Greta Thunberg behauptet, Deutschland habe eine „historische Schuld zu begleichen“, und ihre Fridays-for-Future-Mitstreiterin Luisa Neubauer pflichtet ihr in einem gemeinsamen Podcast bei: Deutschland müsse als Industrienation schneller als andere Länder handeln, denn: „Es gibt die Klimakrise so, wie wir sie heute erleben, weil wir seit Beginn der Industrialisierung fossile Energien verbrennen.“ Es ist nicht das erste Mal, dass die Klimaschutzbewegung auch mit historischen Argumenten die eigene Radikalisierung dokumentiert.
Der Innenexperte der CDU, Christoph de Vries, mokierte sich darüber, dass einige bei Fridays for Future vor Kurzem auf einer Demonstration skandierten und auch twitterten: „Wer hat uns verraten?/Sozialdemokraten“, mit den Worten: „Nazi- und Kommunistenparolen stehen in Deutschland nicht unter Welpenschutz. Die jüngste Provokation gegenüber der SPD ist historisch ungeheuerlich.“ Parolen gehören jedoch zur politischen Auseinandersetzung, mehr noch, Fridays for Future hat alles Recht – und hier würde ich die Bewegung nach dem berühmten Voltaire zugeschriebenen Zitat verteidigen: „Ich bin zwar nicht ihrer Meinung, aber ich werde alles tun, damit sie ihre Meinung frei äußern dürfen.“ Wenn Fridays for Future sich von den Sozialdemokraten verraten fühlt, warum sollten sie mit ihrer Meinung hinter dem Berg halten? Das hat nichts mit „Welpenschutz“ zu tun, sondern es ist schlicht und ergreifend eine Frage der Meinungsfreiheit.
Obwohl seit ungefähr 2012 die ausgewogene und kontroverse Darstellung der Klima-Thematik besonders in den öffentlich-rechtlichen Medien aufgehört hat und andere wissenschaftliche Meinungen entweder verschwiegen oder diffamiert werden – und im Übrigen selbst der Klimabericht des IPCC, dort, wo er einmal nicht radikal genug ausfällt, geframed wird –, bleibt die Ideologie der Klimaapokalyptik in hohem Maße durchaus fragwürdig.
Stimmen die Behauptungen der Aktivisten nicht, dann hat der Abgeordnete der CDU wiederum zur Kritik an seiner Partei, die beim Thema „Klimaschutz“ die Grünen noch links überholen will, allen Grund. Doch über die CDU zu reden, lohnt nicht mehr: Sie will nach links, sie wird nach links gehen – und dahin muss man sie dann auch ziehen lassen. Selbst ihren Funktionären sollte es langsam dämmern, dass niemand eine CDU benötigt, die grüner als die Grünen und röter als die Roten ist. Sie wechselt dann vom Fach der Realität in das Fach der Nostalgie.
Kinder und Jugendliche werden um ihre Zukunft beraubt
Doch geht es denn wirklich um das Klima? Erfüllt die Klimaapokalyptik nicht die Funktion einer Mobilisierungsideologie für die Errichtung einer klimaneutral genannten sozialistischen Gesellschaft? Diese Erkenntnis ist zwar nicht neu, doch immer noch in der öffentlichen Wahrnehmung unterrepräsentiert, woran die Medien einen entscheidenden Anteil haben, aber auch die Parteien, auch die FDP, auch die Union, die dem neuen Aktivismus in kurzen Hosen hinterherlaufen. Die Ende-Gelände-Aktivistin Nike Mahlhaus hatte im Gespräch mit der taz schon vor geraumer Zeit zu Protokoll gegeben: „Kapitalismus gab es nicht schon immer, und genauso kann er auch enden.“
Übrigens werden dabei zuerst vor allem diejenigen, die in dieser Gesellschaft nicht privilegiert sind, bestohlen. Doch eigentlich werden alle Kinder und Jugendliche durch Fridays for Future beraubt, beraubt um ihre Zukunft. Schneiders Schlussfolgerung klingt richtig: „Es gibt nur noch gut oder böse, Klimaschutz oder Kapitalismus, gerecht oder ungerecht. Dabei ignorieren die schreibenden Aktivistinnen, dass auf dieser Grundlage überhaupt keine Diskussion mehr möglich ist. Ihre mangelnde Bereitschaft, auch andere Lösungen als die ihren anzuerkennen, macht sie unfähig, mehr als das zu repräsentieren, was sie selbst sind: wohlstandsverwahrloste Neomarxisten.“ Schneider suggeriert, dass es innerhalb der Klimaapokalyptik „andere Lösungen“ gäbe, die es aber unter der Prämisse des Weltuntergangs nicht gibt. Doch die Prämisse des Weltuntergangs ist falsch. Nimmt man diese Behauptung aus der Diskussion, zöge man der Klimaideologie die Grundlage weg.
