Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs am 29. November geht eine lange heftig geführte Auseinandersetzung in der an Auseinandersetzungen vielfältigster Art reichen Erbfolge Kohls zu Ende. Altkanzler Kohl hatte noch zu Lebzeiten den WDR-Mann Heribert Schwan beauftragt, seine Memoiren zu schreiben. Der nahm dafür 2001 und 2002 über 600 Stunden Interviews auf Tonband auf. Beide kriegten sich in die Wolle, Kohl zog 2009 die Erlaubnis der Veröffentlichtung zurück und forderte die Tonaufnahmen zurück. Da waren bereits drei Memoirenbände verfasst.
Dennoch werteten Schwan sowie der freie Journalist und Autor Tilman Jens die Gespräche aus und veröffentlichten sie gemeinsam 2014 in dem Buch »Vermächtnis. Die Kohl-Protokolle« mit vielen Details. Kohl hatte nach langen Rechtsstreitigkeiten noch zu seinen Lebzeiten vom Oberlandesgericht Köln eine Entschädigung in Höhe von einer Million Euro zugesprochen bekommen. Die höchste Summe übrigens, die wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung nach deutschem Recht verhängt wurde. Als Kohl starb, war das Urteil noch nicht rechtskräftig.
Kohl-Richter setzte die Verfahren fort, verlangte die Herausgabe der Gespräche. Das bestätigte der Bundesgerichtshof, denn laut Vertrag zwischen Kohl und Schwan wollte Kohl nicht nur Herr über das überlassene Material, sondern auch über seine Erinnerungen bleiben.
Vor zwei Jahren dann untersagte das Landgericht Köln Heribert Schwan, längere Textpassagen weiter zu verbreiten. Schwan selbst wurde zu einer Geldentschädigung verurteilt, allerding nicht zu Schmerzensgeld. Die Witwe Kohls habe nach dessen Tod keinen Anspruch auf Entschädigung. Denn dabei gehe es um Genugtuung, die aber sei nur möglich, solange der Geschädigte noch lebe, so urteilte das Oberlandesgericht Köln 2018. Dies bestätigte jetzt der Bundesgerichtshof. Ein Anspruch über den Tod des in seinem Persönlichkeitsrecht Verletzten hinaus bestehe nicht.
Auch seien postmortale Persönlichkeitsrechte Kohls durch die nicht autorisierte Veröffentlichung nicht verletzt worden, urteilte das Oberlandesgericht Köln in einem anderen Verfahren vor genau zwei Jahren gegen Kohl-Richter. Währenddessen wehrt Kohl-Richter vehement alle Versuche ab, Kohls Privatarchiv der zeithistorischen Forschung zu öffnen. Sie selbst lebt noch im einstigen Wohnhaus der Familie Kohl in der Marbacher Straße 11 in Ludwigshafen-Oggersheim.
In jenem legendären ausdruckslosen Bungalow empfing Kohl Staatsmänner aus aller Welt, fuhr mit ihnen nach Deidesheim, um bei Pfälzer Saumagen Weltpolitik zu machen. Dort gründete sie im Juni dieses Jahres den Verein „Helmut-Kohl-Stiftung e.V.“. Dessen Satzung sichert ihr fast uneingeschränkte Kontrolle zu – über ihren Tod hinaus.