Tichys Einblick
Inflation

Werden Lebensmittel bald noch teurer? Inflation erfaßt immer neue Märkte

Die hohen Gaspreise treffen nun auch die Landwirtschaft. Die Preise von wichtigen Düngemitteln sind binnen weniger Tage sprunghaft angestiegen. Dünger-Hersteller drosseln ihre Produktion.

IMAGO / Westend61

Die Preise von Düngemitteln steigen derzeit in schwindelerregende Höhen – und das innerhalb weniger Tage. Etwa haben sich die wichtigsten Stickstoffdünger um 75 bis 150 Euro binnen einer Woche verteuert, berichtet die Internetseite agrarheute. Der Flüssigdünger Ammoniumnitrat-Harnstoff-Lösung notiere zum Ende der ersten Oktoberwoche bei 475 Euro – das seien 150 Euro mehr als vor einer Woche. Kalkammonsalpeter koste 80 Euro mehr pro Tonne – ein Preisaufschlag von rund 20 Prozent. Bei den wichtigsten Mineralstoffdüngern gebe es ebenfalls starke Preisanstiege, meldet das Fachmedium.

Inflation
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Die Folgen seien bereits massiv spürbar: Immer mehr Hersteller drosselten die Produktion. Händler würden zunehmend keine Düngemittel mehr einlagern, weil die Einkaufskosten deutlich gestiegen seien und ihnen das Preisrisiko zu hoch sei. Immer mehr Landwirte könnten keine Düngemittel kaufen, weil die Lager der Händler leer seien und Nachschub fehle.

Auslöser sind die anziehenden Preise für Erdgas. „Das mittlerweile erreichte Niveau ermöglicht keine ökonomisch sinnvolle Produktion mehr“, sagte etwa Petr Cingr, der Geschäftsführer des Ammoniak-Produzenten SWK Piesteritz. Der Erdgaspreis hat sich innerhalb weniger Monate mehr als verdoppelt. „Wir fordern unverzügliches Handeln der Politik. Ohne staatliche Maßnahmen droht in Kürze ein Produktionsstopp“, erklärte Cingr und fügte hinzu: „Die Konsequenzen werden sich auf weiterverarbeitende Industrien, die Logistik und die deutsche Landwirtschaft auswirken.“

Derzeit spitze sich die Düngemittel-Knappheit zu, berichtet agrarheute. Weltweit würden Hersteller ihre Fabriken reihenweise dicht machen – etwa der spanische Marktführer Fertiberia oder Yara International, einer der größten Stickstoffdünger-Produzenten. In Deutschland kündigte der Ammoniak-Marktführer SWK Piesteritz an, 20 Prozent weniger produzieren zu wollen. Auch der Chemieriese BASF drosselt seine Ammoniak-Produktion in Ludwigshafen und Antwerpen. Ammoniak dient der Industrie als Grundstoff für die Produktion von Stickstoffdüngern. Weil bei der Ammoniak-Herstellung auch CO2 anfalle, dürfte das Gas ebenfalls immer knapper werden, berichtet agrarheute. Lebensmittelhersteller und Schlachter seien auf Kohlenstoffdioxid angewiesen.

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Der Dünger-Engpass trifft die Landwirte ohnehin zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Auch sie waren von der anziehenden Inflation nicht verschont geblieben. Laut Zahlen des Statistischen Bundesamts verteuerten sich viele Betriebsmittel, die Landwirte brauchen. Etwa stiegen die Preise für Futtermittel (+17,2 Prozent innerhalb eines Jahres), Kraftstoffe (+25,1 Prozent) und Maschinen für die Land- und Forstwirtschaft (+4,4 Prozent). Insgesamt zogen die Erzeugerpreise um 12,0 Prozent im August an – das war so viel wie seit dem Jahr 1974 nicht.

Doch auch Verbraucher ächzten zuletzt unter der Lebensmittel-Inflation. Laut Statistischem Bundesamt mussten sie im September 4,9 Prozent mehr für Nahrungsmittel bezahlen, als noch vor einem Jahr.

Eine Ursache für die anziehende Inflation dürfte die ultralockere Geldpolitik der EZB und anderer Zentralbanken sein. Seit Beginn der Corona-Krise hat die EZB ihre konsolidierte Bilanzsumme nahezu verdoppelt. Außerdem weitete sie ihre Anleihekäufe mit dem PEPP-Programm aus. Viele Euro-Staaten finanzierten mit dem billigen Geld Konjunkturprogramme. Die öffentlichen Schulden stiegen teils massiv an. Kritische Ökonomen wie der Leipziger VWL-Professor Gunther Schnabl warnen vor einer zunehmenden Zombifizierung der Wirtschaft. Niedrigzinsen und Staatshilfen hielten unrentable Unternehmen künstlich am Leben, warnen sie.

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