Jede realistische, nicht utopistische, jede nicht sozialistische oder rotgrüne Politik muss deshalb diese Prämisse in Frage stellen, will sie verantwortliche Politik betreiben, die sich an der Wirklichkeit orientiert. Sie hat deutlich zu machen, dass die einzige Konstante des Klimas in der Erdgeschichte die ist, dass es sich ständig wandelt. Ihre Anstrengung muss also darauf gerichtet sein, den Wandel des Klimas wissenschaftlich im Auge zu behalten, wozu die Aktivitäten der Sonne, wozu die Meteoritenbewegungen, die seismischen Prozesse in der Erde selbst gehören, die noch weit vor der Frage des dämonisierten CO2 kommen, um gerade durch Wissenschaft und Technik mit den Folgen des in seinem Wesen unvermeidbaren Klimawandels umzugehen.
„Die Jugend“ – Das ist eine reine Medienkonstruktion
Nicht den Wandel des Klimas können wir Menschen beherrschen, aber zunehmend die Folgen des Wandels. Viel wichtiger wird es, sich den ausgeblendeten, aber weit gravierenderen Problemen des Bevölkerungswachstums, der Vermüllung und Überfischung der Weltmeere, der Abholzung der Regenwälder, der Digitalverschmutzung, der Lichtverschmutzung, des Tier- und vor allem des von den Grünen verratenen Artenschutzes, der Aufheizungs-, der Austrocknungs- und der Verwirbelungsprozesse durch Photovoltaik und Windräder zu widmen. Off-Shore-Windparks zerstören zudem das Biotop Meeresboden. In Wahrheit wird aus „grüner“ Profitgier das domizierbare Beelzebübchen mit dem Satan ausgetrieben.
Hochherzigkeit und Begeisterungsfähigkeit gehören zu den Vorzügen der Jugend, aber leider auch zu ihren Gefährdungen. Die Geschichte, wie die Begeisterungsfähigkeit der Jugend von dubiosen Ideologen und Machthabern in Politik und Wirtschaft für ihre Zwecke missbraucht wurde, ist lang, sie beginnt beim Kinderkreuzzug, reicht über Savonarolas Kinderpolizei bis zur FDJ. Hinzu kommt, dass „die Jugend“ eine reine Medienkonstruktion ist, denn viele Jugendliche sind, wie die letzte Shell-Studie belegt, nicht woke oder gar klimakämpferisch unterwegs. Diese vielen Jugendliche machen die Medien mundtot, „bilden sie nicht ab“. Wenn das Studentenparlament der Humboldt-Universität von nur 627 von insgesamt 37.920 Studenten (ohne Charité) gewählt wurde, dann erzählt dieses Zahlenverhältnis mutatis mutandis etwas über das Zahlenverhältnis der Presse-Jugendlichen zu allen anderen Jugendlichen in Deutschland. Eine Minderheit wird gehypt und zur Jugend an sich in den Medien stilisiert. Dieser Minderheit laufen die Politiker aller Parteien – mit Ausnahme der AfD – hinterher, auch die Bundeskanzlerin. Zumindest sieht es so aus. In Wahrheit ist es natürlich umgekehrt: Die gehypte „Jugend“ setzt fremde Interessen durch, ohne es zu bemerken. Sie wird als Rammbock für die Große Transformation benutzt.
