Während an der polnischen Grenze ein Kampf stattfindet, der ihm bekannt vorkommen muss, war der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis auf Staatsbesuch in England. Natürlich traf er auch seinen Amtskollegen Boris Johnson zu Gesprächen über verschiedene Themen. Besonders wichtig waren ihm die einst von einem osmanischen Sultan an Lord Elgin verschenkten Parthenon-Skulpturen, die sogenannten »Elgin Marbles«, die Griechenland seit vielen Jahren nach Athen zurückholen will. Doch der Erfolg ließ zu wünschen übrig, da half auch das Angebot anderer Leihgaben im Tausch nichts. Man beschied Mitsotakis, dass eine etwaige Rückgabe allein Sache des British Museum wäre. Der alt-athenische Skulpturenschmuck verleiht so einigen Museen in ganz Europa sein Prestige. Die Griechen werden es auch weiterhin probieren. Im neuen Akropolis-Museum ist jedenfalls ein Platz für die Stücke freigehalten.
Doch angeblich wurden im ganzen Jahr 2021 nur fünf Migranten in die EU zurück überstellt, obwohl klar sein müsste, dass es in Großbritannien kein Asyl für ›Flüchtlinge‹ aus Frankreich oder Belgien geben kann. Insofern sind die Pushback-Vorwürfe, die den britischen Behörden im Zusammenhang mit einigen Neuregelungen der Innenministerin Priti Patel gemacht werden, im Grunde nichtig. Die britische Presse interessierte sich trotzdem für die Thematik und fragte den griechischen Premier, wie er es in seinem Land macht.
Mitsotakis: Boote mit Illegalen nicht in die eigenen Gewässer lassen
Bei »Good Morning Britain« auf ITV erwiderte Mitsotakis, man sehe solche Bilder fast täglich rund um die unzähligen griechischen Inseln. Und daher sei man in dieser Hinsicht ziemlich wachsam gewesen in letzter Zeit. Und natürlich respektiere man dabei die Grund- und Menschenrechte. Täglich würden so Hunderte oder Tausende Menschenleben gerettet. Doch zugleich versuche man die Netzwerke der Schlepper zu zerschlagen. Mitsotakis’ Grundbotschaft: Wenn man nicht die klare Botschaft aussendet, dass man seine Grenzen schützt, dann würden immer mehr Menschen versuchen, in das jeweilige Land zu kommen. Und eben diese Frage sei von entscheidender Bedeutung für ein Land wie Griechenland. Zudem könne es auch eine Schengen-Zone mit Freizügigkeit im Inneren schlechterdings nicht ohne den Schutz der Außengrenzen geben.
Doch dann kommt die schwierige Frage: Was machen die Griechen konkret? Drehen sie die Boote um? Mitsotakis bestätigt, dass es zu den Aufgaben der griechischen Küstenwache gehört, Boote »abzufangen«, im englischen Original: »to intercept«. In der griechischen Übersetzung ist die Aussage etwas abgemildert, aber im Grunde identisch: »Wir erlauben den aus der Türkei kommenden Booten nicht, in unsere Gewässer zu fahren.« Das Recht dazu haben EU-Küstenwachen in der Tat, wenn der Verdacht besteht, dass auf einem Boot oder Schiff illegale Migranten reisen.
Zudem fordert Mitsotakis aber von der türkischen Küstenwache, ebenso ihre Aufgabe zu erfüllen und die illegale Migration von ihrer Seite her zu unterbinden. Auch die Türken sollen, geht es nach Mitsotakis, endlich gegen Schleppernetzwerke vorgehen und Migrantenboote abfangen, noch bevor sie die griechischen Gewässer erreichen. Im Übrigen fänden sich diese Forderungen auch in den gemeinsamen Vereinbarungen mit der EU. Und immerhin hat die Türkei sogar EU-Gelder erhalten, um die eigene Küstenwache auszurüsten. Nun ja, dieses Papier dürfte das geduldigste der Welt sein.
Doch die EU-Kommission – das fällt dann doch auf – liegt heute nicht im Streit mit dem schwierigen Nachbarn Türkei, sondern mit dem EU-Grenzland Griechenland. So forderte die linke Innenkommissarin Ylva Johansson zuletzt eine spezielle Kontrollbehörde für die griechische Küstenwache und drohte EU-Mittelkürzungen an (TE berichtete). Es ist ein Treppenwitz der Geschichte: Die Türkei erhält Gelder, um ihre ab und an aggressiv agierende Küstenwache auszubauen, und die Griechen, die an der EU-Außengrenze Wache schieben, sollen auf die Unterstützung des Staatenbundes an dieser Stelle verzichten.
Mitarakis: »Länder haben Grenzen«
Nun war die Nachhut Johanssons in Athen. Mitglieder des Innenausschusses (LIBE) im EU-Parlament trafen auf Migrationsminister Notis Mitarakis, auch um erneut die alten Vorwürfe unberechtigter Zurückweisungen in Griechenland zu diskutieren. Doch auf einer Pressekonferenz in Athen beschied der Minister die Parlamentarier, es gebe bereits drei nationale Behörden, die das Handeln der griechischen Grenzschützer und der Regierung überprüfen, darunter das von einem Staatsanwalt geführte interne Kontrollgremium der Sicherheitskräfte, daneben eine 2019 gegründete Transparenzbehörde und natürlich die unabhängige Justiz des Landes.
