Annalena Baerbock gibt bis heute in ihrem Lebenslauf an, an der Universität Hamburg Politikwissenschaft mit Nebenfach öffentlichem Recht studiert zu haben. Das stellt sich nun als falsch heraus: Wie der Plagiatsjäger Stefan Weber schreibt, soll Baerbock lediglich ein Wahlpflichtfach Politikwissenschaft absolviert haben, dafür ist keine Immatrikulation notwendig. TE liegt ein Mailverkehr mit der Universität Hamburg vor, der das belegt.
Streng genommen erfand die grüne Kanzlerkandidatin damit ein Studium, das es gar nicht gab. Die Anforderung an ein Wahlpflichtfach ist lediglich Teil eines anderen Studiums und eben kein Nebenfach. Neben zahlreichen Fehlern in ihrem Lebenslauf ist es bereits der zweite zu ihrem Studium in Hamburg: Zuvor hatte Baerbock behauptet, einen Bachelor in Politikwissenschaft zu besitzen, sie hatte allerdings nur ein Vordiplom. Als Medien darauf hinwiesen, versprach Baerbock schon vor Wochen: Sie wolle ihren Lebenslauf nicht weiter korrigieren.
Das ist nicht nur deshalb so brisant, weil es abermals zeigt, wie die grüne Kanzlerkandidatin ihren akademischen Weg aufhübscht – sondern auch, weil diese Information für Baerbocks spätere Zulassung zur Promotion an der Freien Universität Berlin relevant ist. Dabei geht es auch um die Rechtmäßigkeit ihres Promotionsstipendiums in Höhe von über 40.000 Euro aus Steuergeldern, deren Aufklärung in hohem Maße in öffentlichem Interesse steht. Nachdem TE hier massive Ungereimtheiten öffentlich machte, prüfte die Heinrich-Böll-Stiftung dieses Stipendium und erklärte es nun für regelkonform. Auch diese Prüfung wirft erhebliche Fragen auf (mehr später).
Baerbocks merkwürdiger Weg zur „Doktorandin des Völkerrechts“
Doch der Reihe nach: Zum Wintersemester 2007/2008 wurde Annalena Baerbock zur Promotion an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Freien Universität Berlin zugelassen. Das ist mindestens ungewöhnlich, denn: In der Regel ist für eine solche Promotion das erste juristische Staatsexamen Voraussetzung, das Baerbock nicht besitzt. Annalena Baerbock absolvierte nach ihrem genannten Vordiplom in Politikwissenschaft mit Wahlpflichtfach öffentlichem Recht lediglich einen einjährigen Masterstudiengang an der London School of Economics mit dem Abschluss LL.M.. Dieser im Ausland abgeschlossene Abschluss ist offensichtlich auch nicht gleichwertig zum deutschen Staatsexamen. Das bestätigte die Freie Universität gegenüber TE ausdrücklich: „Ein LL.M. wird niemals allein als einem juristischen Staatsexamen gleichwertig anerkannt.“
Nach TE-Informationen wurde Annalena Baerbock 2007 nach Paragraph 4 Absatz 4 der damals gültigen Promotionsordnung an der FU Berlin zugelassen. Das ermöglicht eine konkrete Überprüfung:
Aber wie konnte Baerbock dann zur Promotion zugelassen werden? Die FU schreibt uns dazu: “Es kommt maßgeblich darauf an, ob der LL.M. einschließlich der vorher erbrachten Studienleistungen inhaltlich eine hinreichende akademische Vorbildung für das anvisierte Promotionsprojekt gewährleisten.“
Entscheidend für ihre Zulassung sind also die vor dem Studium an der LSE erbrachten Studienleistungen – und da gibt es nur das Vordiplom in Hamburg, das nach den aktuellen Informationen jedoch anders gelagert und leichtgewichtiger ist als gedacht.
Genauere Informationen kann die FU Berlin nicht mitteilen, da die Akte von Annalena Baerbock entgegen der ausdrücklichen Empfehlung des Archivs der FU im vergangenen Jahr vom Promotionsbüro vernichtet wurde. Die Richtlinie – das bestätigte das Archiv auf Anfrage – lautet, dass derartige Akten 50 Jahre lang aufgehoben werden müssen. Das gelte ausdrücklich auch für abgebrochene Promotionsvorhaben.
Die FU äußert sich gegenüber TE ausschließlich im Konjunktiv. Auch das ist merkwürdig.
Die FU schreibt: „Eine Zulassung konnte jedenfalls nach § 4 Abs. 4 Nr. 3 PromO 2007 erfolgen. Die konkrete Zulassungsvariante lässt sich im Fall von Annalena Baerbock mangels Promotionsakte nicht mehr verifizieren. Es wäre grundsätzlich im Einzelfall aber möglich, dass die in § 4 Abs. 4 Nr. 3 PromO 2007 angeführten Auflagen bis zur Einreichung der Dissertation erfüllt werden. Nach dieser Zulassungsvariante wäre auch denkbar, dass es sich bei Annalena Baerbocks ausländischen Hochschulabschluss – über die Anforderung dieser Variante hinaus – um einem juristischen Abschluss handelt und dass Annalena Baerbock – wie sich der öffentlichen Berichterstattung entnehmen lässt – im Rahmen ihres Studiums in Hamburg ein juristisches Nebenfach belegte und in diesem Zuge wohl auch einschlägige Prüfungsleistungen erbracht worden sein könnten.“
Auch hier wird als hypothetischer Grund der Zulassung das „Juristische Nebenfach“ angeführt, das in der Form aber eben nicht existiert. Zentral für die Zulassung ist also die „inhaltlich hinreichende akademische Vorbildung“ von Baerbock. Ein Wahlpflichtfach öffentliches Recht ist dahingehend allerdings marginal.
