Tichys Einblick
Olaf Scholz und Cum/Ex:

Hamburger Durchsuchung vor der Wahl angeordnet, aber erst danach ausgeführt

Die Durchsuchung bei Scholz' Freund Johannes Kahrs wurde vier Tage vor der Bundestagswahl angeordnet. Dass sie absichtlich erst nach der Wahl durchgeführt wurde, dementiert die zuständige Staatsanwaltschaft.

IMAGO / photothek

Der Vorgang schlug ein wie eine Bombe: Nur zwei Tage, nachdem SPD-Vizekanzler und Bundesfinanzminister Olaf Scholz bei der Bundestagswahl ein vergleichsweise gutes Ergebnis für die SPD geholt hatte, startete die Staatsanwaltschaft Köln in Hamburg umfangreiche Hausdurchsuchungen bei einem langjährigen Vertrauten des Kanzleraspiranten sowie weiteren Personen aus dem SPD-Dunstkreis. Bei den Untersuchungen, in deren Mittelpunkt offenbar der langjährige Kreisvorsitzende der SPD in Hamburg-Mitte und frühere Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs stehen soll, geht es dem Vernehmen nach um den Vorwurf der Begünstigung einer Privatbank hinsichtlich Steuerrückforderungen in Höhe von rund 47 Millionen Euro. Diese, verursacht durch Karussellgeschäfte des Bankinstituts unter der Bezeichnung Cum-Ex, sollen der Bank durch die zuständige Finanzbehörde auf Initiative aus der Politik erlassen worden sein. Gleichzeitig steht eine 40.000 Euro-Spende im Raum, die die betroffene Warburg-Bank an die von Kahrs geführte SPD-Untergliederung ausgekehrt haben soll.

Besonders pikant: Verantwortlich für die damaligen Handlungen der Hamburgischen Finanzbehörde war als Senator der heutige Erste Bürgermeister Peter Tschentscher. Und Scholz, der anstrebt, Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden, war damals dessen Vorgänger als Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg.

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Scholz musste zwischenzeitlich einräumen, sich nicht nur im zeitlichen Zusammenhang mit den Steuerforderungen gegen die Bank mehrfach mit deren Miteigentümer Christian Olearius getroffen zu haben. An den Inhalt dieser Gespräche im Herbst 2016 behauptet sich Scholz allerdings nicht mehr erinnern zu können. Lediglich ein Hinweis „auf den Dienstweg“ sei erfolgt – Olearius hätte sich demnach an Tschentscher wenden müssen. Hat nun dieser der Bank die Steuerschuld erlassen? Offiziell verlautet, die Kölner Ermittlungen richteten sich weder gegen ihn noch gegen Scholz. Tatsache aber bleibt: Erlassen wurde die Steuerschuld – angeblich durch eine führende Mitarbeiterin der Finanzbehörde, welche wiederum in irgendeiner Weise in Verbindung mit Kahrs stehen soll.

Aber kann es sein, dass in einem überschaubaren Bundesland wie Hamburg ohne Kenntnis des Regierungschefs und des zuständigen Ministers einem Steuerschuldner per Federstrich 47 Millionen Euro Schulden erlassen werden? Einfach so? Und wie kann es sein, dass eine weitere Steuerforderung gegen Warburg in Höhe von 43 Millionen erst eingetrieben wurde, nachdem der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dieses mehrfach energisch bei Scholz angemahnt hatte? Wer daran glaubt, dass hier alles ohne Wissen der in der Stadt politisch Verantwortlichen gelaufen ist, glaubt auch, dass der Weihnachtsmann die Geschenke bringt. Und so verdichtet sich der Verdacht, dass der ehemalige Bundestagsabgeordnete Kahrs zwar als Strippenzieher im Hintergrund gewirkt hat, nun jedoch in der Verwaltung ein Bauernopfer gesucht wird, das die Weste von Tschentscher und Scholz sauber halten soll. Dabei – selbst wenn es keine offizielle oder verdeckte Anordnung auf Steuererlass durch beide gegeben haben sollte: Wer als verantwortlicher Politiker nicht mitbekommt, dass ein Bürgervermögen in Höhe von mindestens 47 Millionen durch die Stadt verschenkt wird, beweist allein schon damit sein Unvermögen für höhere politische Weihen.

