Auf der Konferenz der „G20“ in Rom und dann, wenige Tage später, auf der „Klimakonferenz“ in Glasgow wurde immer wieder ein Begriff beschworen: die „neue Weltordnung“ – als wäre dieser Begriff nicht durch zwei Weltkriege und durch zwei Totalitarismen schwer belastet. Als Abkehr von einer pluralistischen Welt moderner Nationen führte er in eine Periode weltgeschichtlicher Tragödien und Verbrechen. Und nun sind wir offenbar, nach einer zeitweiligen Rehabilitation der wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Moderne, wieder zurückgeworfen auf die Suche nach der einen Weltordnung für alle. Aber diesmal trägt dies Programm eher die Züge einer Farce. Einer sehr zerstörerischen Farce, aber doch letztlich einer völlig selbstbezogenen, eitlen Schauveranstaltung. Schon jetzt ist absehbar, dass es nirgendwo eine weltdurchgreifende Kraft gibt, die mit der Ordnung Ernst machen wollte und könnte. Die Darsteller auf der Bühne sind mit großem Aufwand bemüht, diese Wahrheit zu verbergen (auch vor sich selber), doch die große Erzählung von der Weltrettung ist nun schon so oft wiederholt worden, dass sie allmählich abgedroschen klingt. Ein beträchtlicher Teil des Publikums hört gar nicht mehr richtig hin.
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Was reden sie da eigentlich? – Auch in Rom und Glasgow wurde wieder die Weltuntergangsglocke geläutet: „Es ist eine Minute vor Zwölf“, hieß es, und mit „Zwölf“ war ein Punkt gemeint, an dem das Weltklima in eine terminale Krise eintreten würde. Aber dann ließ sich nicht verheimlichen, dass von den Ländern, die heute steigende CO2-Emissionen haben, keinerlei Rechtspflicht für begrenzende Maßnahme anerkannt wird – allen voran von China als dem größten Emittenten der Gegenwart. Diese Länder bekennen sich zwar verbal zum 2 Prozent-Ziel oder sogar zum 1,5 Prozent-Ziel, aber das kostet sie nichts, denn sie haben diese Ziele von vornherein unter Vorbehalt gestellt: Sie beharren darauf, dass sie ein Recht auf Entwicklung haben, und so steht es auch in den Pariser Protokollen. China hat schon offen erklärt, dass sich seine CO2-Emissionen in den nächsten Jahren weiter erhöhen werden. Was ist das eigentlich für ein „völkerrechtlicher Vertrag“, der für die einen rechtsverbindliche Ziele vorschreibt und den anderen nur ein Bemüht-Sein aufgibt, das ihnen alle Handlungsmöglichkeiten offenlässt? Es ist ein Knebelvertrag, in dessen Namen in vielen westlichen Ländern nun ganze Industrien demontiert werden und die Tragfähigkeit des gesamten Verkehrs- und Siedlungssystems radikal gesenkt wird. Die globalen Klimaabkommen erinnern in mancher Hinsicht an extreme Reparationsverträge nach großen Kriegen (siehe „Versailles“), mit denen die besiegten Länder ruiniert wurden. Hier nun besiegt und ruiniert sich der Westen selbst. Dabei ist in der Summe schon jetzt klar, dass mit den Abkommen eine weitere Erhöhung der CO2-Emissionen im Weltmaßstab festgeschrieben wurde. Europa und die USA hätten eben eine „Vorbildfunktion“, verkündet Frau von der Leyen, und erklärt die Weltrettung damit zu einem pädagogischen Vorgang – der gar nicht als Veränderung der materiellen Wirklichkeit gemeint ist. Die Weltrettung ist also ein Versteckspiel, eine Maskerade, eine Farce. „Es wird ein langer, schwieriger Prozess“, hört man von der Bundesregierung. Und das alles „eine Minute vor Zwölf“…?!
