Tichys Einblick
Putin als „Friedensstifter“ in Minsk

Russland verleibt sich Weißrussland als Vasallenstaat ein

Wladimir Putin kommt seinem Traum von einer Wiedergeburt der Sowjetunion einen Schritt näher. Er stützt Lukaschenkos Regime und bringt damit Weißrussland weitgehend unter Russlands Herrschaft. Wird das Baltikum die nächste Beute?

Wladimir Putin (m.) mit Generalstabschef Gerasimow (l.) und Verteidigungsminister Schoigu bei gemeinsamen Manövern mit Weißrussland, 13. September 2021

IMAGO / ITAR-TASS

So sehr auch der an Spannung und Bedeutung gewonnene Bundestagswahlkampf in seiner Endphase die Gemüter beschäftigt, und die Debatte über die richtigen Maßnahmen zur Corona-Bekämpfung das Land verunsichert, bleibt doch der Blick auch auf das Geschehen rings herum unverzichtbar.

Besonderes Augenmerk verdient da die Entwicklung in Weißrussland. Stück für Stück kommt der russische Herrscher Putin der Erfüllung seines Lebenstraums ein bißchen näher: der Rückeroberung und Wiedererrichtung des sowjetischen Imperiums. Wozu er auf der Krim und in den östlichen Teilen der Ukraine noch militärische Sondereinheiten und pure Waffengewalt unter Bruch des Völkerrechts benötigte, vollzieht sich in Minsk durch die vorbehaltlose Unterstützung der Herrschaft des Diktators Lukaschenko über Land und Volk. Stillschweigend durch die Hintertür wird die bjelorussische Republik in die russische Förderation eingegliedert. Lukaschenko bleibt, wenn er an der Macht bleiben will, nichts anderes übrig, als endgültig zum Vasallen des Kreml zu werden.

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Das weitere Schicksal seines Landes hat sich in dieser Woche bei seiner Einbestellung nach Moskau entschieden. Drei Faktoren stehen dafür: erstens die Übernahme des russischen Steuersystems für Weißrussland. In der Konsequenz ist das nichts anderes als die ökonomische Unterwerfung Weißrusslands unter Moskaus Kontrolle und Dirigismus. Zweitens werden nicht unweit der Grenze zu Polen umfassende Vorkehrungen für die Stationierung russischer Truppen getroffen. Offiziell heißt es dazu in Moskau und Minsk, die neu geschaffene Infrastruktur diene lediglich dem Zweck, bei der Verlagerung russischer Divisionen zu Manöverzwecken Stationierungsmöglichkeiten zu schaffen. Ganz davon abgesehen, dass der enorme Kostenaufwand für dieses Vorhaben in keinem Verhältnis zu dieser Begründung steht, spricht die gleichzeitige Verlagerung und Stationierung von 200 hochmodernen russischen Flugabwehrraketen an diesen Ort eine eigene und klare Sprache. Dadurch ändert sich zwangsläufig das Kräfteverhältnis an der Grenze zum Nato-Partner Polen, was schon jetzt den Nato-Stäben in Brüssel Sorgen bereitet. Das dritte untrügliche Zeichen ist das Bekenntnis zum „ewigen Zusammenhalt und unverbrüchlicher Waffenbrüderschaft“, für die das Versprechen Putins, im Falle des Falles, Lukaschenko auch mit militärischer Gewalt an der Macht zu halten, steht. 

Eine Rolle für Moskaus Vorgehen dürften auch die unmittelbar bevorstehenden Parlamentswahlen in Russland selbst sein. Im Vorfeld erlebt Putins Reich eine, bisher unter ihm, in ihrem Ausmaß noch nicht gekannte Verhaftungs- und Verfolgungswelle gegen jegliche Art von Opposition. Die Unruhen unter der Bevölkerung Weißrusslands nach manipulierten Wahlen haben auch im Kreml für Ängste gesorgt. Die vorbehaltlose Unterstützung des Tyrannen in Minsk soll zugleich ein Warnsignal zur Einschüchterung nach innen sein.

Die größte Besorgnis aber lösen die aktuellen Vorgänge in den baltischen Republiken und Polen aus. Nur zu gut haben die Menschen in den über Jahrzehnte von der Sowjetunion unterdrückten, noch jungen Demokratien Lettland, Litauen und Estland die Worte Wladimir Putins im Ohr, dass überall wo russische Menschen leben, diese auf den Schutz und den Beistand von Mütterchen Russland rechnen können. Innere Unruhen durch Minderheiten auszulösen, gehört zu den Spezialitäten der russischen Nachrichtendienste. Die Zweifel, dass im Falle einer „brüderlichen Hilfe“ Moskaus auf dem Territorium der baltischen Nato-Partner ein militärischer Konflikt mit den USA ausgelöst werden könnte, sind in diesen Ländern berechtigterweise groß.

Allein die Haltung Berlins dürfte dagegen stehen. Zum Verständnis: Die Fertigstellung der Gasleitung Nordstream 2 wurde von Gazprom am Freitag stolz verkündet.

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