Tichys Einblick
Trendwende in den USA

Empfindliche Niederlage für Biden in Virginia: Republikaner gewinnen in einer Hochburg der Democrats

Der Republikaner Glenn Youngkin hat seinen Konkurrenten, Ex-Gouverneur Terry McAuliffe, Democrats, besiegt und erschüttert damit das politische Washington.

IMAGO / UPI Photo

Noch vor einem Jahr holte Joe Biden den US-Bundesstaat Virginia in der US-Präsidentschaftswahl mit mehr als 10 Prozent Vorsprung. Gestern fand dort die wohl wichtigste US-Wahl des Jahres statt – es wurde der neue Gouverneur des Staates bestimmt. Jetzt steht fest: Der Republikaner Glenn Youngkin hat seinen  Konkurrenten, Ex-Gouverneur Terry McAuliffe, Democrats, besiegt und erschüttert damit das politische Washington.

Virginia war fest in der Hand der Democrats. Allein rund ein Drittel der Einwohner lebt nämlich in der Metropolregion rund um die US-Hauptstadt Washington D.C. im Norden des Staates. Dominiert wird Viginia also von diesen urbanen und vorstädtischen Wählerstrukturen aus Nord-Virginia, die in den letzten Jahren immer weiter in Richtung Democrats schwenkten.

Die Niederlage in der Biden-Hochburg Virginia ist ein verheerendes Signal für Bidens Partei, denn das Rennen gilt als wohl wichtigstes Stimmungsbarometer für die Kongresswahlen im nächsten Jahr. Ein Bundesstaat, der von 10 Prozent Vorsprung der Democrats auf einmal den Republikanern in die Hände fällt, ist eine Trendwende. Seit 10 Jahren hatte dort kein Republikaner ein staatsweit gewähltes Amt inne, und jetzt steht schon fest, dass Republikaner als Gouverneur, Vize-Gouverneur und Generalstaatsanwalt gewählt wurden. Im tiefblauen New Jersey ist derweil zur Überraschung aller die Gouverneurswahl noch „too close to call“: Obwohl auch hier Biden letztes Jahr noch mit 16 Prozent Vorsprung gewann, liegt der Republikaner Jack Ciatarelli knapp einen Prozentpunkt vor dem Amtsinhaber Phil Murphy, Democrats (die Auszählung läuft noch).

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In den Zwischenwahlen (midterms) müssen die Republikaner dank Zugewinnen im Jahr 2020 gerade einmal noch 5 der 435 Sitze dazugewinnen, um die Mehrheit im Repräsentantenhaus zu stellen, im Senat gar nur einen einzigen Sitz. Und dabei hat die Partei außerhalb des Weißen Hauses sowieso meist einen Oppositionsbonus, die jetzigen Niederlagen von Bidens Partei deuten nun auf eine regelrechte „rote Welle“ im nächsten Jahr hin. Bereits die Aussicht auf so ein verheerendes Abschneiden könnte moderate Democrats im Kongress von Biden abrücken lassen, dabei ist er dort auf hauchdünne Mehrheiten in beiden Kongresskammern angewiesen, um seine Agenda durchzubringen.

Republikaner Youngkin gelang es, viele der moderaten Wähler für sich zu begeistern. Der nächste Gouverneur von Virginia war bisher Geschäftsmann, hatte zuvor kein politisches Amt inne, während sein Konkurrent McAuliffe das komplette Gegenteil repräsentiert: ein ehemaliger Berater der Clintons – und die Art von Polit-Insider, der einst sogar seine Frau im Kreißsaal verließ, um auf einer Washington Post-Party aufzutauchen, nur um sie danach mit seinem neugeborenen Sohn auf einem Parkplatz warten zu lassen, während er eine Spendengala für die Democrats besuchte. Er war bereits von 2014 bis 2018 Gouverneur von Virginia und wollte es nun erneut werden. Ohne Erfolg.

