Tichys Einblick
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Auch in Italien formiert sich der Widerstand gegen den »Green Pass«

Seit Freitag brauchen die Italiener einen »Green Pass«, um am öffentlichen Leben teilzunehmen. Die Maßnahme löste einen Proteststurm in allen großen Städten aus. Noch ist es eine Minderheit, die auf die Straße geht. Doch je enger der Griff der Regierenden wird, desto stärker wird auch die Antwort ausfallen.

IMAGO/NurPhoto

Auch der Papst hat inzwischen seinen »grünen Pass« empfangen. Der Vatikan folgt in dieser Frage ganz der Politik der Regierung in Rom. Doch aufs Ganze gesehen, folgen die Italiener ihren politischen Hirten keineswegs wie eine brave Herde. Nach Frankreich regt sich auch beim südlichen Nachbarn Protest gegen die Willkürakte der Regierenden.

Am Wochenende ist es zu teils ungenehmigten Demonstrationszügen in den größeren Städten gekommen. Die meisten Leute zog es in der Wirtschaftsmetropole Mailand auf die Straße. Um die fünftausend protestierten hier gegen den von der Regierung eingeführten »Green Pass«, der seit Freitag notwendig sein soll, um Restaurants und Bars, Museen oder ein Fitnessstudio zu betreten. Ab September wird der Pass auch in öffentlichen Verkehrsmitteln, Schulen und Universitäten nötig sein. Eine Impfpflicht für Mitarbeiter im Gesundheitssektor gilt ohnehin schon.

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Ein sarkastisches Plakat der Demonstranten liest sich so: »2021: Endlich eine Impfung, um ins Restaurant zu gehen oder in den Urlaub zu fahren!!??« Und es berührt durchaus, wenn man sieht, wie sich die verschiedenen Länder Europas in vollkommen gegensätzliche Richtungen entwickeln: Im Norden und Nordwesten Deutschlands herrscht ein Klima der Öffnung und Zuversicht. Nach Schweden, Großbritannien und den Niederlanden will Dänemark bis zum Herbst nachziehen und zur präpandemischen Normalität zurückkehren. In Italien scheint Premierminister Draghi – ähnlich wie Frankreich oder Griechenland – eine ziemlich gegensätzliche Vision zu haben. Die Reaktionen lassen nicht auf sich warten.

»Nein zum grünen Pass, nein zur Gesundheitsdiktatur« und »Freiheit, Freiheit« waren die Parolen der Demonstranten, die sich in der Nähe des Mailänder Doms versammelten, um sich dann gemeinsam in Bewegung zu setzen. Polizisten in schwerer Montur hielten den Zug zum Teil auf, worauf Pfiffe und »Schande«-Rufe erschollen. Bald gab die Polizei den Weg wieder frei, und die Demonstranten konnten ihren Weg fortsetzen.

Ernst, große Geste und Heiterkeit – Polizisten zwischen den Fronten

Weitere Demonstrationen fanden in Rom (auf der Piazza del Popolo) und Neapel (auf der Piazza Dante), in Florenz und Turin statt. In Florenz identifizierte die Bereitschaftspolizei für Staatsschutz an die zehn »Initiatoren« des Protestmarsches – denn genau das hätten die Demonstranten auch in der Stadt der Medici nicht gedurft: sich fortbewegen. Doch im selben Florenz hatten sich schon Ende Juli Szenen der Verbrüderung zwischen Demonstranten und Polizisten abgespielt. Nun legten die Beamten erneut ihre Helme ab und marschierten mit den Protestierenden. Eine weitere hochsymbolische Szene, die zeigt, wie ein Land im Inneren – abseits der Machtzirkel und Staatserlasse – zusammenhalten kann.

In Triest im Nordosten des Landes, auf der zentralen, menschengefüllten Piazza della Borsa, verbrannten Bürger – mit sicherem Theatersinn – grüne Karten mit der Aufschrift »Green Pass«. In Rom wurde dem Mantuaner Arzt Giuseppe De Donno Applaus gespendet, der sich am 27. Juli unter mysteriösen Umständen das Leben genommen zu haben scheint. Er war einer der Entwickler der alternativen Plasma-Therapie.

