.

Worin unterscheidet sich Außenpolitik von einem grünen Parteitag? Darin, dass man zuerst nachdenkt – und dann redet, zumal in der Außenpolitik öffentliches Schweigen zuweilen Gold ist. Bevor man über Härte schwafelt, sollte man über die eigenen Mittel zur Härte nachdenken. Baerbock meint, China mit Importbeschränkungen zwingen zu können: „Wenn es keinen Zugang mehr gibt für Produkte, die aus Regionen wie Xinjiang stammen, wo Zwangsarbeit gängige Praxis ist, ist das für ein Exportland wie China ein großes Problem.“ Wahrscheinlich hat die Frau aus dem Völkerrecht sich vorher nicht über Deutschlands Importabhängigkeit von chinesischen Waren, von Medikamenten bis Halbleiter, informiert, sonst hätte sie bemerkt, dass sie mit dieser Äußerung nicht in der heute-Sendung, sondern in der heute-show gelandet ist.

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Um nur ein Beispiel zu nennen, worüber wir überhaupt reden: Laut einem Bericht der Deutschen Welle sieht das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Lieferengpässe bei 277 Arzneien wie Blutdruck- oder Schmerzmitteln, Antidepressiva und Antibiotika. In der Provinz Hubei beispielsweise werden Wirkstoffe für 136 verschiedene Arzneimittel produziert. Hinzu kommt, dass neunzig Prozent aller Wirkstoffe für Generika in China produziert werden. Experten gehen davon aus, dass Hersteller von Generika in Europa Wirkstoffe für drei Monate gelagert haben. Ein Ausfall von einem halben Jahr, prognostiziert ein Experte, würde ein seriöses Problem darstellen. Oder, um es anders zu sagen: Wenn China sich entschließen sollte, die Lieferung der Wirkstoffe einzustellen, können die Apotheker in Europa ein halbes Jahr später ihre Geschäfte schließen.

Baerbock glaubt allen Ernstes, einen Hebel gegen China in der Hand zu haben; sie weiß nur nicht, dass sie am kürzeren Ende des Hebels sitzt. Ihre Vorstellung: „Diesen Hebel des gemeinsamen Binnenmarkts sollten wir Europäer viel stärker nutzen“, ist in dreifacher Weise gefährlich naiv. Erstens würden Handelsboykotte und Einfuhrbeschränkungen Europa und vor allem Deutschland viel härter treffen als China. Zweitens werden weder Italien, noch Ungarn, noch Polen und erst recht nicht Frankreich diese Politik mitmachen, und drittens würde sie Deutschland zudem weitaus am schlimmsten treffen, wenn man sich die Verwobenheit der deutschen mit der chinesischen Wirtschaft anschaut.

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Die Deutschen sind keine politischen Rationalisten, sie leben gern nach dem Pippi-Langstrumpf-Prinzip und außenpolitisch liebend gern über ihre Verhältnisse, was regelmäßig zu kleineren und größeren Katastrophen führt. Die Deutschen haben in ihrer Geschichte markige Worte immer sehr teuer bezahlen müssen. Manche Rede Kaiser Wilhelms II., manche außenpolitische Volte der grauen Eminenz im Auswärtigen Amt, Fritz von Holstein, wäre besser unterblieben – mehr noch, es hätte ein Segen für Deutschland bedeutet, wenn Holstein das Auswärtige Amt bereits vor Bismarcks Amtsniederlegung verlassen hätte. Die Mischung aus Überklugheit und markigen Worten, das Auftrumpfen des „Bauern als Edelmann“, die Worthuberei und rhetorische Kraftmeierei hatten dem aufstrebenden Kaiserreich außenpolitisch extrem geschadet – und gehören zu den Ursachen der Katastrophe des Ersten Weltkriegs.

In dieser Hinsicht ist Annalena Baerbock sehr, sehr deutsch. Außenpolitik ist eben kein, auch kein moralisches Säbelrasseln, sondern die kühle Verfolgung der Interessen des Landes anhand langfristiger Strategien und kluger Taktiken. Die Interessen eines Landes sind übrigens nie ideologischer Natur. Doch wie sollten die Grünen auch etwas von den Interessen Deutschlands verstehen, wenn schon ihr Vizekanzler mit Deutschland laut eigenem Bekunden nichts anzufangen weiß und Vaterlandsliebe zum Kotzen findet. Es steht zu hoffen, dass die Regierung nicht abgehoben in einem Paralleluniversum aus Gesinnung und Utopie lebt.

Baerbock schließt übrigens auch den Boykott der Olympischen Winterspiele in Peking nicht aus: „Wir sollten natürlich auch die Olympischen Spiele genauer in den Blick nehmen. Da gibt es für Regierungen unterschiedliche Formen des Umgangs, die in den kommenden Wochen sicherlich diskutiert werden.“ Annalena Baerbock, mit Ideologie und Gesinnung gedopt, mag sich für eine Tigerin halten; es wäre gut, jemand würde ihr die Wahrheit nicht vorenthalten, dass sie in diesem Falle eine Papiertigerin ist. Eine wirkungsvolle Strategie im Umgang mit China bestünde im Gegenteil darin, sukzessive die Import- und Forschungsabhängigkeit von China zu reduzieren und sich jeglicher moralischer Kraftmeierei zu enthalten, solange die Mittel zur Durchsetzung dieser Politik fehlen. Annalena Baerbock, der Klimapolitik so wichtig ist, scheint nicht von der geringsten Ahnung berührt zu sein, wir sehr sie zur Durchsetzung ihrer Klimapolitik die Chinesen benötigt, gerade mit Blick auf die E-Mobilität.

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Von gleicher Weltfremdheit zeugt folgende Aussage der künftigen Außenministerin: „Ich verstehe Außenpolitik als Weltinnenpolitik: Krisen wirken über Grenzen hinweg. Sie können nur global und kooperativ bewältigt werden.“ Baerbock mag ja meinen, dass an Baerbocks Wesen die Welt genesen wird, doch nicht einmal in Europa wird man eine Weltinnenministerin Annalena Baerbock akzeptieren. Die Politikerin der Grünen schafft es schon vor ihrem Amtsantritt, Deutschland zur Lachnummer in der Welt zu machen. Sie träumt für die deutsche G7-Präsidentschaft im kommenden Jahr von einer „Startrampe für Klimapartnerschaften und einen für alle Staaten offenen Klimaclub“ – auch das wird eine CO2-neutrale Luftnummer, die Deutschland viel Geld kosten wird, aber schließlich sieht sie dafür „die Industriestaaten in der Pflicht“, also Deutschland – und wer in der Pflicht steht, zahlt.

Mit ihrem naiven Interview hat Annalena Baerbock Xi Jingping ein wertvolles Geschenk gemacht – er wird es zu nutzen verstehen. Und nicht nur Xi Jingping, auch Emmanuel Macron und Mario Draghi, die gerade einen Pakt gegen Deutschland geschmiedet haben, was alle – außer Annalena Baerbock – wissen. Aber woher soll sie das auch wissen, wo sie ihre Tage im Wellnessklimaklub zubringt und ihr die erste Prämisse jeder erfolgreichen Außenpolitik vorenthalten wird, die Charles de Gaulle formuliert haben soll: „Staaten haben keine Freunde, nur Interessen.“ Aber was kümmern die künftige Weltinnenministerin schon Staaten, wo sie im Geiste Deutschland schon abgeschafft, nämlich in der Europäischen Union aufgelöst hat.


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