Man kann es nicht als lokale Posse abtun, dass in Frankfurt die fünf Dutzende Mitarbeiter des sicherheitsrelevanten „Spezial-Kommandos der Polizei (SEK)“ beurlaubt und mit ihnen die gesamte Einheit abgeschafft wurde – schließlich wird damit die Sicherheitsarchitektur im Raum Rhein-Main bis Nürnberg ernsthaft beschädigt. Den Polizisten kann kaum ein handfestes Dienstvergehen vorgeworfen werden. Eher ist es eine Posse, wie die Vorgesetzten ohne Not agieren, dabei schwindeln und sogar den hessischen Landtag belügen. Zuletzt geht es um 10 kleine Negerlein und damit das geächtete N-Wort – der Skandal offenbart die Lächerlichkeit der hessischen Polizeiführung und des Innenministers. Aber der Reihe nach.
Der Saubermann macht schmutzige Witzchen
Der Polizeipräsident Westhessens, Stefan Müller, der von Hessens Innenminister beauftragt wurde, das SEK Frankfurt wegen vermeintlich „rechter“ Gesinnung neu aufzubauen, hatte sich selbst gegenüber SEK-Beamten diskriminierend geäußert. „Man muss jetzt nicht befürchten, dass das Spiel der zehn kleinen Negerlein jetzt startet“, sagte Müller in Gegenwart von mehr als 30 SEK-Beamten bei einer Besprechung am 14. Juni. Hintergrund war, dass einer der verunsicherten Beamten, die mit Ängsten um ihre berufliche Zukunft kämpfen, anmerkte, dass „man ja gar nicht wisse, wer als Nächstes das Kommando verlassen muss“. Darüber berichtete BILD, der ein anonymes Schreiben eines SEK-Beamten an die SPD-Fraktion Hessen vorlag, das mit den alarmierenden Worten begann: „Da ich zur Zeit kein Vertrauen mehr in meine Dienstvorgesetzten oder meinen Dienstherren habe, wende ich mich an Sie als Opposition im Landtag.“ Und die Opposition, man staunt, opponierte, wenigstens in Form von FDP und AfD. Das N-Wort wurde zum Skandal.
Müller: „sofort dafür in großer Runde entschuldigt“
Am Donnerstag, dem 24. Juni, hatte sich Polizeipräsident Stefan Müller dann im Innenausschuss des Landtags entschuldigt und wies Rassismusvorwürfe zurück. Das Protokoll des Innenausschuss liegt TE vor. Müller sagte demnach wortwörtlich: „Dabei hatte ich gedanklich in der aufgewühlten Stimmung das Kinderlied assoziiert, das ich aus meiner Kindheit kenne. Ich habe diesen unsensiblen und unangebrachten Sprachgebrauch sofort realisiert und mich auch sofort dafür in großer Runde entschuldigt.“ Das Lied „Zehn kleine Negerlein“ geht zweifellos auf rassistische Stereotype zurück. So wurde das Lied zum Standardrepertoire der amerikanischen Blackface-Minstrel-Shows im 19 Jahrhundert, in denen Weiße mit dunkel bemalten Gesichtern Schwarze verspotteten.
Rassistische Motive seines verbalen Ausfalls weist Müller strikt zurück: „Ich habe den Fehler sofort bemerkt und mich dafür entschuldigt. Ich verwahre mich aber entschieden gegen den Versuch der Unterstellung von Eigenschaften, die am Ende des Presseartikels als rassistisch oder diskriminierend beschrieben sind.“ Nun mag man darüber geteilter Meinung sein, wie böse das N-Wort ist und ein darauf basierendes Lied. Aber wer Andere, und insbesondere Untergebene, mit dem Rassismusvorwurf überzieht wie die Herren Beuth und Müller, muss sich an seinen eigenen Maßstäben messen lassen. Schließlich vernichtet er deren berufliche Karriere, weil sie angeblich so sprechen wie er selbst. Darf ein Polizeipräsident Formulierungen benutzen, für die seine Beamten entlassen werden? Und vor allem: Auch Innenminister und Polizeichefs sollten nicht die Unwahrheit sagen. An beiden Voraussetzungen aber hapert es.
Beuth: Polizeipräsident hätte sich „vor versammelter Zuhörerschaft entschuldigt“
Peter Beuth (CDU) hielt zu seinem eingesetzten Polizeipräsidenten, der die SEK neu umstrukturieren soll. So betonte Beuth, dass Müller offen und selbstkritisch mit dem Vorfall umgegangen sei, was ein Zeichen einer gesunden Fehlerkultur wäre und weshalb Müller der richtige Mann für den Neustrukurierungsprozess sei. „Der Polizeipräsident hat mir ebenso wie Ihnen gerade hier deutlich gemacht, dass er die Aussage noch vor Ort und vor versammelter Zuhörerschaft bedauert und sich dafür entschuldigt habe. Ich finde gleichwohl die Anleihe mit Bezug auf den alten Kinderreim unsensibel.“
Beuth misst mit zweierlei Maß, denn er verschweigt: Es hatte bereits unter den SEK-Beamten eine Fehlerkultur im Jahr 2018 gegeben. Im Jahr 2018 haben die SEK-Beamten selbst eingesehen, dass sie mit dem durchaus geübten „schwarzen Humor“ und „Stammtischniveau“ aufhören müssten, weshalb sie die Chats neuformierten und unangemessenen Sprachgebrauch und Witz ablegten.