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Ernst und Leichtsinn im 21.Jahrhundert – Wer glaubt eigentlich im Ernst, dass wir – selbst bei Erreichen einer „Neutralität“ bei den CO2-Emissionen – ein anderes Klima mit weniger „Ereignissen“ bekommen? Viel plausibler ist die Annahme, dass wir im gesamten 21. Jahrhundert mit einer Zunahme der CO2 Emissionen (vielleicht etwas gebremst) rechnen müssen. Dahinter steht vor allem eine ganz grundlegende Tatsache: die Zunahme der Weltbevölkerung. Diese Weltbevölkerung ohne ein Massensterben durch dies Jahrhundert zu bringen (und zugleich ihr Wachstum einzuhegen) – das ist die Aufgabe, ohne deren Lösung redlicherweise kein Großexperiment mit der Welt veranstaltet werden kann und darf. Insofern steht hinter der Weigerung von Entwicklungs- und Schwellenländern, einen verbindlichen Beitrag zur CO2-Emissions-Senkung zu leisten, eine sehr reale Notwendigkeit. Aber auch eine Bringschuld dieser Länder, die niemand anders ihnen abnehmen kann.
So zeigt die „Klimakrise“, mit deren Ausrufung die Politik für sich einen ganz neuen globalen Ernst beansprucht, das genaue Gegenteil: ein fundamentaler Leichtsinn. Man sieht eine wachsende Unfähigkeit und Unwilligkeit, sich praktisch mit den Schwierigkeiten und Widerständen der wirklichen Welt auseinandersetzen. So ist das Politische zu einer Sphäre geworden, in der Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinanderklaffen wie nie zuvor in der neuzeitlichen Geschichte. Und es sind nicht allein „Politiker“ im engeren Sinn, die diese sach- und weltferne Blase gebildet haben. Auch das Wirtschaftsleben, die Wissenschaft, das Bildungswesen und das kulturelle Leben wurden in diesem Sinn „politisiert“. Das Doppelspiel zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist zu einem gesellschaftlichen Phänomen geworden. Und Deutschland ist unseligerweise ganz vorne dabei.
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Was das deutsche Tabu der Kernenergie verrät – In Deutschland ist (aus Anlass des Fukushima-Unglücks in Japan) die Stilllegung aller Kernkraftwerke beschlossen. Damit wurde eine Technologie mit einem großen Anlagekapital brachgelegt, die fast ohne CO2-Emissionen eine wind- und sonnenunabhängige Stromgewinnung ermöglicht – und damit eine stabile Grundlast-Versorgung. Wenn also die Dringlichkeit der CO2-Neutralität so groß ist, dann wäre die Kernenergie ebenso dringlich, um die Wechselhaftigkeit der „naturnahen“ Stromgewinnung auszugleichen. Warum wird die Stilllegungs-Entscheidung jetzt nicht revidiert? Warum war das im Wahlkampf ein Tabuthema? Hören wir an dieser Stelle Friedrich Merz (CDU). Er spricht von einer „falschen Reihenfolge“ in der Energiewende, weil man nicht zuerst die emissionsstarken Kohle-Kraftwerke stillgelegt habe, sondern die Kernkraftwerke. Aber ist er nun für eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten eingetreten? Oh, nein. Er hat erklärt, in Deutschland sei es nun mal „gesellschaftlicher Konsens“, aus der Kernkraft auszusteigen, und daran wolle er nicht rütteln. Und die Politik insgesamt solle das nicht tun.
Kann man die Krise der Politik in diesem Land deutlicher zum Ausdruck bringen? Da gibt es eine Einsicht in das, was sachlich eigentlich geboten ist. Doch die Politik opfert diese Sache zu Gunsten eines „gesellschaftlichen Konsensus“. Aber ist es nicht die Aufgabe der Politik, im Namen einer Einsicht, die sie aus der Weitsicht für das Land hat, einen als falsch erkannten Konsens aufzubrechen? Ist das nicht ein Grundgebot politischer Redlichkeit? Wozu brauchen wir überhaupt noch Politiker, wenn sie bloß das sagen, was eh schon alle sagen? Und wie tief muss die Politik in Deutschland gesunken sein, wenn selbst jemand, der als Vertreter liberal-konservativer Bürgerlichkeit gilt, auf diese Weise der Gesellschaft den Vorzug vor der Sache gibt?
