Eiskalt ließ Zar Putin die nur noch geschäftsführende deutsche Kanzlerin vor wenigen Tagen abblitzen. Sie bat um Unterstützung, die zynische und menschenfeindliche Situation an der Grenze zwischen Weißrussland und Polen zu beenden. Putin muss, folgt man Merkel, über diesen Anruf erstaunt gewesen sein. Denn was habe er mit diesen Dingen zu tun? Sie möge sich doch bitte an den souveränen und von ihm unabhängigen Staatschef Weißrusslands, den Herrn Präsidenten Alexander Lukaschenko wenden, denn nur der sei zuständig. Im Übrigen, so habe der Mann im Kreml amüsiert hinzugefügt, die Migranten seien ein Problem der Westeuropäer. Schließlich hätten diese – und ganz besonders Merkel – die Damen und Herren Flüchtlinge ja eingeladen.
Zurück müsste eigentlich eine gedemütigte und in der Vergangenheit oft als „mächtigste Frau der Welt“ gepriesene Angela Merkel geblieben sein. Doch weit gefehlt. Tatsächlich rief, folgsam wie sie bei Ratschlägen aus Moskau ist, Merkel nur zwei Tage später bei Lukaschenko an. Prompt signalisierte Putin, nun voller Verständnis für seine deutsche Freundin, dass er sich jetzt auch selbst um Lösungen in der leidigen Situation kümmern würde.
Im Nachhinein ist man bekanntlich manchmal klüger: Vielleicht folgt das Ganze einer fein konzipierten Dramaturgie. Das Ergebnis ist ein sich abzeichnender Konflikt in der Europäischen Union, der ganz im Sinne Moskaus ist. Über Nacht sind mit Hilfe Merkels Putin und Lukaschenko zu den eigentlichen Playern geworden. Niemand dürfte darüber überrascht sein, wenn Merkel als Nächstes, mit Verweis auf die bewusst herbeigeführten untragbaren Tragödien an der Ostgrenze der EU, darauf drängt, die letzten rechtlichen Hürden für die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 zu beseitigen.
Wenn das alles wirklich so ist, wie es aussieht, hat das Trio „Putin-Merkel-Lukaschenko“ einen großen Coup gelandet. Die Fantasie reicht nicht aus, sich die nächsten möglichen Entwicklungen, mit Auswirkungen auf den ganzen Westen, vorzustellen.