In der Nacht auf Dienstag haben Unbekannte das Auto von Vadim Derksen angezündet, der dort AfD-Direktkandidat bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag ist. Gegen 1.20 Uhr wurde der weit fortgeschrittene Brand bemerkt, die Feuerwehr kam rasch, konnte aber nur noch das ausgebrannte Skelett des Wagens löschen. Auch das davor geparkte Auto einer Nachbarin wurde stark beschädigt. Von Brandstiftung wird ausgegangen. Der polizeiliche Staatsschutz prüft, ob eine politische Motivation vorliegt.
Lokale Beobachter haben da kaum noch Zweifel. Die Serie von Brandanschlägen auf die Autos verschiedener Politiker ist lang und wohlbekannt. Letztes Jahr wurde der Neuköllner CDU-Stadtrat Falko Liecke zum Opfer eines ähnlichen Anschlags. Der derzeitige Mahlsdorfer Wahlkreisabgeordnete Mario Czaja drückte Vadim Derksen seine Solidarität via Facebook aus, wie die B.Z. berichtet: »Ich bin fassungslos über diesen Anschlag und in Gedanken bei der Familie. Bei allen Meinungsverschiedenheiten darf es nie zu Gewalt kommen. Ich bin schockiert und hoffe, dass die Täter bald gefasst werden.« Czaja berichtet dann auch von einem persönlichen Gespräch mit Derksen und schließt mit den Worten: Solche Angriffe dürften »in einer Demokratie nie geduldet werden«.
In Hamburg zieht sich die AfD also notgedrungen auf das Wohnhaus einer Kandidatin zurück, um für sich zu werben. Doch dieser private Raum des eigenen Hauses und sein Umkreis wurde von linken Demonstranten und Aktivisten nicht respektiert, und vom Staat offenbar auch nicht wirksam geschützt. Olga Petersen, Abgeordnete in der Bürgerschaft und Direktkandidatin der AfD für den Bundestag, kam etwas später am Veranstaltungsort an. Laut ihrer Schilderung hielten sich zu diesem Zeitpunkt bereits rund 40 Demonstranten vor dem Wohnhaus der Jordans auf. Die Polizei habe aber nichts getan, um die Demonstranten einzugrenzen oder den normalen Autoverkehr auf der Straße sicherzustellen. Das zuständige Polizeikommissariat spricht TE gegenüber von 15 Demonstranten direkt vor dem Haus. Allerdings sei ihre Zahl im weiteren Umfeld dreistellig gewesen.
Petersen konnte laut eigener Schilderung nicht bis zum Haus vorfahren und parkte daher in einiger Entfernung. Mit einigen Freunden näherte sie sich dem Haus. Zuvor hatte sie Nicole Jordan angerufen und sie gebeten, Polizei zu ihrem Schutz zu schicken. Es kam ein Beamter. Auch das könnte Fragen aufwerfen angesichts der zahlreichen AfD-Gegner vor dem Wohnhaus der Jordans.
Als kurz darauf ein junger Mann, mit erkennbar aggressiver Absicht, auf Petersen zustürmte, konnte der anwesende Polizist ihn mit Mühe aufhalten. Zuvor hatte eine Frau aus der Gruppe der Protestler, laut schreiend, auf Olga Petersen aufmerksam gemacht und ihr »Nazipropaganda« unterstellt, die sie nach den Bundestagswahlen auch in Berlin verbreiten wolle. Petersen ist in Hamburg allgemein bekannt und hat sich vor allem mit familien- und sozialpolitischen Themen beschäftigt.
Der offizielle Polizeibericht beginnt anscheinend erst mit dieser Lage. Die beiden Gruppen standen sich demnach gegenüber. Zeugen bestätigen, dass die linken Protestierenden – wie schon im August – lautstark Parolen in Richtung der Teilnehmer skandierten. Doch dann kam es auch zu einer tätlichen Auseinandersetzung. Dabei wurde Norbert Jordan am Kopf verletzt, ging zu Boden und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Dort wurde eine Gehirnerschütterung diagnostiziert.
Erst zu diesem Zeitpunkt forderten die anwesenden Polizisten weitere Kräfte an. Es kamen die besser ausgerüsteten Bereitschaftspolizisten. Laut Polizei mussten Zwangsmittel eingesetzt werden, um die beiden »rivalisierenden Gruppen« zu trennen. In diesem Zusammenhang gab es eine vorläufige Festnahme. Später versammelten sich laut Polizei etwa 75 AfD-Gegner am Ernst-August-Stieg, nachdem sie dort spontan eine Versammlung angemeldet hatten. Sie blieben dort bis etwa 18 Uhr, bis es zu regnen begann. Wieviele Beamte im Einsatz waren, wollte der Polizeisprecher TE gegenüber nicht sagen. Laut Teilnehmern der AfD-Veranstaltung waren am Ende 60 bis 70 Polizisten vor Ort.
Dass der Sprecher der Hamburger Polizei gegenüber TE von »rivalisierenden Gruppen« sprach, ist erstaunlich, da es eigentlich die Aufgabe des Staates gewesen wäre, die eine Gruppe vor der anderen zu schützen. Sonst wäre es vermutlich gar nicht zu der Verletzung von Norbert Jordan gekommen. Denn nur das hatte er versucht: seine Frau vor einem Angriff zu schützen. Jordan konnte das Krankenhaus noch am Abend verlassen. Danach entschieden die AfD-Politiker, die Veranstaltung trotzdem stattfinden zu lassen.
Olga Petersen erwartet nach eigener Aussage nicht, dass die linksradikalen Antifa-Gruppen mehr als eine halbstrenge Ermahnung von der Hamburger Polizei zu erwarten haben. Sie warnt davor, das Problem zu verharmlosen. Die Polizei müsse durchgreifen. Den Aggressoren müsse klar gemacht werden, dass ihr Verhalten rechtswidrig ist. Ansonsten sinke die Hemmschwelle noch weiter ab. Parteifreunde hatten Petersen nach dem Vorfall freigestellt, sich aus der Politik zurückzuziehen, sagt sie, um ihre Gesundheit und ihr Leben zu schützen. Das will Petersen nicht tun. Die Strategie der Einschüchterung werde bei ihr nicht funktionieren.
Vadim Derksen ist nicht mit dem Schrecken davon gekommen. Er zeigte sich am Dienstag »geschockt« und sprachlos: »Ich will mir nicht ausmalen, was hätte alles passieren können.« Auf seiner Instagram-Seite schrieb Derksen, dass er gegen den Schaden nicht versichert sei, ebenso die ebenfalls betroffene Nachbarin. Er schätzt den Schaden auf 10.000 Euro und bat im Freundeskreis um Spenden.