Tichys Einblick
Kabul fällt, Bundesregierung taucht ab:

Hat jemand in den letzten Tagen Merkel gesehen?

In Afghanistan erlebt die linksliberale Politik des Westens ihren Bankerott. Für Biden ist es das erste Desaster seiner Regierungszeit, für Merkel nicht. Sie tut wieder, was sie in solchen Fällen stets tat: Sie war am Wochenende weder zu sehen, noch zu hören.

IMAGO/IPON

Das gerade vergangene Wochenende wird als Black Weekend in die Geschichte des Westens eingehen, als Generalversagen der politischen Führung. Das Desaster, das der Westen gegenwärtig in Afghanistan aus eigenem Verschulden erlebt, zeigt die ganze Unfähigkeit der Linksliberalen, ob sie nun Joe Biden, Kamala Harris, Angela Merkel, Olaf Scholz oder Heiko Maas heißen, eine moderne Politik für eine aufgeklärte Bürgergesellschaft zu machen. Außer den deutschen Medien, Bidens treuesten Bannerträgern, kann niemand diese Entwicklung überraschen. Aber von den deutsche Medien lernen wir spätestens seit 2015, also seit die Reschkes, die Hassels, die Klebers, die Slomkas, die Emckes und Restles nicht mehr Journalisten, sondern Aktivisten sein wollen, dass zumindest in Deutschland sich das Wort Medien etymologisch nicht von Medium, sondern von Mediokrität herleitet.

Die von Biden angeordnete überhastete Flucht aus Kabul zeigt, wie tief selbst die USA fallen können, wenn sie von Leuten regiert werden, die geistig 1968 stehengeblieben sind und allen Ernstes glauben, die Welt sei so wie der Campus einer amerikanischen Universität. Für den US-Präsidenten ist Kabul das erste große Desaster seiner Regierungszeit dar, für Merkel nicht, denn ihre 16 Jahre sind eine einzige Kette von Pleiten und Katastrophen. Blickt man auf die beeindruckende Folge ihrer – zumindest für Deutschland – Misserfolge, kann man den Eindruck gewinnen, dass Angela Merkel in Entscheidungssituationen immer die schlechteste Option für Deutschland wählte. Dabei zeichnet sich ein Muster ab. In Konflikt- oder Entscheidungssituationen war Angela Merkel weder zu sehen, noch zu hören. Doch wenn das Problem nicht mehr ausgesessen werden konnte, preschte die Bundeskanzlerin stets mit der schlechtmöglichsten Lösung nach vorn und, um ihren Fehler zu vertuschen, wurde ihre Fehlentscheidung als alternativlos hingestellt, ideologisch durch willige Medien überhöht und zur Weltrettungsidee verklärt, Kritiker im Gegenzug dämonisiert und ehrabschneidend behandelt. Über kein politisches Problem von der Energiewende über die Masseneinwanderung seit 2015 bis zum Staatsversagen in der Pandemie konnte rational diskutiert und verhandelt werden, weil jedes politische Problem moralisiert und mit dem Argument des Weltunterganges beschwert wurde. Ich nenne das in meinem Buch „Die Zukunft gestalten wir! Wie wir den lähmenden Zeitgeist endlich überwinden“ das Armageddon-Argument, das als Armageddon-Imperativ gehandhabt wird, denn wer den Anweisungen der Regierung oder der Grünen, was grosso modo auf dasselbe hinausläuft, nicht folgt, macht sich am Weltuntergang schuldig.

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Politiker, die weder einen Flughafen bauen können, noch eine Impfung in kürzester Zeit zu organisieren vermögen, obwohl ein Impfstoff in Deutschland entwickelt wurde, die sich im Oderbruch wähnen, während sie in Barnim sind und auf Wirecard hereinfielen, wollen die ganze Welt retten. Politiker eben, die jene für jeden Laien absehbare Entwicklung in Afghanistan komplett ausblendeten, wie der am Wochenende überraschend aus den Tiefen des Auswärtigen Amtes aufgetauchte Heiko Maas, der noch im Juni zu Protokoll gegeben hatte: „All diese Fragen haben ja zur Grundlage, dass in wenigen Wochen die Taliban das Zepter in Afghanistan in der Hand haben werden. Das ist nicht die Grundlage meiner Annahmen. Wir gehen aber davon aus, […] dass die Kampfhandlungen zunehmen werden. Gleichzeitig gibt es aber einen Friedensprozess zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung, der ja nicht ausgesetzt worden ist, und den ich auch nicht für unerreichbar halte.“

