Die mit Intelligenz nur mäßig bestückten BRD-Friedensdemoaktivisten der Moskau-gesteuerten Anti-NATO-Aktionen der 80er meinten, mit dem Spruch „Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“ den Weltfrieden herbeizaubern zu können. Ob seiner Albernheit irgendwann in der Mottenkiste der untauglichen Propagandaversuche verschwunden, erlebt die Losung der allgegenwärtigen Naivität gegenwärtig auf höchster Ebene eine Art Wiedergeburt.
„Stell Dir vor, es ist Krieg und alle tauchen ab“ scheint das aktuelle Motto der Bundesregierung im Umgang mit dem selbstverschuldeten Afghanistan-Desaster zu sein. Was die Verantwortlichen derzeit präsentieren, lässt sich am besten mit dem Begriff „Verantwortungs-Ping-Pong“ beschreiben: Alle sind dabei, aber keiner will den Ball. Schuld ist immer der andere … oder die Umstände … oder am besten keiner.
Schauen wir deshalb einmal etwas genauer hin. Stellen wir fest, bei wem welche Verantwortlichkeit gelegen hat und auf wen ein Untersuchungsausschuss, nach dem nun aktionistisch gerufen und der nach der Wahl ohnehin vergessen sein wird, hätte blicken müssen.
Hauptverantwortlich: Das Auswärtige Amt
Grundsätzlich liegt die Zuständigkeit für deutsche Staatsbürger im Ausland laut Gesetz über den Auswärtigen Dienst (GAD) von 1990 beim Auswärtigen Amt. Mit Ausnahme jener Soldaten, die im Auftrag des Bundestags am Hindukusch stationiert waren und unmittelbar dem Bundesministerium der Verteidigung unterstehen, war und ist insofern für alle deutschen Staatsbürger, gleich ob sie dort für eine NGO oder beispielsweise als Journalisten tätig waren, die deutsche Botschaft zuständig.
Soweit nun seitens des Auswärtigen Amtes eine Evakuierung deutscher Staatsbürger als notwendig erkannt worden wäre, hätte folglich das Außenamt den Hut aufhaben und alles Notwendige einleiten müssen. Falls dabei auf Grundlage dortiger Erkenntnisse ein Einsatz der Bundeswehr als unvermeidbar angenommen worden wäre, hätte ein entsprechendes Amtshilfeersuchen vom Außenminister an den zuständigen Kabinettskollegen gehen müssen. Ohne ein solches und ohne entsprechende Absegnung durch den Bundestag hätte die Bundeswehr bei der Evakuierung nicht zum Einsatz kommen können – und aus Selbstermächtigung ohnehin nicht.
Zutreffend ist diese Beurteilung auch, weil es zu den Aufgaben des AA gehört, die Bundesregierung ständig durch Lagebeurteilungen über die Vorgänge in der Welt zu informieren. Soweit solche Berichte betreff Afghanistan überhaupt das Haus verlassen haben sollten, stand dort jedoch nichts davon, dass die umgehende Machtübernahme durch die Taliban zu erwarten wäre. Weshalb der verantwortliche Minister mit seiner Unwissenheit auch die Unfähigkeit seines eigenen Hauses bewiesen hat, denn wie heißt es so schön im Norden? Der Fisch fängt am Kopf an zu stinken. Der Rücktritt des Unfähigsten der Unfähigen ist insofern mehr als überfällig.
Gleich als Handgepäck mitnehmen könnte er seinen Parlamentarischen Staatsekretär Niels Annen – neuerlich zwecks Prestige-Erhöhung der Bedeutungslosen als „Staatsminister“ ausgewiesen. Der erklärte Iran-Freund, der außer Parteikarriere nie in irgendwelche realen Wirklichkeiten hat Einblick nehmen können, soll im Auswärtigen Amt für „allgemeine außenpolitische Fragen“ zuständig sein. Gut, jeder weiß: Hier handelt es sich um einen SPD-Versorgungsfall, der mit Steuermitteln geheilt werden musste – dennoch gehört Afghanistan notwendig zu solchen allgemeinen Außenpolitikfragen. Vielleicht aber tun wir Annen auch Unrecht. In seinem Lebenslauf auf der Offiziellen Website des Auswärtigen Amtes wird er nur als Staatminister ohne irgendwelche Zuständigkeiten ausgewiesen. Wenn er demnach ohnehin für nichts zuständig ist, kann er auch für nichts Verantwortung tragen. Glück gehabt. Obwohl ihn kaum jemand vermissen dürfte, verfügt doch das AA neben Annen noch über weitere SPD-Abgeordnete, die sich mit dem Titel Staatsminister schmücken dürfen – und zwei echte, beamtete Staatssekretäre, die vermutlich die Arbeit der Pseudominister leisten, gibt es auch noch.
