Er fühlte sich als Privilegierter nicht des, aber innerhalb des DDR-Systems: Bernd Zeller. Er hatte nämlich Großmutter und Tante, die ihn entgegen aller Verbote mit Walt Disneys Micky Mouse versorgten. Das war ja das, was heute unter Hetze läuft und wurde konfisziert, nur nicht am Plattensee in Ungarn, wo sich der im Osten verbliebene Rest im Urlaub mit der Verwandtschaft traf. Da war es immer schon irgendwie anders. Inklusive Mickey Mouse.
Die glücklichen Jahre
Bernd Zeller muss lachen, wenn er darüber nachdenkt. Dabei, sagt er, habe er doch die DDR so weit hinter sich gelassen, er stammt ja aus der glücklichen Generation, die so um 1966 geboren wurde:
Da war man jung genug, um die Freiheit der Wende auszukosten, der Morgen öffnete den neuen Tag, und der Sozialismus hatte noch nicht zu viele Jahre verbraucht. „Von einem Tag auf den anderen gingen die Menschen aufrecht, schauten ganz anders – offener, ins Gesicht“, erinnert es sich an den Herbst 1989. Noch vor der Maueröffnung war die Diktatur tot – sie lebt, wenn man sie zulässt. Wie kann einer wie Heiko Maas so ungehemmt wieder zensieren, eine Regierung so leichtfüßig mit dem Recht umgehen? Bernd Zeller ist scharfsichtiger Beobachter der feinen Haarrisse, die den teuren Rechtsstaat zu durchziehen beginnen.
Die neue Freiheit
Zeller nutzte die neue Freiheit, um dem ungeliebten Studium der Medizin adé zu sagen, er studiert ein paar Semester Jura. Davon blieb die Bewunderung für das Verfassungsrecht: Dem Staat Schranken zu setzen! Das war neu, bewundert er immer wieder. Das Recht kann die Gesellschaft verändern, nicht unabänderlich. Jetzt tauchen sie wieder auf die Gespenster aus der DDR, wuchert verdruckstes Schweigen wieder. Gelernte DDR-Bürger sind besonders kritische Medienkonsumenten. Sie sind Könner im Dechiffrieren der Propaganda-Tricks. Sie mussten lernen, zwischen den Zeilen zu lesen, das Quentchen versteckte Wahrheit herausfiltern, in den offiziellen Fernsehnachrichten die Spitze des buschigen Eichhörnchen-Schwanzes sehen, der nicht wegzubeschönigen war und daraus die Information mehr zu erahnen, als zu erfahren. Deswegen ist der massivste Vorwurf der manipulierten Information in den früheren DDR-Provinzen entstanden. Noch heute schauen die Menschen sorgsamer hin und lesen die Schlagzeilen kritischer.
Zeller reagiert fassungslos angesichts der achselzuckenden Bereitwilligkeit, die Freiheit zu verschenken. Er kennt ihren Preis. Er hat ihn bezahlt.
Bernd Zeller reagiert auf die Verwerfungen hin mit dem spitzen Stift. Er wurde Karriakturist, hat alle Adressen hinter sich: Den Eulenspiegel, selbst Titanic, das nur mäßig witzige Blatt für Zwangshumoriker. Nicht nur Mickey Mouse, mehr noch sein Schöpfer Walt Disney sind sein Vorbild und Zukunftsversprechen: Es gibt also ein System, in dem ein Einzelner so viel machen kann. Er gründete die Zeller Zeitung – im Internet.
Die Presse-Show
Seit einigen Wochen arbeitet er auch für Tichy Einblick und ehrlich: Wir freuen uns darüber. Er ist ungeheuer schnell, immer im Angriffsmodus – und dabei ein gemütlicher Thüringer, der weiterhin in Jena lebt zwischen den 7 Bergen. Nicht im Mainstream der großen Metropolen entsteht das Neue in Deutschland, oft sind es die versteckten Orte, in denen das Nachdenken wohnt. Seine Erfahrung mit Journalisten hat er in einem kleinen Buch verarbeitet: „Presse-Show. So sind nicht alle Journalisten“. Es ist eine hinterhältige Formulierung – harmlos und doch ätzend, selbstverständlich und doch decouvrierend. „Es ist ja nicht immer leicht, die Menschen da abzuholen, wo ein Journalist nicht hin will“, sagt er. Stimmt. Da wohnen dann solche wie Zeller mit ihren spitzen Stiften, wie gefährlich ist das denn?
Walt Disney hat gewirkt. Ehrlich, er wäre stolz auf ihn.