Es ist ein Sensationsurteil des Europäischen Gerichtshofes und zugleich eine deftige Klatsche für die »Energiewende«. Wie im TE-Wecker gemeldet wurde, hatte die EU-Kommission gegen die Bundesrepublik geklagt und in vollem Umfang Recht bekommen. Demnach wurden in Deutschland Vorgaben der EU-Elektrizitätsrichtlinie und der EU-Erdgasrichtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt. Nach denen dürfen Netzgebühren nicht mit Verordnungen festgelegt werden. Denn vor allem Lobbygruppen der Energiewende könnten somit durch Druck beim Bundeswirtschaftsministerium die Preise für Strom und Gas hochtreiben. Zu viel sei zudem durch Verordnungen der Bundesregierung geregelt.
Noch lassen sich die Auswirkungen des EuGH Spruches nicht vollständig überblicken. Doch für die Bundesregierung und ihre Energiewende ist dieses Urteil ein herber Rückschlag: Deutschland muss sein Energierecht weitgehend ändern und der Regulierungsbehörde mehr Eigenständigkeit einräumen.
Kein Wunder, dass die Profiteure der Energiewende lauthals Kritik gegen dieses Urteil Front machen: Jetzt sei es nicht mehr möglich, Investitionsanreize für die Energiewende zu schaffen, heißt es.
Im Klartext: Steuergelder und EEG-Gelder dürften für Windräder und Photovoltaikanlagen nicht mehr so reichlich fließen. »Investitionsanreize« meint jene Milliardenbeträge, die in unzuverlässige und teure Windräder, immer größere Photovoltaikanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen und Biogasanlagen gepumpt werden.
Versäumt wurde, gleichzeitig eine Lieferpflicht für »Erneuerbare« einzuführen und für so etwas Essentielles wie eine sichere Stromversorgung geradezustehen. Doch unter solchen Vorgaben würde niemand in »Erneuerbare« investieren. Dann müsste er den Strom bei Flaute irgendwoher beziehen, um seinen Lieferpflichten nachzukommen.
Windstrom ist nicht wirtschaftlich. Erst durch dirigistische Staatseingriffe mit reichlichen Subventionen lohnt es sich für die Betreiber, diese Anlagen in die Landschaft zu stellen. Dort stehen sie oft still, weil kein oder zu wenig Wind weht. Erreicht eine solche Anlage im Binnenland einmal 2000 Vollaststunden im Jahr, ist das viel. Der Durchschnitt liegt bei 1800 von 8760 Stunden des Jahres.
Die Bundesnetzagentur entscheidet, welche Kraftwerke am Netz bleiben müssen, um zu garantieren, dass ausreichend Strom produziert wird. »Systemrelevant« heißt das dann. Dafür startet sie »Ausschreibungsrunden«: Wer will stillegen? Dafür gibt es dann »Stillegungsprämien«.
Mit Wortungetümen aus der Bundesnetzagentur wie »Kraftwerksabschaltleistungen«, die in »Ausschreibungsrunden bezuschlagt« worden seien, wird letztlich nur verschleiert, dass eine der wichtigsten Grundlagen für Unternehmen und Endverbraucher des Landes zerstört wird, nämlich deren Energieversorgung.
Denn will ein Betreiber sein Kohlekraftwerk abschalten, weil es sich partout nicht mehr rechnet, stellt er einen Antrag. Die Bundesnetzagentur genehmigt dann die Stilllegung oder auch nicht. Im zweiten Fall verdonnert sie den Betreiber dazu, das Kraftwerk als Reserve zu halten, weil sonst das Netz zusammenbricht. Die horrenden Kosten für meist unproduktiven Stillstand zahlt am Ende der Stromkunde. Er ist der Dumme.
Nur mit viel Mühe konnten die Fachleute in der Bundesnetzagentur bisher dafür sorgen, dass nicht auf alle Kraftwerke der Zugriff erlaubt wurde. Immerhin ist sie dafür verantwortlich, dass Strom zur Verfügung steht. Das fällt immer schwerer, angesichts der vielen Beinahe-Katastrophen im Stromnetz ahnt man das Schwitzen der Fachleute.
Noch lässt sich nicht sagen, welche Auswirkungen dieses Urteil auf die Strompreise hat. Die sind weltweit am höchsten – auch ein deutscher Rekord. Auf der anderen Seite weisen Energierechtsexperten darauf hin, was höchstrichterliche Urteile noch bedeuten, wenn die entscheidenden Stellen im Staat mit politischen Handlangern besetzt sind.
Vor einer zu großen Superbehörde und einem Bruch der Gewaltenteilung wurde bereits gewarnt, wenn nicht mehr Berlin die Finger auf der Bundesnetzagentur haben soll. Eine Behörde jedoch kann nicht frei von rechtlichen Vorgaben und Weisungen in einem rechtsfreien Raum funktionieren. Je weisungsfreier Behörden agieren, so ein Jurist gegenüber TE, desto mehr muss ihr Handeln gesetzlich »eingehegt« sein.
Wenn die Bundesnetzagentur künftig nicht mehr unter Berliner Maßregeln agiert, dann greifen eben Brüsseler Vorgaben für eine an EU-Recht gebundene Agentur. Und die heißen nicht selten »mehr Markt«.
Allerdings reichen die wenigen generalklauselartigen Regelungen in den EU-Richtlinien zum Netzzugang und zu den Netzentgelten bisher bei weitem nicht aus.
So ungelegen dürfte der Spruch vielen nicht kommen, die das drohende Desaster kommen sehen. In Berlin pfeifen es die Spatzen längst von den Dächern, dass die Energiewende gescheitert ist. Aber kaum jemand wagt, dies öffentlich auszusprechen. Auch Armin Laschet hat nicht den Mut, selbst unter höchster Not in seinem »Wahlkämpfle« ein kleines Fragezeichen hinter »Energiewende« zu setzen.
Dem scheidenden Bundeswirtschaftsminister Altmaier sind die desaströsen Folgen vermutlich sehr wohl bewusst: Er hat zwar häufig kräftige Schritte nach vorn angekündigt, sich nicht aber nicht sonderlich mit der Umsetzung beeilt. Das hat ihm wiederum heftige Kritik eingebracht.
Eine besondere Auseinandersetzung könnte um eine neue Rolle der Kernkraftwerke entstehen. In Deutschland sind Kernkraftwerke derzeit politisch nicht durchsetzbar. Anders sieht das die EU.
Ein nächster Schritt könnte sein, dass die EU durchsetzt, dass deutsche Kunden preiswerten Atomstrom zum Beispiel aus Frankreich kaufen könnten. Erst das wäre europäischer Markt auch auf dem Stromsektor. Das wäre dann mehr Markt in einem Bereich, in dem Markt nur vorgegaukelt wird – flankiert von fürchterlichen Sprechblasen wie »Markthochlauf« der Solarenergie, flexibilisiertes Energieversorgungssystem bis hin zur »Vorreiterrolle« Deutschlands.