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Taliban wollen afghanische Straftäter zurücknehmen

Die Nachricht hat in der heißen Phase des Wahlkampfs heftige Reaktionen im politischen Berlin ausgelöst.

IMAGO / Kyodo News

Kabul/Berlin(ATN). Die neue Taliban-Regierung in Afghanistan will straffällig gewordene und nicht asylberechtigte Afghanen, die aus Europa abgeschoben werden sollen, zurücknehmen. Das hat Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid in einem Interview mit der österreichischen „Kronen-Zeitung“ angekündigt. Er könne den Regierungen vor allem in Deutschland und Österreich versichern, dass die Abschüblinge einem unabhängigen Gerichts-Verfahren nach geltendem Recht unterzogen würden: „Sie würden einem Gericht vorgestellt werden. Das Gericht muss entscheiden, wie es mit Ihnen weitergeht“. Die Taliban hatten nach der Übernahme der Hauptstadt Kabul am 19.August das „Islamische Emirat Afghanistan“ ausgerufen, in dem das Scharia-Recht gelte.

Die Nachricht hat in der heißen Phase des Wahlkampfs heftige Reaktionen im politischen Berlin ausgelöst. Ein Sprecher von Innenminister Seehofer(CSU) erklärte, der Anfang August in München in letzter Minute abgesagte Abschiebeflug von sechs afghanischen Straftätern solle nun – wie damals schon angekündigt „zeitnah nachgeholt werden“. Die Bundesregierung habe sich bis zuletzt in Kabul dafür eingesetzt, dass Abschiebungen grundsätzlich weiterhin möglich sein sollen, wenn die Sicherheitslage im Land es zulässt. Nach dem Abzug der letzten US-Soldaten sei der Krieg vorbei. „Außenminister Maas muss jetzt zeigen, dass es bei der angekündigten Lösung ganz praktischer Probleme bei den Gesprächen mit den Taliban auch um die Frage der Abschiebungen von afghanischen Straftätern aus Deutschland geht.“

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 „Es führt überhaupt kein Weg vorbei an Gesprächen mit den Taliban“, hatte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) zum Abschluss einer der Afghanistan-Krise gewidmeten viertägigen Reise durch fünf Staaten erklärt. Dabei müsse den Taliban deutlich gemacht werden, „dass sie nicht an ihren Worten, sondern dass sie an ihren Taten gemessen werden“, forderte Maas. Dazu gehöre ein sicherer Weiterbetrieb des Flughafens Kabul. „Dazu gehören aber auch Garantien, dass aus Deutschland abgeschobene Afghanen sicher davor sein müssen, nicht einem Mob von unzufriedenen, zurückgelassenen, ehemaligen Ortskräften der Deutschen in die Hände zu fallen.“

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat nach der Ankündigung der Taliban keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Abschiebung von Straftätern und abgelehnten Asylbewerbern nach Afghanistan. Allerdings müssten bestimmte Bedingungen erfüllt sein: „Schon bei den Strafanzeigen bzw. in den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen hierzulande müsste als Gerichtsstand neben dem Ort der Tat auch der Herkunftsort der Täter:in in Afghanistan, z.B. Kabul vereinbart werden.“ Dann werde gewissermaßen das „Hausrecht“ der Taliban angewendet. Es mache nach deutschem Verfassungsrecht einen Unterschied, ob der Staat soetwas vorgibt oder eine Vereinbarung im Rahmen der Vertragsfreiheit greife. Das sei bei der Anwendung der 2G-Regelung während der Corona-Pandemie in Hamburg vergleichbar.

Die AfD lehnt eine Abschiebung von afghanischen Straftätern nach Afghanistan ab. „Angesichts des geringen Stellenwerts von Frauen in muslimischen Gesellschaften und im Scharia-Recht befürchten wir vor allem bei Ehrenmorden oder Vergewaltigungen, dass die männlichen Täter in Afghanistan einen „kulturell-religiösen Rabatt“ bekommen“, so ein Sprecher des rechten AfD-Flügels in Erfurt. Da müsse die volle Härte deutscher Gesetze zur Anwendung kommen, „auch wenn uns der Strafvollzug viel kostet“. Es gibt aber auch andere Stimmen in der AfD, die sich wegen der drastischen Strafen nach Scharia-Recht z.B. bei Eigentumsdelikten (Abhacken von rechter Hand und/oder linkem Fuß) eine Abschiebung von Dieben vorstellen können.


Claudia Pritt

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