Das weltweite Gasgeschäft scheint aus den Fugen geraten zu sein, die Preise für Erdgas klettern in immer luftigere Höhen, die Speicher in Deutschland sind nicht ausreichend gefüllt und das alles vor dem Winter. Putin hat Gazprom angewiesen, demnächst mehr als die vereinbarten Mengen Erdgas nach Deutschland und Österreich zu liefern. Fritz Vahrenholt, ehemaliger Umweltsenator von Hamburg und Energieexperte, Tichys Einblick- Autor und Betreiber der Seite »Kalte Sonne«, klärt im Podcast-Gespräch mit Holger Douglas die Hintergründe. Das Gespräch liefert einen detaillierten Überblick über die Vorgänge auf dem Energiesektor, die für Deutschland sehr bedrohlich sind.
»Wir haben eine Rückkehr zur normalen wirtschaftlichen Entwicklung. Wir hatten eine pandemische Situation zwei Jahre lang und in dieser Zeit sind eine ganze Reihe von Staaten dazu übergegangen, ihre Kohlekraftwerke abzustellen.« So hat Spanien sieben Kohlekraftwerke abgestellt. Vahrenholt: »England ist ganz raus. Holland hat drei abgestellt. Wir auch. Und jetzt fährt die Nachfrage nach Strom wieder hoch, und Gas muss einspringen.«
Gaskraftwerke, die eigentlich nur für die Erzeugung von Spitzenstrom vorgesehen sind, liefern jetzt zunehmend auch Strom für den Dauerbetrieb – eine weitere Ursache der gestiegenen Nachfrage. In diesem Jahr wehte der Wind nicht nur in Deutschland, sondern europaweit äußerst schwach. Auch hier musste Gas im Strommarkt einspringen. »Hinzu kommt auch noch, dass natürlich die Preise auch für Gas durch die CO2-Zertifikate verteuert werden. Das war ja auch gewollt. Man wollte ja unbedingt CO2 teurer machen. Das kostet heute 60 Euro pro Tonne CO2. Gas emittiert zwar nur halb so viel wie Steinkohle, aber immerhin auch das macht sich in mittlerweile drei, vier Cent pro Kilowattstunde Gas bemerkbar«, betont Vahrenholt.
Zusätzlich gibt es in China eine Knappheit an Kohle. Allein sechs Prozent an der chinesischen Stromerzeugung fehlen, weil China australische Kohle boykottiert. Entsprechend mehr Gas muss China importieren. Vahrenholt resümiert: »Also rundum ist eine Folge eine mittlere Folge der wirtschaftlichen Entwicklung, aber auch der verschärften klimapolitischen Debatte.«
Putin sei nicht schuld, so Vahrenholt: »Putin hat so viel geliefert wie bestellt. Das hat ja sogar Angela Merkel gesagt.« Am Ende wisse Europa, dass es ohne russisches Gas nicht klarkommen werde, Deutschland schon gar nicht Vahrenholt: »Um das mal ganz deutlich zu sagen: Man muss mal die Größenordnung sehen, auf welchem Weg wir uns begeben haben. Der Ausstieg aus der Kernenergie – immerhin 25 Prozent der deutschen Stromversorgung – wird in zwei Jahren vollzogen sein. Gleichzeitig wollen wir aus der Kohle aussteigen. Das sind zusammen in einer Größenordnung von mehr als 50 bis 60 Prozent des deutschen Strombedarfs.« Und Baerbock meint, einfach so mal eben kurz auf den verzichten zu können.
Frage: »Wie sinnvoll ist es denn überhaupt, Erdgas, das ja eine richtig teure Energie ist, die bisher nur Mittel- und Spitzenlast abgedeckt hat, zu solch einem zentralen Element der Energieversorgung eines Landes zu machen? Das ist ja nicht besonders sinnvoll!«
Vahrenholt: »Eigentlich nicht. Aber wir brauchen das Gas für die Heizung. Da ist es am flexibelsten einzusetzen für die Wärmeerzeugung und für die Spitze, weil es eben sehr teuer ist. Weil es den Vorteil hat, dass die Gasturbinen und auch die Gaskraftwerke immer in wenigen Sekunden und Minuten anspringen können. Aber wenn man natürlich so bescheuert ist, wie Deutschland in seiner Energiepolitik seit zehn Jahren ist und zunächst mal aus einem Pfeiler der Kernenergie aussteigt und jetzt auch noch der Kohleausstieg, dann bleibt einem ja nichts anderes übrig, als das teure Gas zu nehmen.«
Vahrenholt: »In einer Industriegesellschaft muss man immer mindestens genauso viel investieren, wie man abschreibt. Das haben wir schon seit langem nicht mehr. Das heißt, die industrielle Basis in Deutschland geht dahin.«
»Man könnte die bestehende Kraftwerksflotte mit einer CO2 Abscheidung versehen. Diese Technologie wurde in Deutschland in der »Schwarzen Pumpe« entwickelt. Braunkohle ist wettbewerbsfähig, der preiswerteste Energieträger überhaupt. Denn dort wird die Kohle aus dem Braunkohlefeld direkt in das Kraftwerk geführt, da gibt es gar keine Transportkosten.«
Vahrenholt erinnert an die Grünen Habeck & Co, die einst in Kiel mit Gasmasken demonstriert haben: »Man wollte in Schleswig-Holstein die Abgase von CO2 Kraftwerken von Kohlekraftwerken in die Tiefe pressen, dort wo heute auch Gasfelder sind. Damals war der Oppositionsführer Herr Habeck, der dann zusammen mit Frau Künast und anderen Idioten in Kiel demonstriert hat – mit Gasmasken, weil man gesagt hat CO2, jetzt wird das Giftgas unter unsere Erde gepresst. Das wollen wir nicht. Wir sind nicht der Abfalleimer Deutschlands. Und was passierte? Tatsächlich haben Bundesrat und Bundestag in Deutschland die CO2 Abscheidung verboten.«
Das Ergebnis: Ein Land wolle offenbar mit aller Gewalt 100 Prozent Wind- und Sonnenversorgung hinbekommen. Das werde scheitern. Vahrenholts Fazit: »Man kann ja nur hoffen, dass dieses Scheitern so früh wie möglich offenbar wird, damit dieser Weg so schnell wie möglich verlassen wird.«
Hören Sie das ausführliche Gespräch im Podcast.