Wichtig fand Mitarakis, dass es stets einen »konstruktiven Dialog über die ideologischen Unterschiede hinweg« geben müsse, und zwar sowohl unter den EU-Mitgliedern als auch mit den Nachbarn in der Region. Im Weiteren sagte Mitarakis, das Problem Migration solle von der »gesamten« EU gehandhabt werden – aber die griechische Regierung ist tatsächlich bereit, auch allein zu handeln. Im Folgenden legte der Minister die Vision von Grenzschutz vor, die seine Regierung sehr eindeutig vollzieht. Er verwies auf das EGMR-Urteil zu Spanien vom Frühjahr 2020, das unter bestimmten Voraussetzungen – zum Beispiel bei massenhaftem Rechtsbruch – eine stärkere Abriegelung der Grenzen erlaubt.
Lighthouse gibt keine weiteren Informationen
Der Athener Transparenzbehörde hat Mitarakis jetzt auch einen der bekannten Fälle vorgelegt, bei dem es um eine angeblich illegitime Zurückweisung im Juni 2020 geht, die der niederländische Rechercheverbund Lighthouse belegt haben will. Die »kollaborativen« Journalisten von Lighthouse arbeiten mit zahlreichen Medien zusammen (in Deutschland mit ARD, arte, Spiegel und Stern, daneben auch ganz konkret mit Tagesschau, Tagesthemen und Report München) und werden daneben vom Rockefeller Brothers Fund und dem europäischen Open-Society-Institut unterstützt. Es ist, um es pointiert auszudrücken, eine Art Recherche-NGO, die sich angeblich der »Wahrheit« und »Transparenz«, aber auch einer unbestimmt bleibenden »Gemeinschaft« verpflichtet fühlt.
Im Allgemeinen fährt Griechenland inzwischen einen harten Kurs gegen Schleuser und ihre Kollaborateure. Vor Kurzem traf der 27-jährige Deutsch-Ire Seán Binder in Athen ein. In der Hochzeit der Migrationskrise war er nach Griechenland gegangen, um als NGO-Mitglied die Migration über das Mittelmeer zu unterstützen. Nun steht ihm ein Prozess bevor, wie es noch einige geben könnte: Ihm werden die Einschleusung von Menschen, Geldwäsche, Betrug und Spionage vorgeworfen. Auf Lesbos haben er und seine Genossen demnach den Funkverkehr und die Bewegungen der Küstenwache überwacht, um Kenntnis von ankommenden Migrantenbooten zu erhalten. Auf 86 Seiten beschreibt die griechische Polizei seine NGO als eine kriminelle Vereinigung, die von der Einschleusung irregulärer Migranten profitiert habe. Laut dem Guardian drohen Binder 25 Jahre Haft. Es steht zu hoffen, dass auch die im Herbst 2020 und Frühjahr 2021 an die Staatsanwaltschaft Mytilini übergebenen, ganz ähnlich gelagerten Fälle von der illegalen Migration zugeneigten NGOs – um es vorsichtig auszudrücken – bald vor ein ordentliches Gericht kommen.
Off-Shore-Lösungen für die Kanalmigration?
In Großbritannien werden derweil einmal mehr Off-Shore-Zentren für Bootsmigranten diskutiert. Wie weit diese in Australien erfolgreich praktizierte Lösung auch für europäische Länder funktionieren kann, bleibt indes offen. Nachdem die Times berichtet hatte, dass Bootsmigranten eventuell nach Albanien geflogen werden sollen, um dort ihr Verfahren zu bekommen, widersprachen albanische Politiker wie Premierminister Edi Rama und die Außenministerin des Landes heftig. Zuvor waren britische Überseegebiete wie Ascension Island im Südatlantik für dieses Vorhaben im Gespräch gewesen.
Imponierend scheinen insbesondere die Kosten des Vorhabens, wie sie in der britischen Presse genannt werden: Mit 100.000 Pfund pro Migrant sollen das Ausfliegen und der Aufenthalt in einem albanischen Lager gemäß Schätzungen zu Buche schlagen. Bei den 20.000 Bootsmigranten von diesem Jahr ergäbe das eine Stange Geld. Vielleicht muss Priti Patel doch eher von den Griechen lernen, die die Türkei ganz offiziell zum sicheren Land für die meisten Migranten erklärt haben. Frankreich dürfte hier trotz Dschungels von Calais nicht im Nachteil sein.
TE hat mehrfach über Praktiken von NGOs berichtet, die den Menschenschmuggel von der Türkei nach Griechenland befördern. Es ging um logistische Unterstützung und Informationen über Standorte der Küstenwache, Abfahrts- und Ankunftsorte. Mittlerweile sieht sich TE rund einem halben Dutzend Abmahn- und Folgeverfahren ausgesetzt und musste auf Betreiben der Organisation Mare Liberum vorerst informative Beiträge aus dem Netz nehmen – auch Presseberichte aus Griechenland und Mitteilungen der dortigen Behörden. Nichts soll über das Treiben in Deutschland bekannt werden. Diesen Maulkorb fechten wir an und werden dies bis zur Letzt-Entscheidung bringen. Solche Verfahren ziehen sich über Monate und Jahre. Das wissen die Kläger und wollen uns so zum Einlenken zwingen. Da sie von den deutschen Kirchen und dem deutschen Staat gefördert werden, setzen sie darauf, dass sie den längeren Atem haben. Sie werden sich täuschen. Wir fassen den Kampf um die Pressefreiheit als unsere Aufgabe auf, nachdem viele Blätter sich auf die Seite von „Mare Liberum“ geschlagen haben und ihren Agitationsjournalismus weiter wider die Wahrheit betreiben. Unsere Gerichtsverfahren laufen weiter. Diese können wir nur deshalb durchstehen, weil uns viele Leser dabei wirtschaftlich unterstützen. Dafür bedanken wir uns sehr herzlich.