In Turin winkten tausende Bürger mit Taschentüchern »für die Zukunft unserer Kinder«. Doch nicht nur im Ernst und mit großer Geste kann man in Italien demonstrieren. Man kann auch eine Feier daraus machen wie im Adria-Städtchen Rimini. Eine besondere Wirkung entfalten die Proteste durch das gleichzeitige Auftreten in verschiedenen Städten des Landes. So kann auch eine Minderheit sich Gehör verschaffen. In allen genannten Städten füllten sich Straßenzüge und Plätze mit Demonstranten, wurden aber dennoch von den etablierten Medien des Landes weitgehend ignoriert. In Turin richteten sich die Proteste daher auch gegen die Verlagshäuser der »verkauften« Tageszeitungen La Repubblica und La Stampa.

Einige Geschäftsinhaber wollen nicht mitspielen beim Kontrollstaat

In Brescia in der Nähe von Mailand haben Geschäftsinhaber angekündigt, keinen »grüne Pass« von ihren Kunden zu verlangen. Über eine Nachrichten-App wurde ein Karte mit den teilnehmenden Lokalen verschickt. Allerdings drohen den Widerständigen saftige Strafen: eine Schließung von bis zu zehn Tagen für die Geschäftsinhaber, bis zu 1.000 Euro Strafe für die Kunden. Noch stellt sich das Problem nicht, solange man sich draußen an einen Tisch setzen kann. Eine Restaurantbesitzerin hält den »Green Pass« für nicht hilfreich: »Ich selbst habe mich nicht impfen lassen und habe es auch nicht vor, denn wir müssen arbeiten. Und der Pass hindert uns daran.«

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Nun hat die Regierung den Wirten und Ladenbesitzern zwar vorgeschrieben, den grünen Pass ihrer Kunden zu kontrollieren – nicht aber deren Identität zu überprüfen, wozu sie gar nicht berechtigt wären. Das typisch italienische Ritual des Cafè am Tresen wurde bereits zur Ausnahme von der Pass-Regel geadelt. So gibt es Hoffnung, dass sich am Ende die Inkonsequenz (oder vielmehr: die heimliche Konsequenz) des Lebens gegen die Gesundheitsdiktatur durchsetzen wird.

Andere haben anscheinend schon damit begonnen, die von der Regierung propagierten Unterscheidungen anzuwenden. So erwies sich eine Meldung über eine Fastfood-Filiale am Ende als wahrheitsgemäß: In einem McDonald’s-Restaurant wurde die Bestellung eines ungeimpften Kunden mit einem roten Punkt markiert. Am Telephon bestätigte ein Mitarbeiter das Verfahren gegenüber Radio Savana. Zwischendurch hatte es eine Scheinwiderlegung des Berichts durch einen »Faktenchecker« gegeben, der behauptete, der rote Punkt bezöge sich auf Cola mit und ohne Zucker. Der betroffene Kunde sprach von einer »sozialen Diskriminierung«, die ihn an dunkle Zeiten denken ließ.

Auch für Schulen und Universitäten wird der Green Pass ab dem 1. September verpflichtend sein. Der Präsident des nationalen Rektorenverbands meldete bereits einen Personalbedarf von 8.000 Bürokräften an, wenn man das Pass-System an die Schulen bringen wolle. Doch der Protest formiert sich auch unter den Studenten und Professoren des Landes, zum Beispiel in einer Telegram-Gruppe »Studenti contro il green pass«. Denn die Nützlichkeit der Impfung schätzt nicht jeder gleich hoch ein: Trotz Impfung bleibe man in gewissem Maße anfällig für die Krankheit und sei im Fall einer Ansteckung auch selber ansteckend. Die »Aussonderung« der Ungeimpften ergebe also keinen Sinn, heißt es in einem Manifest. Der Grüne Pass schütze nicht vor Ansteckung.

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