Die Funktion der Bundeswehr
Schauen wir nun auf das Verteidigungsministerium. Zugegeben, auch Annegret Kramp-Karrenbauer zeichnet sich nicht durch besondere Fähigkeiten aus. Sie durfte ihren fehlbesetzten Ministerjob behalten, nachdem die gefühlte Ziehmutter Merkel sie erfolgreich aus dem Amt der CDU-Interimsvorsitzenden verdrängt hatte. Eine kleine Abfindung dafür, dass sie „Angela“ irrtümlich als Freundin gedacht hatte und den gemütlichen Posten als Ministerpräsident des Saarlandes an den Nagel hängte, um ins Haifischbecken Berlin zu springen. Mit der Minister-Neubesetzung nach den Wahlen im September ist es damit ohnehin vorbei. Egal, wer die Regierung stellt.
Für Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit hätten zwecks Mitflug ein entsprechender Auftrag des Bundestags und entsprechende Genehmigungen vorliegen müssen. So, wie es in der hektisch eingeleiteten Blitzaktion dann erfolgt ist oder zumindest versucht wurde. Ansonsten gilt für die Einreise Visumspflicht. Diese wiederum waren in der Botschaft zu beantragen und zu erwirken, was nach der Schließung in Kabul nicht mehr möglich war. Die Verantwortung liegt folglich auch hinsichtlich der Ausreise der Ortskräfte beim Bundesminister des Auswärtigen.
Asyl greift erst nach Betreten der Bundesrepublik
Nun ist allerdings hinsichtlich der sogenannten Ortskräfte zusätzlich die Frage zu klären, ob anstelle des klassischen Visums, welches einen zeitlich begrenzten Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet, nach der Machtübernahme durch die Taliban ohnehin für jeden afghanischen Bürger das Asylrecht greift. Es ist davon auszugehen, dass gegenwärtig jeder Afghane, der bundesdeutschen Boden betritt, das Zauberwort ausspricht auch dann, wenn für ihn persönlich keine unmittelbare Bedrohung durch die Taliban besteht. Dieses Fehlen einer Bedrohung in einem Asylverfahren zu beweisen und den Menschen in seine Heimat zu schicken, dürfte jedoch in der aktuellen Situation so gut wie unmöglich sein. Bedeutet: Wer als Afghane nach Deutschland kommt, erwirbt faktisch unbegrenzten Aufenthaltsstatus.
Theoretisch wäre das auch heute noch möglich, denn vor allem für junge Männer mit krimineller Neigung besteht unter den Taliban keine unmittelbare Gefahr an Leib und Leben. Jedoch wird die Einwanderungslobby alles daransetzen, selbst Schwerkriminelle im Land zu halten – und Seehofer wird mitspielen, um nicht im linksradikalen Mainstream geschlachtet zu werden. Das allerdings hat mit dem Afghanistan-Desaster nur mittelbar etwas zu tun. Insofern ist der Bayer aus dem Verantwortungs-Ping-Pong erst einmal raus und kann gelassen dem nahen Ende seiner Ministerkarriere entgegensehen.
Die Suche nach einem Sündenbock
Schauen wir nun auf die mehr oder weniger geheimen Dienste, denen die Garde der Politversager gern die Schuld anlasten möchte. Tatsächlich ist es so, dass von dort kaum entsprechende Hinweise kamen. Konnten aber auch nicht, denn die Politik hat dem zuständigen Dienst mit idiotischer Gesetzgebung gleichsam die Hände gebunden, die Augen verdunkelt und die Ohren verkleistert.
Das dort ohne Zweifel festzustellende Versagen liegt daher nicht in der Behörde, sondern in der Politik. Verantwortlich dafür, dass das Parlament dem Dienst die Möglichkeiten einer erfolgreichen Aufklärung nehmen konnte, ist das für den BND zuständige Kanzleramt – und damit Merkel persönlich. Da nun aber ein Bundeskanzler offenbar ohnehin vor Arbeit und Verantwortung nicht mehr schlafen kann, ist der Bundesnachrichtendienst dem Chef des Bundeskanzleramts unterstellt.