Wie jetzt bekannt wird, war Heiko Mass auch seit längerem über die Gefahr, in der die Angehörigen der deutschen Botschaft schwebten, informiert gewesen. Der stellvertretende deutsche Botschafter Hendrik van Thiel schrieb in seinem Lagebericht am Freitag, „dass den dringenden Appellen der Botschaft über längere Zeit erst in dieser Woche Abhilfe geschaffen“ wurde. Obwohl die Taliban zügig vormarschierten, hat Maas diese Tatsache lange ignoriert und erst am Freitag den Abzug eines großen Teils der deutschen Botschaftsmitarbeiter aus Kabul angekündigt. Nicht Dank ihres Dienstherrn, sondern der Amerikaner dürften die Botschaftsangehörigen evakuiert werden können. 

Müsste der Mann nicht aus erwiesener Unfähigkeit zurücktreten? Aber der Rücktritt ist in Deutschland aus der Mode gekommen, und erst recht bei erwiesener Unfähigkeit.

Die Taliban verfügen nun dank Biden über mehr Black Hawk Hubschrauber als die Bundeswehr, wie Julian Reichelt sarkastisch feststellte, über mehr modernes Kriegsgerät, über Millionen deutsche Steuer-Euros, über Millionen von Dollars. Wollte man zynisch sein, könnte man das Ende des Afghanistan-Einsatzes als Entwicklungsprogramm für die Taliban bezeichnen, denn ihnen fallen nun Waffen und ausgebildete Soldaten in die Hände, um ihrerseits die Welt zu retten.

Dass an dem für die freie Welt dramatischen Wochenende nichts von der Bundeskanzlerin zu sehen oder zu hören war, entspricht dem Muster von dem, was sie unter Regieren versteht. Erst heute werden einige belanglose Sätze von Merkel bekannt, die sie nicht-öffentlich im CDU-Präsidium sagte. Sätze wie: „Wir erleben bittere Stunden und: „Jetzt müssen wir uns auf die Rettung konzentrieren!“ 

Wie der Herr, so das Gescherr. Auch von ihren Kabinettsmitgliedern war nichts zu bemerken – zumindest in der Sache nicht. Olaf Scholz genoss die neue Beliebtheit im Wahlkampf, sonnte sich im freundlichen Interview mit der bemüht-servilen Tina Hassel, man fühlte sich in Zeiten des DDR-Fernsehens, wie immer bei Tina Hassel, zurückversetzt. Nils Annen, Staatsminister im Auswärtigen Amt, wahltourte auf Deutschlands neuem High Tech Wunder – dem Fahrrad – durch die Landschaft. Für die SPD existierte Afghanistan schlicht nicht. Eine ernsthafte Krisensituation möchte ich mir unter einem Kanzler Olaf Scholz in Deutschland nicht vorstellen. Er würde so tun, als gäbe es sie einfach nicht.

Die Diskussion um die Rettung von deutschen Hilfskräften aus Afghanistan fand weitgehend ohne den zuständigen Innenminister Horst Seehofer, aber auch ohne die Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer statt. Nur Heiko Maas tauchte aus seiner Vergessenheit im Amt auf und erinnerte die deutschen Bürger an seine Existenz als Außenminister mit so luziden Kommentaren wie: „Mit Blick auf die Zukunft setzen wir darauf, dass die Taliban verstanden haben, dass die Konflikte in Afghanistan politisch gelöst werden müssen und es nie militärische Lösungen geben wird.“ Sage niemand, dass es in Deutschland keine Satire mehr gibt. Ich stelle mir das Vergnügen vor, das die lächelnden Gesichter von Wladimir Putin und Xi Jingping zum Leuchten bringt, sollten sie sich die Statements von Heiko Maas anhören.

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Vermutlich wissen sie aber nicht einmal mehr, wer Heiko Maas ist. Warum sollten sie auch einen höheren Kenntnisstand als die deutschen Bürger besitzen: Einst war der Außenminister der bekannteste und der beliebteste Politiker der Bundesrepublik, heute ist er der unbekannteste – und einer der teuersten, erinnert man sich daran, dass Maas abseits des Parlaments dem deutschen Steuerzahler eine obskure Wiedergutmachung in Höhe von 1,1 Milliarden Euros an die Hereros auferlegte, die inhaltlich nicht einmal strittig, sondern in der Sache falsch ist, wie Tomas Spahn auf TE kenntnisreich und faktensicher analysiert hat.