Die Kampagne des Republikaners Youngkin drehte sich vor allem um Bildung. Hintergrund sind Eltern-Proteste unter anderem gegen die identitätspolitische „Critical Race Theory“ und neue Transgender-Richtlinien bei „School Board“-Versammlungen in Nord-Virginia, die landesweit für Aufsehen gesorgt hatten. In den USA sind vielerorts solche lokalen, gewählten Schulgremien für die Aufsicht über Schulen verantwortlich. Das Pandemiejahr hat dabei viele Eltern mit den Unterrichtsinhalten ihrer Schüler konfrontiert und Widerstand der Eltern gegen „Critical Race Theory“ und neue Transgender-Richtlinien angetrieben. „Critical Race Theory“ ist ein identitätspolitischer Ansatz, der Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe in vermeintlich weiße „Unterdrücker“ und farbige „Unterdrückte“ einteilt. Auch neue Transgender-Richtlinien, die es männlichen Schülern erlaubt, auf Frauentoiletten zu gehen, sorgten für Aufregung, insbesondere der sexuelle Übergriff eines Jungen in einem Rock auf eine Klassenkameradin in der Mädchentoilette einer Schule. Die Schulverantwortlichen verschwiegen die Tat gegenüber der Öffentlichkeit und schickten ihn auf eine neue Schule, wo er wohl erneut ein Mädchen sexuell belästigte. Trotzdem weigert sich das lokale „School Board“, Verantwortung zu übernehmen.

Während sich Youngkin auf Seiten der Eltern stellte, den Rücktritt der Verantwortlichen fordert und „Critical Race Theory“ aus den Klassenräumen verbannen will, positionierte sich McAuliffe auf Seiten der Schulbehörden und sagte jüngst in einer Debatte: „Ich denke nicht, dass Eltern den Schulen vorschreiben sollten, was sie unterrichten sollen.“ Mit dem Fokus auf Bildung holte Youngkin derweil weiter auf und überholte sogar schließlich McAuliffe in manch einer Umfrage.

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Der wurde nervös und versuchte seitdem verzweifelt eine alte Taktik: den Republikaner Youngkin als rassistischen Extremisten zu brandmarken – freilich ohne irgendwelche Beweise. Auch Präsident Biden besuchte Virginia und sagte bei einem Wahlkampfauftritt: „Extremismus kann viele Formen annehmen. Es kann in der Wut eines Mobs kommen, der getrieben wird, das Kapitol anzugreifen. Es kann ein Lächeln und eine Vliesweste sein …“ Letzteres ist eine Anspielung auf Youngkins Auftreten in Vlieswesten bei Wahlkampfveranstaltungen.

Entscheidend ist es, in den umkämpften Kongresswahlkreisen moderate Wähler aus den Vorstädten für sich zu gewinnen – das kostete die Republikaner 2018 die Mehrheit im Repräsentantenhaus, Youngkins Kampagne ist nun aber eine Blaupause für ein republikanisches Comeback unter dieser Wählergruppe. Er positionierte sich weder pro noch contra Trump und gewinnt damit die Trump-Anhänger unter den Republikanern ebenso wie viele Moderate, die sowohl die polarisierende Figur Trump aber auch linke Politik ablehnen. In Virginia, wo Trump unbeliebt ist, lag die Zustimmung zu Youngkin laut Umfragen am Wahltag 12 Prozent vor der zu Trump. Damit beweist Youngkin, dass diese Gratwanderung möglich ist und der richtige Kandidat Trump-Anhänger wie Gegner mobilisieren kann.

Nicht nur Trump ist allerdings unbeliebt in Virginia, auch Bidens Zustimmungswerte sind in dem eigentlich blauen Bundesstaat im Keller: Während die Zustimmung zu Trump bei 41 Prozent steht, hat Biden kaum mehr Popularität bei gerade einmal 43 Prozent – das in einer seiner Hochburgen. Das zeigt einmal mehr, dass Biden und seine Partei massiv an Ansehen verloren haben. Er wurde vor allem von Moderaten ins Amt gewählt, die von Trumps Auftreten verärgert waren und sich einen staatsmännischen, nicht polarisierenden Präsidenten wünschten. Statt einer Rückkehr zur Normalität versucht Biden allerdings, trotz hauchdünner Mehrheiten eine linke Agenda durch den Kongress zu bringen, und sorgte in der Außenpolitik etwa in Afghanistan für Chaos statt der versprochenen Normalität. In einer NBC-Umfrage sagten jüngst nur noch 22 Prozent der Amerikaner, das Land bewege sich in die richtige Richtung, 71 Prozent meinten das Gegenteil. Gefragt, welche Partei die bessere Arbeit leiste, haben Republikaner inzwischen einen zweistelligen Vorsprung vor den Democrats in Themenbereichen von Grenzsicherheit, Inflation, Kriminalität, Nationale Sicherheit bis hin zu Wirtschaft. Wenn Biden so weitermacht, droht er nicht nur in einem Jahr seine Kongressmehrheit, sondern auch in 3 Jahren seine Präsidentschaft loszuwerden.

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