Und da die Sache mit den Geheimdiensten im Bundeskanzleramt offensichtlich nicht als dringend betrachtet wurde, ist die Position unbesetzt. Was irgendwie auch nachvollziehbar ist, denn da ein BND, der nach dem Willen der Politik ohnehin nichts mehr tun kann, letztlich überflüssig ist, muss dieser auch nicht koordiniert werden.
Dennoch bleibt da jener Staatssekretär, der die Dienste zwar nicht koordinieren soll, aber für diese beauftragt ist – was immer das auch heißen mag, denn es klingt eher nach Kummerkastentante denn nach konkreter Aufgabe. Diese Aufgabe des Unkonkreten liegt derzeit bei Johannes Geismann, ebenfalls CDU. Geismann, der einst als Kämmerer der Stadt Düren mit Derivatgeschäften zu einem Schaden in Höhe von 750.000 Euro beitrug, qualifizierte sich für den Beauftragten-Job als Leitender Beamter im Bundeskanzleramt und Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.
Nun mag zwar die Frage im Raum stehen, was konkret ihn für die Geheimdienste empfehlen ließ, doch in der Aufgabe des Unkonkreten mag eine solche Konkretisierung für unnötig erachtet worden sein. Festzuhalten bleibt, dass auch er offensichtlich keinerlei hilfreiche Tätigkeit weder im Vorlauf noch im Ablauf des Afghanistan-Desasters beigetragen hat. Womit nun dieser hübsche Beauftragten-Titel nichts anderes ist als ein Prestige-Bonbon für ansonsten vermutlich an Minderwertigkeitskomplexen leidenden Exekutivvertretern. Ansonsten gilt auch hier die Sache mit dem Fisch – und der Kopf heißt Merkel. Da sich die SPD an diese lame duck nicht herantraut, unternimmt sie nun mit Angriffen gegen Braun den Versuch, vom Hauptverantwortlichen abzulenken. Dabei ist Braun wie Maas eines gemeinsam: Ihr Totalversagen in Sachen Afghanistan und somit ihre Unfähigkeit im Amt.
Dann sind da noch die Beauftragten
War es das nun mit der Liste der Verantwortlichen? Nein, mitnichten. Denn es ist nicht so, als hätte nur das Bundeskanzleramt einen Beauftragten. Insgesamt verfügt die Bundesregierung sogar über 40 solcher Beauftragten der Bundesregierung – und davon haben zehn irgendwie auch etwas mit Afghanistan zu tun.
Da diese Beauftragten im Allgemeinen unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung laufen, soll zumindest den neben besagtem Geismann acht nun die notwendige Ehre ihrer Nennung zukommen:
Dann haben wir Bernd-Bernhard Fabricius, CSU. Der gebürtige Rumäne ist als Beauftragter für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten angesichts des zu erwartenden Massenexodus aus Talibanland hinsichtlich der nationalen Minderheit der Afghanen zumindest künftig gefragt. Er ist angesiedelt beim Innenministerium und somit Seehofer unterstellt. Wie sein Chef hat er jedoch mit dem Afghanistan-Versagen unmittelbar nichts zu tun.
Im Außenamt des Heiko Maas sind gleich drei Beauftragte, die mehr oder weniger mit den Vorgängen in Afghanistan befasst sind: Bärbel Kofler (SPD) ist zuständig für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe; Johann Saathoff (SPD) dient als Koordinator für die gesellschaftspolitische Zusammenarbeit mit Russland und die Ländern der östlichen Partnerschaft und Zentralasiens; Markus Potzel, einst Persönlicher Referent des späteren Bundespräsidenten Steinmeier (SPD), war bis August 2016 deutscher Botschafter in Kabul und ist seitdem Sonderbeauftragter für Afghanistan und Pakistan. Aus der Riege der AA-Beauftragten mit Zentralasienbezug ist er der einzige, von dem im Desaster etwas zu hören war: Maas schickte ihn als Bittsteller zu den Taliban nach Katar, um dort über das Lösegeld für die Freigabe der noch im Chaosland vorhandenen Deutschen nebst Ortskräften zu verhandeln.
Im Wirtschaftsministerium ist Ulrich Nußbaum (SPD-nah) als Koordinator der Bundesregierung für strategische Auslandsprojekte im Interesse der Bundesrepublik Deutschland gefragt. Wenn strategische Auslandsprojekte in der jüngeren Vergangenheit irgendwo Sinn gemacht hätten, dann in Afghanistan – auch wenn das nun alles für die Katz gewesen sein sollte.
