Griechischer Migrationsminister: Vorteile in Deutschland ziehen Migranten an
Matthias Nikolaidis
Der griechische Minister für Asyl und Migration stellt klar: Deutschland saugt illegale Migranten an. Die Sekundärmigration aus Griechenland ist größtenteils legal. Vor allem müssten die EU-Außengrenzen geschützt werden – und zwar alle, von Litauen bis Italien. Angela Merkel kam nun in Athen zu neuen Erkenntnissen.
Letzte Woche war es wieder so weit: 382 Migranten durften mit einem Kutter auf der griechischen Ägäis-Insel Kos anlegen. Sechs von ihnen wurden von der griechischen Polizei wegen Verdachts auf Schlepperei vernommen, eine Frau »aus medizinischen Gründen« auf das nahegelegene Karpathos verbracht. Das Frachtschiff war unter türkischer Flagge auf dem Weg nach Italien. Vor Kreta sendete es am Donnerstagmorgen ein SOS-Signal. Sofort begann die griechische Küstenwache mit der Suche in dem betreffenden Meeres-Areal. Schließlich fand man den Frachter, die Küstenwache schleppte ihn ab.
Allein die Türkei weigert sich bisher standhaft, die illegal nach Griechenland eingereisten Migranten zurückzunehmen. Da nützt auch die Ausübung diplomatischen Drucks durch Athen und Brüssel nichts, wie die Wochenzeitung Proto Thema berichtet. Es ist eine offene Verletzung der Abmachungen mit der EU. Und wer war ständig ›vor Ort‹ und liefert nun auch der griechischen Presse Bild- und Videomaterial, ob vom Seelenkutter selbst oder von den Corona-Tests auf Kos? Die norwegische NGO Aegean Boat Report, die die Rettungsaktion flugs zum Pushback umstilisierte.
Das ist das Geflecht der Akteure rund um die Ägäis. Doch ein wichtiger – vielleicht der wichtigste – Mitspieler sitzt weit weg vom eigentlichen Geschehen. Das stellte der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis nun im Interview mit Bild am Sonntag fest, als er auf die Sekundärmigration von Athen nach Berlin angesprochen wurde: »Wenn Sie den Menschen, die in Ihr Land kommen, hohe Vorteile bieten, wird das Menschen anziehen. Das Problem ist, dass Sie diese Menschen über Griechenland anlocken.« Die Flüchtlingsströme, die am Ende bis nach Berlin fließen, würden »von westeuropäischen Sozialleistungssystemen angetrieben«.
Den Vorwurf der mangelnden Kontrolle durch Griechenland wies Mitarakis jedenfalls weit von sich. Er stellt klar, dass die Migranten, die nach Deutschland reisen, um dort nochmals um Asyl zu bitten, »dies legal tun«. Die problematischen Fälle sind Asylbewerber, deren Verfahren in Griechenland mit Asyl oder einem anderen Schutzstatus abgeschlossen wurden: »Nach europäischem und internationalem Recht haben anerkannte Flüchtlinge Reisedokumente. Das ist keine Erfindung Griechenlands, sondern steht in der Genfer Konvention, und die Menschen haben das Recht, innerhalb der EU zu reisen.«
Warum Griechenland diese Migranten nicht zurückhalte, fragen die BamS-Redakteure. Weil es eben legale Reisen mit gültigen Aufenthaltspapieren aus der EU seien. Im Übrigen gebe es bereits heute und seit Längerem vermehrte deutsche Kontrollen bei Flügen aus Athen. Doch auch an dieser Stelle sind die deutschen Beamten machtlos. Und: Die Reisen sind nicht nur legal, sondern auch von der menschlichen Warte aus nur allzu verständlich. Die griechischen Sozialleistungen sind weitaus geringer als in Deutschland: »Anerkannte Flüchtlinge bekommen hier dasselbe Sozialpaket wie griechische Bürger: weniger als 400 Euro pro Monat, keine kostenlose Unterkunft oder Mietübernahmen.« Dagegen hätten Migranten, die es nach Deutschland, Österreich oder Schweden schaffen, »Anspruch auf Leistungen, die sogar griechische Gehälter übersteigen«.
