Nachdem sich wiedermal ein zuständiger Minister die Prügel der Öffentlichkeit für den Dilettantismus der Regierung, für den Club Merkel, abgeholt hat, erscheint nun diejenige mit staatsfraulicher Attitüde, die letztlich die Verantwortung für das deutsche Desaster am Hindukusch trägt. Es ist ihr nicht anzumerken, dass ihr das bewusst ist. Merkel folgte nur ihrer üblichen Taktik.
Auch der von den deutschen Medien schon in den Rang eines Heiligen erhobene Joe Biden ließ sich erst am Montag ins Weiße Haus fliegen, um Stellung zu nehmen zu seiner überaus erfolgreichen Politik, zu seinem politischen Meisterstück. Das Wochenende hatte er jedenfalls nicht dort, sondern – vermutlich behaglich – in Camp David verbracht hat. Man hatte schon geglaubt, dass es nach Barack Obama mit dem außenpolitischen Dilettantismus nicht mehr tiefer hinab gehen könnte – Joe Biden belehrt die Welt nun eines besseren.
Trotz des überstützten, unwürdigen Abzugs, der die Amerikaner an die herbe Demütigung von Saigon 1975 erinnert, sonnt er sich glamourös in einer Situation, in der er seiner Meinung nach hervorragend agiert habe. Soviel zum Wirklichkeitssinn dieses Präsidenten.
Biden meint, richtig gehandelt zu haben. Schuld an dem Desaster sind die Afghanen selbst, die einfach nicht kämpfen wollten. Das mag zutreffen, nur kann Joe Biden, wenn er denn wirklich Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist, nicht so tun, als sei er von dieser Tatsache überrascht. Die Regierung in Kabul war schließlich von den Amerikanern installiert worden. Es waren amerikanische Militärs, die die Soldaten und Offiziere der afghanischen Armee ausgebildet haben. Kaum vorstellbar, dass die Amerikaner tatsächlich nicht ahnten, wie gering die Kampfbereitschaft der afghanischen Armee war.
Biden kann nicht behaupten, dass die CIA nicht in Afghanistan tätig war. Afghanistan war also kein Blindflug für den Präsidenten. Und da Biden weiß, dass die Schuldzuweisung an die Afghanen zu dreist ist, um wirklich geglaubt zu werden, denn die Schuldzuweisung unterschlägt die fundamentale Tatsache, dass Afghanistan letztlich kein souveräner Staat war, werden seine Vorgänger in Mithaftung genommen – alle sind schuld an dem Desaster, nur Joe Biden, der Liebling der deutschen Medien, nicht. Wenn Biden sagt: „Ich werde nicht die Fehler wiederholen, die wir in der Vergangenheit gemacht haben“, dann schiebt er die Schuld an dem von ihm, und nur von ihm verursachten Desaster seinen Vorgängern Bush, Obama und Trump in die Schuhe. Geradezu erschreckend schizophren ist es, wenn er Donald Trump einen besonderen Teil der Schuld zuschiebt, weil der ein Abkommen mit den Taliban verhandelt habe, dass der arme Joe nun geerbt habe. Er widerspricht sich selbst, ohne es zu merken.
Übrigens erliegen die Regierenden in Europa einer vergleichbaren Arroganz in einer etwas anderen Weise, die sich ebenfalls einbilden, „nation building“ betreiben zu können: nur dass ihre künstlich gebaute Nation die Vereinigten Staaten von Europa, wie sie von den Grünen angestrebt werden, heißt. Es bleibt ein aussichtsloses Unternehmen, das viel Leid verursacht und viel Geld und mitunter auch Blut kostet, historische gewachsene Strukturen und Mentalitäten am grünen Tisch – also nach künstlichen Vorstellungen und Utopien – verändern zu wollen.
Die Wahrheit ist, dass Donald Trump das Desaster der amerikanischen Afghanistan-Politik erkannt und eine vernünftige Lösung gesucht hat. Diese Lösung hat Joe Biden durch Voluntarismus, Hektik, wenn nicht sogar Panik verspielt. Es stellt geradezu ein Pfeifen im Wald dar, wenn Biden droht, falls Amerikaner getötet werden: „Wir werden unsere Leute mit vernichtender Gewalt verteidigen, falls nötig.“ Mit den Black Hawks, die er gerade verloren hat?