Die Hilflosigkeit der Bundesregierung angesichts der Katastrophe in Afghanistan, einer Katastrophe mit Ansage, würde zutiefst erschüttern, wenn man nicht Kostproben des Versagens von verantwortlichen Politikern angesichts der Pandemie oder der Hochwasserkatastrophe bereits bekommen hätte. Hilflosigkeit, Ich-Zentriertheit, Weltfremdheit und Ideologieversiertheit sind die Tugenden, die ins Amt zu helfen scheinen. Mit Angela Merkel ist die Methode salonfähig geworden, eigenes Versagen zu vertuschen, indem man getreu des banalen, aber äußerst wirksamen Mittels „teile und herrsche“ (divide et impera) die Bürger gegeneinander ausspielt. So wurden Kritiker der fatalen Willkommenskultur als Rechte diffamiert, die Warnungen der Sicherheitsorgane in den Wind geschlagen, eine demokratische Debatte als „Diskussionsorgie“ herabgesetzt. All jene, die noch wissen, was Wissenschaft ist, werden, weil sie deshalb der Klimaapokalyptik nicht folgen, als Klimaleugner und sogar völlig absurd als Wissenschaftsleugner hingestellt und medial marginalisiert. Neuerdings wird ein heftiger Kampf zwischen Impfwilligen und Impfkritikern entfacht. Ist die Methode Merkel die Methode Zwietracht? Auf jeden Fall wird sie ein tiefgespaltenes Land hinterlassen.

Der Grund, weshalb Merkel am Wochenende nirgendwo auftauchte, liegt in der Willkommenskultur. Angela Merkel hat in einem panischen Moment die Grenzen für alle geöffnet, die unter dem Zauberwort Asyl in die deutschen Sozialsysteme einzuwandern gedachten, unter ihnen auch Sympathisanten und Angehörige der Taliban, unter ihnen auch Angehörige des IS, so dass der Terror möglicherweise auch aus Geldern des deutschen Sozialstaates gesponsert wurde, denn Überprüfungen wurden untersagt. Der Kontrollverlust des deutschen Staates, der bis heute anhält und Ereignisse wie in Köln, am Breitscheidplatz, in Würzburg und zahlreiche Gruppenvergewaltigungen zur Folge hat, dieser Kontrollverlust, Merkels großer Fehler, musste in eine hübsche Ideologie umgewandelt werden. Das Brachiale der Methode, ein Desaster in einen Sieg der Menschlichkeit umzudichten, gelang nur, weil die Medien und viele auch deshalb neu entstehende NGOs dieses demagogische Spiel mitspielten, ja, sogar noch vorantrieben.

Die Masseneinwanderung geht weiter, es wird nur nicht mehr darüber berichtet. Aus diesem Grund haben die Politiker, die sich im Wahlkampf, also in ihrer Existenzsicherung, befinden, um die Frage, was mit den afghanischen Helfern der Deutschen in Afghanistan wird, eine großen Bogen geschlagen. Die Grünen haben das Thema angeschnitten: Ihnen ist jede Einwanderung, wenn sie nur auf Kosten des deutschen Steuerzahlers erfolgt, recht.

Die schaurige Konsequenz von Merkels Willkommenskultur, die bereits 2015 gescheitert ist, besteht darin, dass diejenigen, die wirklich gerettet werden müssen, ihren Peinigern überlassen werden. Die Bundesregierung hätte rechtzeitig die Überprüfung der afghanischen Ortskräfte der Deutschen und die Evakuierung derjenigen, die evakuiert werden müssen, um ihr Leben zu retten, in die Wege leiten müssen. Sie hat es unterlassen, weil sie die Analyse der Realität durch Wunschdenken ersetzt hat. Mit Mühe und Not und Hilfe der Amerikaner kann die Bundesregierung wahrscheinlich noch die deutschen Staatsangehörigen vor Ort herausholen.

Angela Merkel und Olaf Scholz, die schwarz-rote Regierung im Bündnis mit der Biden-Harris-Administration haben Deutschlands Sicherheit am Hindukusch verspielt und Russland und vor allem China einen großen Machtzuwachs beschert. Für die Freiheit, für die Bürgerrechte, für die Demokratie, aber auch für die Gleichberechtigung der Mädchen und Frauen brechen schwärzere Zeiten an. Die Auswirkungen des Desasters, das wir heute noch nicht abschätzen können, werden wir morgen bereits erleben.


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