In der damals gültigen Ordnung über die Diplomprüfung im Fach Politikwissenschaft der Universität Hamburg heißt es, dass selbst für den Abschluss des Diploms (Baerbock kam nur bis zum Vordiplom) im Wahlpflichtfach lediglich erforderlich wäre: Drei einführende Veranstaltungen, eine Überblicksveranstaltung, zwei Hauptseminare.
Selbst diese beiden Hauptseminare lassen sich aber – wenn sie in dem Fall überhaupt vorliegen – kaum zur Aufwertung von Baerbocks Londoner Abschluss anrechnen. Denn in der Promotionsordnung sind zusätzlich zur genannten gleichwertigen Prüfung „zwei Leistungsnachweise im deutschen Bürgerlichen Recht, Strafrecht oder Öffentlichen Recht“ Bedingung. Diese beiden Leistungsnachweise könnte Baerbock mit ihrem Wahlpflichtfach in Hamburg eventuell noch erfüllen. Für die Bedingung des Bestehens einer dem Staatsexamen „gleichwertigen juristischen Prüfung“ bleibt dann allerdings nur der Londoner L.L.M., der aber nach Aussage der FU ausdrücklich nicht gleichwertig ist.
Annalena Baerbocks juristische Ausbildung entspricht damit eindeutig nicht dem Niveau des ersten juristischen Staatsexamens. Es stellt sich damit die Frage, wie diese Promotion zustande gekommen sein kann – hier lassen sich nur Spekulationen anstellen.
Eins ist allerdings klar: Diese Vorgänge müssen geprüft werden. Denn es ist eben keine Bagatelle, an diese Promotion war ein massiver Betrag aus öffentlichen Geldern geknüpft.
Es geht immer noch um 40.000 Euro Steuerzahlergeld
Über eine irreguläre Promotionszulassung als solche könnte man noch hinwegsehen, da die Promotion nicht abgeschlossen wurde und daher keine Schäden für die Allgemeinheit entstanden sind. Aber an dieser Promotion hängt eben ein ungewöhnlich hohes Stipendium der grünennahen Heinrich-Böll-Stiftung, für das 40.000 Euro direkt aus Mitteln des Forschungsministeriums ausgeschüttet wurden und das auch nicht zurückgezahlt wurde.
Nach einer TE-Recherche vor wenigen Wochen überprüfte die Böll-Stiftung das Stipendium bereits und stellte nun fest: Das Stipendium sei „auch in der Rückschau nicht zu beanstanden“ heißt es im Dokument der Böll-Stiftung, das TE vorliegt. Dass die Stiftung ihr eigenes Handelns für richtig erklärt, scheint manchen Medien auszureichen, um den Fall zu den Akten zu legen. Dabei steckt schon in der Begründung selbst ein massiver Widerspruch.
Der Vorwurf bestand darin, dass Annalena Baerbock durch vier Parteiämter, die sie während der Promotion innehatte (darunter der grüne Landesvorsitz in Brandenburg) mehr als die die Hälfte ihrer Arbeitszeit nicht für ihr Promotionsvorhaben aufwenden konnte. Das Forschungsministerium verlangt von Promotionsstipendiaten allerdings eindeutig, dass sie mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit für die Promotion aufbringen. TE zeigte damals anhand des Finanzberichts des Grünen Landesverbands Brandenburg für das Jahr 2010, dass das nicht sein kann. Darin heißt es nämlich: „Die Landesvorsitzenden arbeiten ehrenamtlich, geben aber weit mehr als 50 Prozent ihrer Arbeitszeit für den Landesverband, die Landesgeschäftsstelle ist mit zwei Vollzeitstellen dünn besetzt.“
Im Böll-Bericht heißt es zu diesem Vorwurf von TE: Frau Baerbock habe schriftlich bestätigt, dass ihre „Konzentration während der üblichen Arbeitszeit überwiegend und hauptsächlich“ ihrem Promotionsprojekt gegolten habe. „Das Engagement erfolgte – wie zu dieser Zeit im Landesverband üblich – überwiegend in den späten Nachmittags- sowie Abendstunden sowie an Wochenenden.“
Selbst, wenn man annimmt, dass das stimmt, geht das Problem für Frau Baerbock nicht weg. Denn wenn sie weniger als die Hälfte ihrer Arbeitszeit für den Landesverband arbeitete, schwindelte dieser in seinem Finanzbericht – und zwar offensichtlich zum Zweck, der Vorsitzenden ein Gehalt auszuzahlen.
So oder so: Baerbocks Promotionsversuch wurde aller Wahrscheinlichkeit nach irregulär aus Steuergeldern subventioniert. Das Bundesforschungsministerium, das sich bis dato auf den Standpunkt versteift, sich nicht zu Einzelfällen äußern zu wollen, muss die Sache untersuchen. Und zwar vor der Bundestagswahl.