Mit Wirklichkeit, mit Fakten ist ihr nicht beizukommen, denn sie hat sich religiös imprägniert, ihr Ziel ist die Weltrettung durch die klimagerechte Gesellschaft, der komplette Systemumbau. Wie in einer Verschwörungstheorie wird alles mit allem verbunden. So schrieben im August 2021 Luisa Neubauer und Carla Reemstma in der taz: „Wir sind richtig, wo wir sind, wir werden gebraucht. Wir müssen jetzt mehr als je zuvor um jedes Zehntelgrad kämpfen. Statt auf die nächste Katastrophenmeldung, den nächsten Klimabericht zu warten, sind wir gefragt, radikal die Verantwortung zu übernehmen, die die Politik schon vor Jahren abgegeben hat.“ Luisa Neubauer und Carla Reemstma sind klüger als alle – und sie sind es von Geburt und von Bewegung. Völlig faktenfrei behaupten sie: „Wir haben uns in eine Welt hineinemittiert, die heißer und gefährlicher ist als das, was seit mindestens 100.000 Jahren auf dem Planeten los war.“ Wüssten sie wirklich, was „auf dem Planeten los war“, gehörten sie zu den schärfsten Kritikern der Klimabewegung.
Es geht um das Revoluzzertum am Freitagvormittag
Aber es geht eigentlich nicht ums Klima, sondern um die Gesellschaft, es geht um das Freitagvormittags-Revoluzzertum. So will in ihrer Entgegnung auf den Artikel von Neubauer und Reemtsma Carola Rackete „insbesondere die Wirtschaft, welche ihre Profite auf dem Rücken des Globalen Südens erwirtschaftet, radikal demokratisieren“. Das heißt im Klartext: enteignen, zerstören. Rackete behauptet: „Niemand sagt, dass es angenehm ist politisch unbequem zu sein. Es kann persönliche Konsequenzen haben, doch diese sind im Vergleich zur Klimakrise marginal. Weiterhin nur freundlich zu appellieren hat für die Bewegung und den Klimaschutz weitreichende Folgen.“ In diesen Worten zeigt sich die vollkommene Weltfremdheit, der Realitätsverlust der Aktivisten und die Hybris der Selbstermächtigung, die zur Selbstradikalisierung treibt, denn wo ist die Bewegung „politisch unbequem“.
Fast alle Parteien loben sie über den grünen Klee, die Medien verbreiten ihre Parolen, und die Türen zu den Talkshows stehen für sie sperrangelweit offen – die selben Talkshows übrigens, die Kritiker der Bewegung der Klimaideologie und Wissenschaftler, die zu anderen Ergebnissen kommen als die Agitatoren der Klimaideologie, nicht einladen und boykottieren. Nicht einmal das Schuleschwänzen am Freitag hat Konsequenzen, im Gegenteil: Lehrer verletzen die Neutralitätspflicht der Schule und gehen mit ihren Schülern zu den Freitagsdemos. Es soll auch Druck auf Schüler, die nicht mitgehen, sondern lieber lernen wollten, ausgeübt worden sein. Für die aus reichem Hause stammende Carola Rackete wirken sich „persönliche Konsequenzen“ mit Sicherheit marginal aus.
