Die „IAA Mobility“ in München ist vorbei, Zelte und Pavillons der deutschen premium-Hersteller und Zulieferer auf den schönsten historischen Plätzen der Stadt sind abgebaut, die Plätze selbst in Renovierung, die Münchner Rentner in ihren Alltagstrott mit Weißwurst und Weißbier zurückgefallen. Als Messe der Mobilität der Zukunft einschließlich Fahrrad und ÖPNV hat die Veranstaltung ihren Zweck erfüllt, als Messe adrenalinpuschender, faszinierender Automobile und hübscher Hostessen –Fehlanzeige. Neue, aufregende Autos, früher der Magnet jeder IAA, fehlten fast völlig.
Eigentlich wäre für die Branche Tristesse angesagt, wenn man auf die Daten vom Herbstbeginn (vom Branchenverband VDA und vom Kraftfahrtbundesamt KBA) schaut. Gäbe es da nicht zwei Meldungen, die das automobile Herz wieder höher schlagen lassen:
- Zum einen erzielten die globalen Autobauer einschließlich der deutschen trotz Corona und Chipmangel im ersten Halbjahr Rekordgewinne. Die 16 größten Autokonzerne verbuchten nach einer Erhebung des Beratungsunternehmens EY zwischen Januar und Ende Juni Betriebsgewinne von zusammen 71,5 Milliarden Euro ein – ein historischer Rekordwert. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres hatten die Konzerne noch einen Verlust von 4,1 Milliarden Euro eingefahren – ein historisch einmaliger Swing!
Diese Gewinnentwicklung kam zustande, obwohl Absatz und Umsatz erheblich unter den Werten von 2019 lagen. Nach einer baldigen globalen Pleite der Branche sieht das nicht aus!
- Zum anderen gibt es einen Hoffnungsschimmer für Liebhaber von Autos mit Verbrennermotoren und sicheren Arbeitsplätzen in der Branche. Lange wurde über E-Fuels als CO2-neutrale Sprit-Alternative für Verbrennermotoren gesprochen, jetzt ist es soweit: E-Fuels kommen künftig aus der chilenischen Pampa. Synthetische Kraftstoffe könnten für einen nahezu CO2-freien Betrieb von Verbrenner-Fahrzeugen sorgen.
In Chile haben Porsche und Siemens nun mit dem Bau einer Pilotanlage begonnen, die ab 2022, die ab 2022 die ersten 130.000 Liter Kraftstoff liefern soll. In zwei Stufen soll die Kapazität dann bis 2024 auf rund 55 Millionen Liter und bis 2026 auf rund 550 Millionen Liter erweitert werden.
Im Süden Chiles entsteht damit eines der aufregendsten Zukunftsprojekte der Energiewirtschaft, weil hier die Dekarbonisierung des Mobilitätssektors mit dem Verbrennermotor, nicht ohne vorangetrieben wird. Mit erneuerbarer Energie hergestellte Kraftstoffe können dazu einen Beitrag leisten. Entsprechende Tests sind erfolgreich verlaufen. „Mit E-Fuels lassen sich zukünftig bis zu 90 Prozent der fossilen CO2-Emissionen im Verbrenner reduzieren“ ( Porsche Entwicklungschef Michael Steiner).
Das „Haru Oni“ genannte Projekt an der Südspitze Chiles nutzt den permanent vorhandenen Wind, um die notwendige grüne Energie zu erzeugen. In einem ersten Schritt spalten dafür Elektrolyseure mittels Windstrom Wasser in Sauerstoff und grünen Wasserstoff. Anschließend wird CO2 aus der Luft gefiltert und mit dem grünen Wasserstoff zu synthetischem Methanol kombiniert, das wiederum in den Kraftstoff umgewandelt wird. Chile hat eine Wasserstoffstrategie und will bis 2025 eine Elektrolyseur-Kapazität von fünf Gigawatt (GW) aufbauen, die bis 2030 auf 25 GW erhöht werden soll. Ziel ist es, weltweit den preisgünstigsten Wasserstoff zu erzeugen und das Land zu einem führenden Exporteur von grünem Wasserstoff und dessen Derivaten zu entwickeln.
Die automobile Wirklichkeit im Herbst 2021 sieht aber nach einer raschen Wiederbelebung der Branche noch nicht aus.