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Keine Rechenschaft über die Lage der Nation – Eine parlamentarische Demokratie ist ohne Vorrang für die Sachprobleme gar nicht denkbar. Nur mit einem Primat der Sache haben die Debatte und die Beschlussfassung in einem Parlament einen grundlegenden Wert für das gesamte Staatswesen. Die offene Erörterung der Sachprobleme und der Alternativen bei der Lösung sind das Schlüsselelement bei der Entscheidungsfindung. Und allein über die Sache können die Bürger sehen, dass bei den Wahlen zum Parlament wirklich etwas auf dem Spiel steht. Dass es nicht nur um eine „Bürgerbeteiligung“ geht – bei etwas, das sowieso schon feststeht. Doch bei den Wahlen des Jahres 2021, die angeblich besonders „schicksalhaft“ sein sollten, ist genau dieser Eindruck erweckt worden. Der Eindruck, dass die wesentlichen Sachfragen schon beantwortet sind – durch die Regierenden (die Exekutive) und ihre Experten (als Vertreter der wissenschaftlich erwiesenen Wahrheit) und durch die Medien (die schon ein fertiges Meinungsspektrum mit Gut und Böse lieferten, bevor das wählende Volk überhaupt gesprochen hatte). So kamen echte politische Entscheidungsfragen für Deutschland im Wahlkampf gar nicht mehr vor. Insbesondere nicht so, dass die Bürger sie mit ihren Erfahrungen verbinden konnten. Mit den steigenden Kosten der Lebenshaltung; den Unsicherheiten in der Energieversorgung; den Nachwuchssorgen in der Arbeits- und Unternehmenswelt; den Lücken im Bildungs-, Gesundheits- und Pflegesystem; dem zunehmend schwieriger Lebensalltag in Großstädten und in ländlichen Räumen. Auch die Unhaltbarkeit einiger außenpolitischer und außenwirtschaftlicher Positionen Deutschlands kam nicht vor. Das alles wurde im Namen angeblich höherer „Menschheitsfragen“, die eigentlich gar keine Fragen waren, sondern moralische Postulate, weggewischt. So ging es nicht mehr um Entscheidungen, sondern um Appellworte wie „Aufbruch“, „Zukunft“ oder „Haltung“ – ohne Rücksicht auf die Errungenschaften der Vergangenheit, und ohne Rücksicht auf die unmittelbare Gegenwart. Mit einem Wort: Ohne Rücksicht auf die Lage der Nation.
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Entscheidungen, deren Folgen erst allmählich spürbar werden – Das Jahr 2021 hätte Anlass geben können, über die Entscheidungen der Vergangenheit Rechenschaft abzulegen – zum einen, weil in Deutschland eine langjährige Kanzlerschaft zu Ende geht, zum anderen aber auch, weil sich in vielen Ländern ganz unabhängig von den regierenden Parteien und Personen zeigt, dass große Entscheidungen der ersten beiden Jahrzehnte dieses Jahrhunderts leichtsinnig waren und die Probleme nur verschoben, statt sie zu lösen. So wurde die Schuldenkrise nie durch neue realwirtschaftliche Produktivität oder durch neue Sparsamkeit gelöst, sondern durch künstliche Geldvermehrung. Die Migrationskrise wurde nicht dadurch gelöst, dass in Deutschland und EU-Europa das Hoheitsrecht auf Zurückweisung an der Grenze wiederherstellt wurde, sondern man vereinbarte „Deals“ mit fremden Mächten oder überließ harte Maßnahme einzelnen Randländern der EU. In der Klimakrise erweist sich das leichtsinnige „Abschalten ohne Ersatz“ durch die deutsche „Energiewende“ nun als schwere Belastung. In der Außenpolitik erweisen sich die weltweiten Missionen, militärisch und humanitär, als unhaltbar (zuletzt Afghanistan), in der Außenwirtschaft erweist sich der „Ausweg China“ als Sackgasse. In der Auseinandersetzung mit der Covid19-Pandemie kann der Ausnahmezustand kein Ende finden, weil man leichtfertig einen „Sieg über das Virus“ in Aussicht stellte, statt einen Normalzustand mit fortbestehendem Restrisiko zu akzeptieren.