Beim Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz ist Sigrid Jacoby als Ministerialdirigent und Doppelung der Bärbel Kofler als Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtsfragen sowie Verfahrensbevollmächtigte vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte tätig.
Abgesehen von Verhandler Potzel ist von diesen Herrschaften in Sachen Afghanistan nichts zu hören.
Nur einer wusste über Afghanistan bescheid
Wer mitgezählt hat, dem wird aufgefallen sein, dass hier bislang nur acht und nicht neun Beauftragte genannt wurden. Das geschah aus einem guten Grunde, denn es gibt wider Erwarten einen Beauftragten, der sich im Gegensatz zu seinen Kollegen tatsächlich mit Afghanistan beschäftigt hat, wenngleich er sich aktuell ebenfalls weg duckt. Sein Name ist Markus Grübel und er ist Abgeordneter der CDU. Als Beauftragter der Bundesregierung ist er zuständig für „weltweite Religionsfreiheit“ (ja, auch so etwas muss in unserer Regierung mit Beauftragung angegangen werden) .
In dieser beim Bundesministerium für Zusammenarbeit angesiedelten, bedeutsamen Funktion hat Grübel ein Memorandum veröffentlicht, in welchem manch Spannendes zu Afghanistan zu lesen ist.
Apostasie (Abfall von der durch Geburt aufgezwungenen Religion) und Blasphemie (Kritik an der Vorstellung der Existenz einer fiktiven Alienfigur) stünden zwar nicht offiziell unter Strafe, würden aber im Scharia-Recht nach wie vor verhängt. Allerdings sei es auf internationalen Druck gelungen, das bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Berichts letztverhängte, entsprechende Todesurteil im Jahr 2007/2008 erst zu 25 Jahren Freiheitsstrafe wandeln und letztlich aufheben zu lassen.
In Afghanistan würden Nicht-Muslime sozial diskriminiert. Das Christentum werde als westliche Religion abgelehnt, persische Bahai gelten als Blasphemiker und werden öffentlich verfolgt. Die angeblich so gepriesene Pressefreiheit verbietet Veröffentlichungen mit Islam-kritischen Inhalten ebenso wie positive Berichte über andere Religionen. Wer über die islamische Nichtbeachtung von Frauenrechten berichte, sei von der Blasphemie-Anklage bedroht – entsprechende Verurteilungen gab es noch 2009. In den Schulen würden nur Inhalte zugelassen, die islamische Inhalte verbreiten.
Die Reihe setzt sich fort – und nein: Dieser Bericht des Beauftragten Grübel beschreibt nicht ein Afghanistan der Taliban, sondern jenes angeblich so westliche, liberale und mit Millionenbeträgen und alliiertem Soldatenblut finanzierte Afghanistan, das nun nach dem Abzug der NATO sang- und klanglos untergegangen ist. Einen Vorteil allerdings hat dieser Text: Er wird auch nach der Machtübernahme durch die Taliban nur geringfügig umgeschrieben werden müssen.
Der Außenminister wusste von nichts
Lag nun allen offiziellen Vernebelungsaktionen über den unermesslichen Menschenrechtsfortschritt in Afghanistan zum Trotz längst ein schonungsloser Bericht über die tatsächliche Situation im Kriegsgebiet vor, so wird das Lippenbekenntnis des Bundesaußenministerdarstellers umso absurder, als er anlässlich des Falls von Kabul die Öffentlichkeit wissen ließ, dass es für ein islamisches Emirat keinen Cent Hilfe mehr geben werde. Ganz abgesehen davon, dass sich diese Aussage schon tags darauf mit der faktischen Geiselnahme vor allem der sogenannten Ortskräfte durch die Taliban in Rauch auflöste und die Bundesregierung zwischenzeitlich 600 Millionen Euro zugesagt hat, erweckt dieser Außenminister den Eindruck, dass das Saarland das moderne Tal der Ahnungslosen ist.
Vor allem diese NGO, die doch angeblich unmittelbar im Volk aktiv waren, hätten wissen müssen, was auf den Abzug der NATO-Truppen folgen wird. Statt sich rechtzeitig um ihre Ortskräfte zu kümmern, rufen sie nach dem Staat, als das Kind im Brunnen liegt. Hier sollte das Zusammenarbeitsministerium künftig ein wenig genauer hinschauen lassen, wen es mit deutschem Geld als NGO in Krisengebieten einsetzen lässt. Geschehen wird allerdings das nicht. Stattdessen wird es im Verantwortungs-Ping-Pong auch weiterhin von Runde zu Runde gehen.