Autoindustrie durch Chip-Mangel schwer getroffen
Wie stark der Erholungsprozess von der Corona-Krise durch den globalen Chip-Mangel abgewürgt wurde zeigt ein Vergleich mit dem Maschinenbau, dem zweitwichtigsten Industriezweig in Deutschland. (Tabelle + Schaubilder; Quellen: Stat. Bundesamt, VDA, KBA)
Während die Erholung der Nachfrage im Maschinenbau seit Frühjahr unvermindert anhielt, setzte sich die Erholung der Autokonjunktur nach Ausbruch der Chip-Krise nicht weiter fort, die Aufträge schwächten sich gegen den Trend wieder ab.
Die Abweichung der Nettoproduktion in der Autoindustrie vom Branchentrend zeigt die Schwere der chipbedingten Produktionsstörung.
Die zuvor kräftige Konjunkturerholung der Autobranche geriet ins Stocken. Maßgebend war die Auslandsnachfrage.
- Bei neuen Aufträge aus dem Inland ergab sich bei den deutschen Herstellern im August noch ein Zuwachs von 8 Prozent gegenüber dem (niedrigen) Vorjahresmonat (per August: + 7 Prozent).
- Im Auslandsgeschäft verbuchten die deutschen Hersteller im August abgelaufenen Monat einen Auftrags-Rückgang um 21 Prozent. Seit Januar gingen jedoch 17 Prozent mehr Aufträge aus dem Ausland ein.
Alle Branchenkennzahlen tief im Minus
Auch im August konnten alle wesentlichen Schlüsselzahlen der Branche: Zulassungen, Produktion, Export erneut nicht an das Vorjahresniveau heranreichen. Lediglich der Markt für Elektro-Fahrzeuge expandierte weiter und gewann Marktanteile hinzu
Neuzulassungen
Im August 2021 wurden in Deutschland 193.300 Pkw neu zugelassen, 23 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Aufgrund der schwachen ersten Quartale 2020 wurden in den ersten acht Monaten mit 1,8 Mio. Pkw das Vorjahresvolumen allerdings um 2 Prozent überschritten.
Das Wachstum täuscht allerdings, denn im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Jahres 2019 wurden immer noch ein Viertel weniger Pkw neu zugelassen. Das Vorkrisenniveau auf dem deutschen Pkw-Markt ist weiterhin nicht in greifbarer Nähe. Selbst das Jahresvolumen 2020 (2,917 Mio.) dürfte kaum erreicht werden.
Ein gravierender Mangel bei Halbleitern waren auch im August ein schweres Produktionshindernis Die Pkw-Produktion ging im August ein weiteres Mal zurück. Insgesamt wurden nur 133.600 Pkw gefertigt (-32 Prozent). In den ersten acht Monaten belief sich die Inlandsproduktion auf 2,1 Mio. Pkw (+5 Prozent).
Der Rückgang der Produktion von Dieselmotoren setzt sich anscheinend unaufhaltsam fort, die Produktion von Benzinmotoren stagniert
Weiterhin mit hohen Zuwächsen verlief die Produktion bei Elektromotoren
Export
Fehlende Produktion führt unmittelbar zu Rückgängen im Export. Im August wurden nur 107.700 Pkw (-33 Prozent) ins Ausland abgesetzt, nur halb so viel wie 2018. Im bisherigen Jahresverlauf wurden 1,6 Mio. Pkw (+7 Prozent) an Kunden aus aller Welt ausgeliefert.
Der seit 2017 zu beobachtende Negativ-Trend setzte sich damit fort. Zu Diskussionen in der Öffentlichkeit hat dies bislang noch nicht geführt!
Ausblick
Selbst ohne die Ungewissheit über die zukünftige Zusammensetzung der neuen Bundesregierung haben die jüngsten Branchendaten die Skepsis über den weiteren Konjunkturverlauf in der Autoindustrie eher vertieft. War die Prognose für die nächsten zwölf Monate angesichts des fortdauernden Speichermangels schon durchwachsen, so hat die Unsicherheit über die Regierungsbildung und die künftige „politische „Behandlung der Branche das allgemeine Unbehagen weiter verstärkt. Nix genaues weiß man nicht!
Hatten zuvor der Mangel an Halbleitern ebenso wie rapide steigende Preise für Frachten, Vormaterialien und importierte Rohstoffe den Ausblick schon getrübt, so ist er angesichts der Unsicherheit über die Regierungsbildung eher noch etwas trüber geworden. Welches Antriebssystem wird in Zukunft das Wohlwollen der Politik haben? Weiter elektrisch wie bisher, oder Technologieoffenheit?
Zunächst wird die Branche sich auf eine sehr schwache Nachfrageentwicklung einstellen müssen. Eine Basis für freudige Investitionen ist das nicht.