Eine knappe Woche vor dem Wahlsonntag hat Frank Plasberg die Fraktionsvorsitzenden der Bundestagsparteien auf seine Talkhocker gesetzt – „das parlamentarische Machtzentrum“, wie er sagt, ist bei ihm im Studio. Unter dem Slogan „Endspurt im Wahlkampf: Wer macht die letzten Punkte?“ soll es noch einmal richtig spannend werden – so der Gedanke.
Für Spannung sorgt zu Beginn direkt ein leerer Stuhl in der Mitte. FDP-Chef Christian Lindner fehlt, ist noch nicht im Studio. Es dauert ein wenig, bis der FDP-Chef kommt. Das Thema: was die Parteien für die ersten 100 Tage planen. Lindner, noch im Gehen und außer Atem, entschuldigt sich und wirft direkt ein: „Ich kümmere mich um die Verkehrsinfrastruktur.“ Es dauert keine zehn Sekunden, da referiert er schon über das Wirtschaftswachstum und einen „Jumpstart“ aus der Coronakrise heraus – sein Talkshow-„Jumpstart“ ist geglückt. Plasberg wird dem Liberalen seine Verspätung aber noch ein paar mal vorhalten.
Es folgt eine Diskussion zur Spitzensteuer. Auch hier erwartbar: Amira Mohamed Ali von der Linken ist dafür, Rolf Mützenich von der SPD eigentlich auch, Christian Lindner, Alice Weidel und Ralf Brinkhaus eher nicht so. Mohamed Ali will hier „einfach mal die Wahrheit“ sagen – wie erfrischend. Als Lindner sie angriffslustig in die Mangel nimmt, kann sie nicht benennen, wie hoch der Spitzensteuersatz eigentlich überhaupt ist. Ist das eine Basis für Rot-Rot-Grün? Katrin Göring-Eckhardt redet drum herum. Rolf Mützenich äußert sich da schon kritischer und konkreter – Kapital habe gesellschaftliche Verantwortung, meint der Sozialdemokrat. Hier verschafft sich Alice Weidel mal wieder Gehör, fordert Steuersenkungen für die breite Masse der Steuerzahler – übrigens als einzige in der Runde.
Ganz am Ende kommt noch ein Thema auf, das in den bisherigen Debatten und Talkshows keine große Rolle gespielt hat: die Außenpolitik. Angesprochen auf den Nato-Hass der Linken rudert Amira Mohamed Ali zumindest leicht zurück: Ihre Partei wolle nicht sofort austreten, sondern die Nato zu einem „echten Friedensbündnis auch unter Einbindung Russlands weiterentwickeln“. Aus der Runde wird sie auf den NATO-Russland-Rat hingewiesen. Die Erkenntnis: Die Sabotage der Westbindung ist und bleibt Linken-Programm.
Fazit: Überzeugend wirkte die Runde nicht. Was mit sechs Spitzenpolitikern eigentlich hätte ein Talk-Hochkaräter werden könnte, wird zu einer Show im abgesteckten Raum. Alice Weidel kommt kaum zu Wort – und der Rest der Runde zankt sich, ohne große Unterschiede wirklich deutlich zu machen. Die Runde repräsentiert den Wahlkampf – leidenschaftslos.