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Die täuschende Leichtigkeit der Lösungsmittel – Es ist überall das gleiche Schema: Weil man zu sehr an leichte Lösungen glaubte, visierte man zu perfekte, zu konflikt- und schmerzfreie Lösungen an. Und man visierte auch gleich Gesamtlösungen für den ganzen Planeten an. Man kann es noch konkreter sagen: Die leichten Lösungen erschienen deshalb greifbar, weil scheinbar leichte Lösungsmittel zur Verfügung standen. Das ist ganz offensichtlich im Fall der Politik des billigen Geldes durch künstliche Geldvermehrung. Dies Mittel erweckt den Eindruck, man könne sich die Mühen einer Kapitalbildung durch realwirtschaftliche Wertschöpfung ersparen. Chronische Defizite und immense Schulden könnten folgenlos toleriert werden. Und noch ein zweites leichtes Lösungsmittel muss hier genannt werden: Die Digitalisierung und das „World Wide Web“ versprachen eine neue Reichweite der Kommunikation, und zugleich eine neue Autorität und Verbindlichkeit ihrer „Wahrheiten“. Der Glaube an diese beiden leichten Lösungsmittel hat die ersten beiden Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts geprägt. Sie bilden den Grundstoff, aus dem die globalen Projekte, die industriellen „Revolutionen“, das „Nation building“ durch Intervention von außen, der „große Neustart“ der ganzen Weltgeschichte gezimmert wurde. So ist der unglaubliche Leichtsinn und die geradezu irrsinnige Rücksichtslosigkeit gegenüber allen Errungenschaften der Moderne zu begreifen, die diese Jahrzehnte geprägt haben.
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Die ersten zwei Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts (I) – Es greift daher viel zu kurz, wenn man nur sagt. In Deutschland geht die Ära Merkel zu Ende, und damit sind nun alle Möglichkeiten für eine Änderung gegeben. In Wirklichkeit ist der Leichtsinn der Anfangsjahrzehnte des 21.Jahrhunderts eine viel allgemeinere Erscheinung, zumindest in westlichen Ländern. Eine Krise des bürgerlichen Sach- und Weltbezugs gibt es in verschieden Varianten – in Frankreich, in Italien, in Spanien und natürlich auch in den USA. Von der langjährigen Kanzlerschaft Merkels lässt sich sagen, dass sie es sehr geschickt verstanden hat, auf der Tastatur des Leichtsinns dieser Jahrzehnte zu spielen und dabei noch den Eindruck von Nüchternheit zu erwecken.
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Die ersten zwei Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts (II) – Wenn man sich so die Zeit, in der wir leben, klarmacht, kann man auch von ihr Abstand gewinnen. Ja, es sind Jahrzehnte, aber man muss sich nicht einreden lassen, dass damit schon die Ära der Moderne und der bürgerlichen Welt erledigt ist. Dann würde man ja der wohlfeilen Erzählung von einer „ganz neuen Welt“ folgen und ihr auf den Leim gehen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass diese Jahrzehnte das ganze 21. Jahrhundert bestimmen werden. Es kann durchaus sein, dass dieser Spuk noch ein weiteres Jahrzehnt in Anspruch nehmen wird, aber die leichten Lösungsmittel zeigen schon so schwere Folgekosten. Das gilt für die Politik des billigen Geldes, deren Fortsetzung immer fragwürdiger wird. Und auch bei der Digitalisierung und Weltvernetzung ist eine Ernüchterung feststellbar. In beiden Fällen wird deutlich, dass sie kein Realitätsersatz sein können. Die Zahl der Probleme, die sich weder durch „billiges Geld“ noch durch immer klügere „Algorithmen und Apps“ lösen lassen, wächst. Diese Mittel befriedigen auch immer weniger unseren Hunger nach realem Leben, nach wirklich errungenem Leben. Sie machen nicht satt.
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Der Ernst der Lage – Deshalb ist das dünne Süppchen, das jetzt zur Regierungsbildung angerührt wird, einfach uninteressant: das Spielchen zwischen Grünen und FDP; die „Neuaufstellung“ der CDU/CSU, die sich wieder nur um Personalfragen dreht; das Zögern des Herrn Scholz, das so gar nicht zu seinen Kanzler-Plakaten passen will – nirgends ist ein Wille erkennbar, sich mit der Lage und den begrenzten Mitteln unserer Nation zu befassen. Nicht mit dem wirklichen Ernst der Lage, den doch so viele im Lande schon spüren.