Der Skandal wirft weitere Fragen auf

Das allein aber ist nicht alles, was gegenwärtig den Vorgang zum Skandal macht. Denn wie die zuständige Staatsanwaltschaft Köln gegenüber TE bestätigte, erging der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Köln bereits am 22. September – also vier Tage vor der Bundestagswahl.

Cum-Ex-Skandal in Hamburg
Die Durchsuchung bei Kahrs könnte auch für Scholz unangenehm werden 
Wurde durch die Staatsanwaltschaft die anstehende Durchsuchung also bewusst verzögert, um die Chancen des SPD-Kandidaten nicht durch einen weiteren Skandal zu verringern? Erst wenige Tage zuvor war wegen des Verdachts, Geldwäsche-Verdächten nicht entsprechend nachgegangen zu sein, durch die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft eine Durchsuchung im Bundesministerium der Finanzen erfolgt. Hatten die Kölner Angst, ein weiterer Schlag, bei dem Scholz in irgendeiner Weise involviert sein könnte, würde ein gewünschtes Wahlergebnis verhindern?

Die Staatsanwaltschaft Köln weist derartige Spekulationen gegenüber TE energisch zurück.

Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer: „Durchsuchungsaktionen wie die vorliegende in einem anderen Bundesland und noch dazu in Behörden bedürfen einer sorgfältigen Vorbereitung und Koordination (hier mit dem LKA NRW). Vor diesem Hintergrund sind die Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Köln vom 22.09.2021 baldmöglich und sehr zügig – ohne Rücksichtnahme auf politische Befindlichkeiten – vollstreckt worden. Geplante Durchsuchungsmaßnahmen unterliegen grundsätzlich der Geheimhaltung. Alles andere wäre ein strafbewehrter Verstoß gegen Dienstpflichten. Selbst die vorgesetzten Behörden werden regelmäßig – und so auch hier – erst nach Beginn einer Durchsuchung informiert.“

Dem mag so sein. Ein fader Nachgeschmack bleibt dennoch, wenn die Hausdurchsuchung rechtzeitig vor dem Wahltag angeordnet wird, aber erst dann erfolgt, wenn dort alles gelaufen ist.

Glosse
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Und es bleibt unabhängig davon die Frage: Wo eigentlich ist der Möchtegern-Kanzler der SPD noch überall involviert? Da ist der Wirecard-Skandal, bei dem unzählige Anleger um ihr Vermögen gebracht wurden. Das Millionen-Steuergeschenk an die Warburg-Bank zulasten der Stadt Hamburg. Die Probleme bei der Strafverfolgung von Geldwäsche-Delikten.

Was kommt als nächstes? Und vor allem: Was geschieht mit einem gewählten Kanzler Olaf Scholz, wenn sich dann doch herausstellen sollte, dass er in einen oder mehrere dieser Skandale stärker involviert sein sollte, als bislang zugegeben?
Es wäre an der Zeit, erst die Karten offen auf dem Tisch liegen zu haben, bevor ein vielfach angezählter Politiker durch wen auch immer zum Kanzler gemacht wird. Denn andernfalls kann es schnell geschehen, dass der von mehr als 80 Prozent der Wahlberechtigten nicht gewählte, aber angeblich von einer Mehrheit gewünschte Scholz blitzschnell zum Ex wird – und die SPD durch die Hintertür jemanden auf den Kanzlerstuhl hievt, der mit den angeblichen Zielen des Olaf Scholz nicht mehr das Geringste gemein hat.

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