Es sind dramatische, erkenntnisreiche Bilder, die uns derzeit aus Weißrussland erreichen. Migranten übernachten in Unterführungen, besichtigen in Menschentrauben die Schönheiten der weißrussischen Hauptstadt. Es sind inzwischen Tausende, die in Weißrussland gelandet sind. Videos aus Weißrussland zeigen, wie die Migranten in großen Trecks zur Grenze ziehen und teilweise von weißrussischen Uniformierten mit Hunden und Gewehren bewacht werden. Vor allem sind es junge Männer, die sich teils selbst bei ihrem Fußmarsch filmen, daneben auch einige Frauen mit Kindern auf dem Arm.
Alexander Lukaschenko hat entschieden, sein Land zum Drehkreuz der irregulären Migration aus dem Nahen Osten zu machen und der EU so heimzuzahlen, was sie ihm an Sanktionen aufbürdete. Die Flugverbindungen in sein Land, die neben den Ländern der ehemaligen Sowjetunion vor allem den Nahen Osten bedienen, sprechen eine deutliche Sprache. Die Flüge aus Nahost hat Lukaschenko zuletzt stark ausgebaut.
Diese Entscheidungen des weißrussischen Präsidenten werden Folgen haben – vor allem für die EU. Etwa 1.000 Migranten aus der muslimischen Welt sollen so täglich nach Europa gelangen, um im nächsten Schritt die EU-Außengrenze zu stürmen, auch hier ermutigt, wenn nicht drangsaliert von weißrussischen Kräften.
Dass es an manchen Stellen dann doch zu Durchbrüchen und dem Eindringen von Migranten kommt, ist jedoch weniger ein Problem Polens als vielmehr das seines westlichen Nachbarn. Denn Deutschland ist das eigentliche Ziel dieser Glückssucher, bei denen man davon ausgehen kann, dass sie keine politische Verfolgung erleiden. Das ordnungsgemäße Besteigen eines Flugzeugs widerspricht diesem Gedanken. Doch Deutschland reagiert nur mit einer einzigen Maßnahme an seiner östlichen Grenze: Dem Ausbau der Registrierungskapazitäten. Inzwischen hat jedes der brandenburgischen Grenzreviere fünf Bundespolizisten nur für diese Arbeit abgestellt, die in Frankfurt (Oder) in einer zentralen Aufnahmestelle stattfindet.
Merkel, die Problemschafferin
Die Noch-Kanzlerin resümierte unterdessen ihre Kanzlerschaft in einem Interview mit der Deutschen Welle, wobei der Fragesteller brav alle lobenden Beinamen der Kanzlerin zitierte. »Mutti«-Rufe in Frankreich und Xavier Bettels »Kompromissmaschine« geben der scheidenden Kanzlerin die Gelegenheit, die Bescheidene zu spielen. Das tat sie aber nicht, als es um eine der zentralen Fragen ihrer Kanzlerschaft ging: Was geschah 2015 und war es ein Erfolg?
Eine letzte Suggestivfrage des DW-Stichwortgebers, sinngemäß zusammengefasst: Sie glauben aber schon, dass Deutschland heute besser aufgestellt ist für die neue Migrationswelle als 2015? Das glaubt Angela Merkel, aber nicht etwa, weil »wir polizeilich besser aufgestellt sind oder logistisch, wenn es um Betten geht«. Das alles schaffte Deutschland auch damals schon mit Ach und Krach.
Insofern kann man festhalten: Zu den Bildern, die am Ende von Angela Merkels Kanzlerschaft stehen, gehören seit heute auch die Migrantentrecks in Weißrussland, die zeigen, wohin die Selfies und warmen Willkommensworte von 2015 noch immer und immer weiter führen. Es sind auch Bilder aus Wäldern und von verlassenen Grenzabschnitten, in die die klandestinen Migranten von den weißrussischen Kräften getrieben werden. Es sind die unordentlichen Wahrheiten einer Politik der offenen Tür, in Osteuropa genauso wie auf dem Balkan.