Bevor die Frau aus dem Völkerrecht überhaupt als Außenministerin berufen worden ist, hat sie bereits den ersten kapitalen Bock geschossen und Deutschland geschadet. Vollmundig in Kaiser-Wilhelm-Manier hat sie mit Blick auf China gegenüber der taz angekündigt: „Dialog ist der zentrale Baustein internationaler Politik. Aber das heißt nicht, dass man Dinge schönreden oder totschweigen muss… Für mich ist eine wertegeleitete Außenpolitik immer ein Zusammenspiel von Dialog und Härte.“ In Peking jedenfalls wird man Baerbocks Äußerungen mit einiger Freude zur Kenntnis nehmen, denn dort weiß man, dass derjenige, der auf die Palme klettert, wieder von der Palme herunterkommen muss – und das wird für den Kletterkünstler oder in diesem Fall für das Land der Kletterkünstlerin sehr teuer, denn Politiker sind nicht haftbar für den Schaden, den sie anrichten.
Worin unterscheidet sich Außenpolitik von einem grünen Parteitag? Darin, dass man zuerst nachdenkt – und dann redet, zumal in der Außenpolitik öffentliches Schweigen zuweilen Gold ist. Bevor man über Härte schwafelt, sollte man über die eigenen Mittel zur Härte nachdenken. Baerbock meint, China mit Importbeschränkungen zwingen zu können: „Wenn es keinen Zugang mehr gibt für Produkte, die aus Regionen wie Xinjiang stammen, wo Zwangsarbeit gängige Praxis ist, ist das für ein Exportland wie China ein großes Problem.“ Wahrscheinlich hat die Frau aus dem Völkerrecht sich vorher nicht über Deutschlands Importabhängigkeit von chinesischen Waren, von Medikamenten bis Halbleiter, informiert, sonst hätte sie bemerkt, dass sie mit dieser Äußerung nicht in der heute-Sendung, sondern in der heute-show gelandet ist.
Baerbock glaubt allen Ernstes, einen Hebel gegen China in der Hand zu haben; sie weiß nur nicht, dass sie am kürzeren Ende des Hebels sitzt. Ihre Vorstellung: „Diesen Hebel des gemeinsamen Binnenmarkts sollten wir Europäer viel stärker nutzen“, ist in dreifacher Weise gefährlich naiv. Erstens würden Handelsboykotte und Einfuhrbeschränkungen Europa und vor allem Deutschland viel härter treffen als China. Zweitens werden weder Italien, noch Ungarn, noch Polen und erst recht nicht Frankreich diese Politik mitmachen, und drittens würde sie Deutschland zudem weitaus am schlimmsten treffen, wenn man sich die Verwobenheit der deutschen mit der chinesischen Wirtschaft anschaut.
In dieser Hinsicht ist Annalena Baerbock sehr, sehr deutsch. Außenpolitik ist eben kein, auch kein moralisches Säbelrasseln, sondern die kühle Verfolgung der Interessen des Landes anhand langfristiger Strategien und kluger Taktiken. Die Interessen eines Landes sind übrigens nie ideologischer Natur. Doch wie sollten die Grünen auch etwas von den Interessen Deutschlands verstehen, wenn schon ihr Vizekanzler mit Deutschland laut eigenem Bekunden nichts anzufangen weiß und Vaterlandsliebe zum Kotzen findet. Es steht zu hoffen, dass die Regierung nicht abgehoben in einem Paralleluniversum aus Gesinnung und Utopie lebt.
Baerbock schließt übrigens auch den Boykott der Olympischen Winterspiele in Peking nicht aus: „Wir sollten natürlich auch die Olympischen Spiele genauer in den Blick nehmen. Da gibt es für Regierungen unterschiedliche Formen des Umgangs, die in den kommenden Wochen sicherlich diskutiert werden.“ Annalena Baerbock, mit Ideologie und Gesinnung gedopt, mag sich für eine Tigerin halten; es wäre gut, jemand würde ihr die Wahrheit nicht vorenthalten, dass sie in diesem Falle eine Papiertigerin ist. Eine wirkungsvolle Strategie im Umgang mit China bestünde im Gegenteil darin, sukzessive die Import- und Forschungsabhängigkeit von China zu reduzieren und sich jeglicher moralischer Kraftmeierei zu enthalten, solange die Mittel zur Durchsetzung dieser Politik fehlen. Annalena Baerbock, der Klimapolitik so wichtig ist, scheint nicht von der geringsten Ahnung berührt zu sein, wir sehr sie zur Durchsetzung ihrer Klimapolitik die Chinesen benötigt, gerade mit Blick auf die E-Mobilität.
Mit ihrem naiven Interview hat Annalena Baerbock Xi Jingping ein wertvolles Geschenk gemacht – er wird es zu nutzen verstehen. Und nicht nur Xi Jingping, auch Emmanuel Macron und Mario Draghi, die gerade einen Pakt gegen Deutschland geschmiedet haben, was alle – außer Annalena Baerbock – wissen. Aber woher soll sie das auch wissen, wo sie ihre Tage im Wellnessklimaklub zubringt und ihr die erste Prämisse jeder erfolgreichen Außenpolitik vorenthalten wird, die Charles de Gaulle formuliert haben soll: „Staaten haben keine Freunde, nur Interessen.“ Aber was kümmern die künftige Weltinnenministerin schon Staaten, wo sie im Geiste Deutschland schon abgeschafft, nämlich in der Europäischen Union aufgelöst hat.