Mitarakis: »Grundrechte der Bürger respektieren«
Bild am Sonntag schließt messerscharf: »Wir müssen also unser System in Deutschland ändern?« Der Minister bejaht mit den eingangs zitierten Worten. Er weist erneut auf die Lasten der Migrationsströme hin, die in Griechenland vor allem von einigen wenigen »lokalen Gemeinschaften« getragen wurden, den fünf Hauptinseln der nordöstlichen Ägäis: Lesbos, Chios, Samos, Kos und Leros. Doch auch die Einwohner dieser Gemeinden verfügten über dieselben Grundrechte wie alle anderen Bürger: »In Europa sprechen wir oft von Grundrechten, und wir sollten diese Rechte immer respektieren, aber wir sollten auch die Grundrechte der Bürger und Gemeinschaften auf den griechischen Inseln respektieren.«
Innenminister Seehofer hat es sich auf den letzten Metern seiner Amtsausübung zum Ziel gesetzt, die Sekundärmigration aus Griechenland zu minimieren. Dazu sollte Griechenland 50 Millionen Euro erhalten, wenn es die in Deutschland gestrandeten Sekundärmigranten wieder zurücknimmt. Doch damit scheint Athen am Ende doch ein Problem zu haben (wie hier schon an anderer Stelle vorhergesehen). Ein solches Vorzugsabkommen für Migranten, die in Deutschland waren und nach Griechenland zurückkehren, wird es nicht geben, so Mitarakis: »Sonst würde jeder, der noch in Griechenland ist, versuchen, nach Deutschland zu gehen und sagen: ›Wenn sie mich zurückschicken, bekomme ich das beste Programm‹.«
Die Athener Regierung tut gut daran, hier vorsichtig zu sein. Sie könnte sich sonst den nächsten Migrationsmagneten ins eigene Fleisch implantieren. Mitarakis warnt, 38 Millionen Afghanen würden nur darauf warten, in die EU zu gelangen: »… wenn 38 Millionen Menschen versuchen, nach Europa zu gelangen, dann ist das etwas, was Europa nicht bewältigen kann.« Der Migrationsminister warnt vor diesem unweigerlich zunehmenden Druck an den EU-Außengrenzen, die folglich gut gesichert werden müssten: »Im Einklang mit dem internationalen Recht müssen wir die Grenzen schützen. Alle Grenzen. Von Litauen, Polen, Bulgarien, Griechenland, Italien.« Man müsse an dieser Stelle zusammenarbeiten: »Die Migration wird nicht aufhören und ich glaube, wir kommen jetzt wieder in eine Situation, in der die Dinge wieder schwieriger werden können.«
Scheidende Kanzlerin: »Wir haben so viel illegale Migration«
So weit Notis Mitarakis im Gespräch mit Liana Spyropoulou und Peter Tiede von der Bild am Sonntag. Der letzte Satz scheint auch einer anderen Gesprächspartnerin so langsam klar zu werden, die in den letzten Tagen des Oktobers zu einem Abschiedsbesuch nach Athen kam. Einige Zeitungen wunderten sich, warum Premierminister Kyriakos Mitsotakis sie eingeladen hatte, und schleuderten dem Besuch ein letztes »Ochi« (OXI) entgegen. Am 28. Oktober erinnert sich ganz Griechenland an das »Nein«, das einst der Diktator Metaxas den italienischen Angreifern entgegengeschleudert hatte. Warum man der Verkörperung der Memorandumspolitik gerade an diesem Tag ein Forum bot, verstanden viele nicht.
Angela Merkel ist bei vielen Griechen noch immer das Gesicht der Schuldenkrise und der damit einhergehenden Memoranden. Der ultralinke ehemalige Finanzminister Janis Varoufakis erinnerte daran, dass die Deutschen noch immer für die damals gewählte Politik bezahlen. Profitiert hätten nur »deutsche und griechische Oligarchen«.
Premierminister Mitsotakis kritisierte die mangelnde Härte gegenüber der Türkei an seinem Gast. Die »Mäßigung des Westens« ermutige das willkürliche Verhalten des östlichen Nachbarn: »Es ist Zeit, europäische Prinzipien in europäische Praxis zu übersetzen.«
In Athen entfleuchte der scheidenden Kanzlerin nun ein Satz, den man gerne viel eher – und auch etwas genauer formuliert – von ihr gehört hätte: »Wir haben so viel illegale Migration, dass wir kaum dazu kommen, auch diejenigen aufzunehmen, die am allermeisten unsere Hilfe brauchen.« Man dürfe diese dubiose »illegale Migration«, von der wir sechs Jahre lang fast nichts gehört haben, nicht auch noch »in Form von Schleusern und Schleppern finanzieren«. Halt, halt… wer finanziert hier wen? Doch ja, es stimmt wohl: Durch die großzügigen Asylsozialleistungen ist es vor allem auch Deutschland, sind es deutsche Steuerzahler, die am Ende die Schlepper bezahlen. Jeder mittellose Neuankömmling könnte dank staatlicher Beihilfen innerhalb von wenigen Monaten seine Schulden bei den Menschenschmugglerringen begleichen.
Ein dubioser Verein und noch ein Migrationsweg
Bedauerlich ist, dass in diesen Dingen zentrale Akteure die Sache nach wie vor ganz anders sehen: Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, forderte nun erneut, die »Flüchtlinge« vor der libyschen Küste mit NGO-Schiffen einzusammeln. Die EKD unterstützt die der Antifa nahestehende NGO »Sea-Watch«, die mit mehreren Schiffen im zentralen Mittelmeer aktiv ist, und hat ein »breites Bündnis« um den dubiosen Verein gebastelt.
Unterdessen ist den griechischen Behörden erneut ein brandneues illegales Migrationsmodell aufgefallen: Auf dem Flughafen der westgriechischen Insel Zakynthos werden derzeit in großer Zahl Kubaner ohne gültige Visa festgenommen, die über Russland und Serbien nach Griechenland gelangten. Von der Insel im ionischen Meer aus wollten sie eigentlich nach Mailand weiterfliegen, um dort Asyl zu beantragen. 90 Kubaner wurden festgenommen, weitere 120 werden noch gesucht. Dabei besteht bei fliehenden Kubanern ja zumindest die Chance, dass sie von Sozialismus und überbordendem Wohlfahrtsstaat einstweilen genug haben.
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