Des Weiteren hätten übrigens die SEK-Beamten im Gegensatz zu Müller und Beuth nicht eine einzige Gelegenheit vom Polizeipräsidium und dem Innenministerium bekommen, um sich für die gegen sie vorliegenden Vorwürfe zu entschuldigen.
Jetzt packt das SEK aus: Es gab keine Entschuldigung
Nun packen SEK-Beamte gegenüber TE aus: Stefan Müller hat sich eben nicht, wie er behauptet, bei den über 30 Spezialeinsatzkräften entschuldigt. Dafür gibt es bis zu 30 Zeugen, die dies bestätigen können. Das würde bedeuten: Der Polizeipräsident, der für die SEK-Umstrukturierung von Beuth eingesetzt wurde, hat den gesamten Innenausschuss – ergo alle anwesenden Abgeordneten der Landtagsfraktionen – und die deutsche Öffentlichkeit belogen. Doch hat er auch Hessens Innenminister Peter Beuth belogen – oder wusste Beuth, dass eine Entschuldigung „vor versammelter Zuhörerschaft“ eine Lüge war? Auf eine Presseanfrage äußerte sich das Ministerium nicht.
Laut SEK-Beamten hätte es direkt nach Müllers verbaler Entgleisung einen Tumult gegeben, auch weil sich Kollegen vor ihren afro-deutschen Kollegen stellten. Doch statt einer persönlichen Entschuldigung vor allen SEK-Beamten hätte Stefan Müller den Tumult schlicht übergangen. Zudem hätte der Polizeipräsident gegenüber den SEK-Beamten gesagt, dass sie nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen sollen. Das ist nun der Gipfel der hessischen Komödie: Gerade wird jedes Wort der Beamten auf die allersensibelste Goldwaage gelegt und in jedem Fall gegen sie verwendet. Der Polizeipräsident dagegen ist davon freigestellt. Unklar ist, was dann Beuth und Müller zu einem Vorgehen treibt, das Begriffe verurteilt, die sie selbst verwenden.
SEK-Skandal wird zum Beuth-Skandal
TE hatte als erstes Medium mehrere Bilder der Räumlichkeiten des SEK Frankfurts, dem angeblichen „Nazi-Nest“, veröffentlicht. Es zeigte sich auch hier, dass die Darstellungen des Innenministeriums nicht der Wahrheit entsprechen. Eine „Muckibude von Rechtsextremen“, wie es die FAZ auf der Grundlage von Beuths Beschreibungen darstelle, konnte als falsch entlarvt werden. Vor wenigen Tagen machte dann TE brisante Insider-Fakten öffentlich, die Beuth in schwere Erklärungsnot bringen. Beispielsweise wurden die SEK-Raumausstattungen in Wahrheit vom Dienststellenleiter bis zum Polizeipräsidenten abgesegnet. Besonders peinlich für den Innenminister: Er kannte in den SEK-Räumen aufgehängte Poster bereits sieben Jahre lang, mit denen er zuvor keine Probleme hatte.
Auch befinden sich Collagen an den Wänden der SEK-Dienststelle, die überwiegend aus Pressebildern bestehen, welche das Innenministerium Hessens selbst fotografieren ließ und sich in deren Pressearchiv befinden. Besonders brisant: In der Berichterstattung des Innenministeriums wurden nur belastende Materialien veröffentlicht, während Entlastendes verschwiegen wird. Dass in den SEK-Räumen auch anti-rechtsextreme und anti-nationalsozialistische Dekorationen existent waren, hat Beuth nicht erwähnt. Erstaunlich ist auch: Beuth selbst habe die von ihm als „rechtsextrem“ verunstalteten Räume nie persönlich inspiziert. Auch bei den vermeintlich „rechtsextremen“ Chats, die überwiegend aus 2016/2017 stammen, hat das Innenministerium – oft erkennbar satirisch oder scherzhaft gemeinte – Aussagen völlig aus dem Kontext gerissen, um einseitig seine Untergebenen zu belasten.
Wie lange will Ministerpräsident Bouffier der Verleumdung zuschauen?
Vor allem aber den Bürgern ist Bouffier Rechenschaft schuldig. Denn die Rhein-Main-Region hat eine Polizeitruppe verloren, die bei Schießereien, Geiselnahmen und gegen die gewalttätige Organisierte Kriminalität eingesetzt wird – wobei jeder eingesetzte Polizist bei jedem Einsatz sein Leben riskiert. Aber offensichtlich ist das der hessischen Politik komplett egal. Hier geht es nur noch um einen Politiker und einen Polizeipräsidenten, die ihre Jobs retten wollen – zu Lasten der Inneren Sicherheit, zu Lasten der Bürger.