In ihrem Beitrag fordert Rackete Fridays for Future zur Radikalisierung auf: „Im Globalen Süden stehen – um Greta Thunberg zu zitieren – die Häuser schon lange in Flammen. Die Machtverhältnisse, welche den Kohleausstieg verhindern, werden sich niemals ohne Konfrontation ändern. Fridays, wir müssen den Mut haben, ernsthaft Sand ins Getriebe der Politik zu streuen. Echte Veränderung wird nur von einer Bewegung kommen, die politischen Druck ausübt.“ Auch der Sprecher von Fridays for Future, Quang Paasch, denkt nur noch im planetaren Maßstab, im Modus der Weltrettung: „Wir können Klimaschutz nur mit sozialer Gerechtigkeit erreichen. Es bringt uns nichts, Emissionen zu senken und auf Technologien zu setzen, wenn weiterhin Arbeiter:innen des Globalen Südens und auch die Natur dafür ausgebeutet werden.“ Und schließlich: „Auch queere Menschen können Arbeiter:innen sein.“
Für die Bewegung gilt das Selbstverständnis: Wir sind im Recht, wir sind die Zukunft, wir sind die Moral; wer gegen uns ist, ist gegen die Zukunft, ist unmoralisch, menschenfeindlich. Allein der Fakt, dass wir der Meinung sind, Recht zu haben, und auf die Straße gehen, zwingt Euch, unsere Forderungen zu erfüllen. Eine demokratische Verhandlung lehnen wir ab, was wir wollen, muss dem Volk aufgezwungen werden, denn was wollt ihr dagegen tun: „Wenn wir entschlossen und gut organisiert sind, dann kann RWE nicht weiter baggern und selbst die Polizei wird uns machtlos gegenüber stehen. Nur durch direkte Aktion können wir den Kohleausstieg erstreiten“, stellt Rackete fest. Lou Winters von Sand im Getriebe (SiG) glaubt: „Die Politik versagt, handelt nur im Interesse von Konzernen. Darum müssen wir mit unseren Körpern dafür sorgen, dass etwas passiert.“ Auch der siebenunddreißigjährige Tino Pfaff, Sprecher von Extinction Rebellion (XR), rechtfertigt die Radikalisierung mit seinem pränatalen Engagement: „Seit 40 Jahren reden wir über die Bedrohungen durch die Klimakrise. Menschen demonstrieren, schreiben Petitionen – nichts hat gewirkt.“
Aber auch der Antirassismus hat die Klimabewegung eingeholt. Auf die Frage der taz: „Die Fridays-for-Future-Bewegung, die du vertrittst, wird kritisiert, zu weiß und elitär zu sein“, antwortet Paasch: „Soziale Bewegungen sind auch nur ein Spiegelbild der Gesellschaft. Und wenn eine Gesellschaft, so wie wir sozialisiert werden, diskriminierend ist, dann ist es leider nur natürlich, dass eine Bewegung wie Fridays for Future weiß-bürgerlich ist … Wenn eine weiße Schülerin zum Streik geht, wird ihr per se mehr geglaubt, als wenn ein migrantischer Schüler das macht … Eine junge Person of Color, die auf dem Land lebt, hat viele strukturelle Hürden, um überhaupt erst mal politisch gebildet zu sein.“
Anders natürlich als eine junge weiße Person, die auf dem Lande lebt. Paasch wünscht sich von einer neuen Regierung: „eine gezielte Umverteilung von Reichtum und dass diese Gelder genutzt werden für Klimaschutz- und Demokratieprojekte.“ Die von Olaf Scholz versprochenen zusätzlichen 1,1 Milliarde Euro im „Kampf gegen rechts“ genügen nicht. Nicht also für soziale Projekte oder für Sozialbedürftige, nicht für Bildung, nicht gegen Kinderarmut, sondern am besten für NGOs, denn von irgendetwas müssen auch Funktionäre der Klimabewegung leben, sollen große Summen mobilisiert werden. Sie leben eben von der Radikalisierung. Von der Apokalyptik, von der Selbstermächtigung.
Greta Thunbergs hysterische Auftritte auf oder vor Foren oder Konferenzen, auf denen sich führende Politiker treffen, gehört inzwischen nicht nur zur Folklore, sondern sie dokumentieren auch die Radikalisierung der Bewegung. Greta Thunberg hat es „satt“, dass die Regierungen nicht nach ihrer Pfeife tanzen. Sie droht mit der Radikalisierung der Bewegung. In einem Wort: Greta Thunberg hat die Demokratie satt.