Joe Biden hält die ständige Anwesenheit von Militär in einem Land ohnehin für überflüssig, weil er sich der Illusion hingibt, er könne islamistische Terrorgruppen wie Al-Kaida auch ohne Militärpräsenz, also in einem Drohnenkrieg vernichten. Wie sehr die USA das können, haben sie in der Auseinandersetzung mit den Taliban bewiesen, die noch dazu von Pakistan aus operieren.
Aber auch die deutsche Regierung hat ihren Teil zum Desaster beigetragen. Auch Angela Merkel setzt sich in ihrer Stellungnahme vom Afghanistan-Debakel ab, tut so in ihrer Antwort auf die Frage, wie sie zum dem Satz stünde, dass die deutsche Freiheit am Hindukusch verteidigt werden müsse, als sei das eigentlich eine Angelegenheit der Regierung Schröder gewesen. Volle 16 Jahre lang musste die Kanzlerin diese Erbschaft der Regierung weitertragen. Hatte das Kanzleramt diese Frage einer Journalistin nicht initiiert, so kam die Frage jedenfalls der Kanzlerin in der ihr eigenen Schuldabwehr sehr gelegen. Scheinselbstkritisch äußerte sie, dass der Afghanistan-Einsatz „nicht so geglückt“ sei, „wie wir uns das vorgenommen haben“ – und verharmlost ein weiteres Desaster und eine weiteres schweres Erbe ihrer katastrophalen Kanzlerschaft, denn das Erstarken der Taliban und des Islamismus werden wir noch deutlich zu spüren bekommen in einen Land, dessen Sicherheitsarchitektur in ihrer Kanzlerschaft geschleift wurde. Die Bundeswehr kann sich nicht einmal mehr selbst verteidigen, geschweige denn das Land, und die Polizei wird „gesäubert“ und instrumentalisiert gegen den politischen Gegner, wie man im rotrotgrünen Berlin beobachten kann.
Merkel zieht aus dem Afghanistan-Einsatz die Lehre, so verkündet sie, künftig die „Ziele auch kleiner“ zu fassen. Damit ist diese Bundeskanzlerin ganz bei sich selbst angekommen, denn ihr Ziel bestand ohnehin nicht darin, den islamistischen Terror zu bekämpfen, was ihre Reaktionen oder Nichtreaktionen auf islamoterroristische Anschläge wie auf dem Breitscheidplatz und jüngst in Würzburg belegen. Große Ziele hegt diese Kanzlerin nur bezüglich der De-Industrialisierung Deutschlands, euphemistisch Klimapolitik genannt.
Die allzu gefühligen Auslassungen der Bundeskanzlerin sind routiniert und im einzelnen nicht weiter bemerkenswert.
Ein Zitat ihrer Rede zeigt jedoch, wie fern der Kanzlerin, die stets und ständig die Welt retten will, diese Welt und Afghanistan tatsächlich sind, wenn sie sagt: „Bitter, dramatisch und furchtbar ist diese Entwicklung insbesondere für die Menschen in Afghanistan.“ Es sei „furchtbar für die Millionen Afghanen, die sich für eine freie Gesellschaft eingesetzt haben“. Hätten die Taliban wirklich so schnell das Land einnehmen können, wenn sich Millionen, also 7, oder 8 oder 10 Millionen Menschen eines 38-Millionen-Volkes für eine freie Gesellschaft „eingesetzt“, also dafür gekämpft hätten?
Man zeigt sich heute bürokratisch, weil man sich 2015 unbürokratisch zeigte. Weil Merkel 2015 allen Beladenen dieser Welt und denen, die sich als beladen ausgaben, ein „freundliches Gesicht“ zeigen wollte, zeigt sie nun den Ortskräften die kalte Schulter.
Wie jetzt bekannt wurde, verlief die erste Hilfsaktion der Bundesregierung übrigens überaus erfolgreich: Sieben Personen konnten mit dem Bundeswehrairbus A400M, der für 116 Soldaten ausgelegt ist, evakuiert werden. Das Deprimierende allerdings ist, dass die Grünen, wären sie an der Macht, wahrscheinlich Tandems geschickt hätten.