Ja, es gibt sie: Deutsche, die sich in Kuba eine Existenz aufgebaut haben. Es sind keine Castro-Folkloreros, keine Ché-Jünger, es sind einfach Deutsche, die mit Kubanerinnen verheiratet sind. Dort in Kuba bauten sie eine Pension (Casa Particular) auf und waren mit ihrem Organisationstalent und ihrem Fleiß erfolgreich. Sie werden in Kuba, wie überall auf der Welt, als effiziente Deutsche von Einheimischen oft beneidet und als verlässliche Geschäftspartner geschätzt.
Auf meinen Reisen durch das kubanische Arbeiterparadies machte ich allerlei Bekanntschaft mit ihnen. Manche sind aufgrund von Corona nach Deutschland zurückgekehrt, manche harren dort aus. Sie bieten einen ungeheuren Wissensschatz in der Vermittlung zwischen den Kulturen und versorgen mich mit aktuellen Informationen.
Sie haben dort oft Hausangestellte und oft Zugang zur einheimischen Elite. Müssen sie aus irgendeinem Grunde zurück nach Deutschland, ist ihr Wissen nicht mehr gefragt. Viele verelenden geistig und oft auch materiell.
Auf meinen Reisen durch die Welt habe ich viele solcher Expats kennengelernt und immer von ihrem Wissen profitiert. So auch in Kuba. Der übliche Kuba-Artikel der Mainstream-Medien ist ein Copy-Paste-Erzeugnis, eine Paste blutleerer und abstrakter Informationen. Wie die Welt beim einfachen Einheimischen aussieht, wird nicht vermittelt, am wenigsten in den Auslandsjournalen der TV-Sender, die durch ihren politisch korrekten Belehrungston meilenweit am Denken der Einheimischen vorbeigehen.
Wie der Alltag im brütend heißen Kuba nun aussieht, lässt sich vom deutschen Sofa aus nur schwer vorstellen. Aber mit ein bisschen Einfühlungsvermögen geht es dann doch. Insbesondere die älteren Ostdeutschen, können sich das vorstellen: DDR in den Tropen.
Manche Kubaner stellen auf Gaskocher um, so diese zu finden sind. Andere kochen auch in den Städten auf offenen Feuerstellen im Hof. Bäume werden abgehackt und zu Brennholz verarbeitet. Über Holz und Holzkohlenfeuer werden Tiegel und Töpfe gehängt, um schwarze Bohnen und Reis zu garen.
Nachts ist es dunkel in den Städten, in denen der Strom abgeschaltet ist. Notdürftig verbreiten mancherorts Kerzen ihren kargen Schein. Aber Kerzen sind teuer in Kuba. 50 Cent pro Kerze sind sehr viel bei einem Einkommen von 50 Dollar, nicht am Tag, 50 Dollar im Monat. Und inzwischen sind auch Kerzen kaum mehr zu haben. Sind sie in einem Geschäft auffindbar, dann stellen sich die Menschen an, um bei der nächsten Stromabschaltung karges Licht zu haben, oder sie noch teurer weiter zu verkaufen.
Was aber für die Kubaner am schlimmsten ist, wenn nachts keine Ventilatoren mehr funktionieren. Brütende Hitze kriecht in die Betten, im Schweiße ihres Angesichtes versuchen die Menschen in den Schlaf zu kommen. Wohl denen, die am Meer ein laues Lüftchen verspüren.
Sobald in Havanna eine Tankstelle über Diesel verfügt, bilden sich sofort riesige Schlangen. Autofahrer stehen an und akzeptieren 12 Stunden Wartezeit. Nach sechs Stunden ist meist der Sprit zu Ende, aber die Leute stehen weiter an, in der Hoffnung, es käme Nachschub.
In verzweifelter Not werden Ochsen- und Pferdefuhrwerke für Transport und Feldarbeit aktiviert. Schulbusse fahren nicht mehr, dafür fahren die Schüler nun auf Pferdefuhrwerken oder reisen in Ochsenkarren. Wie in lange überwunden geglaubten Zeiten, können die Bauern nun anstimmen: Im Märzen der Bauer die Rösslein anspannt, so er sie noch hat.
In seiner Boykottpolitik bedroht die USA Kuba massiv. Die Reisebeschränkungen für US-Bürger wurden verschärft. Ein Verbot von Wirtschafts-Beziehungen mit von der Partei oder dem kubanischen Militär geführten Unternehmen wurde erlassen. Die Überweisungen von Exilkubanern an Familienangehörige auf der Insel sind auf 1.000 Dollar pro Person je Quartal beschränkt. Dieser Rückgang von Deviseneinkommen trifft Kuba sehr hart, wurden doch viele kubanischen Familien aus dem Ausland unterstützt. Von früher sechs Milliarden Dollar kommt nur noch eine Milliarde an.
Die Grundversorgung in Kuba ist heute dramatisch schlecht. Für Wochen gibt es kein Reis, Hühnchen, Seife, Mehl. Sogar Salz fehlt fast ganz. Nun ist es ein Kunststück für eine Insel im Meer, einen Salzmangel zu haben. Braucht man doch nur Meerwasser verdunsten zu lassen. Aber auch das überfordert immer wieder die kubanische Wirtschaft.
War im 2. Weltkrieg in Deutschland die Stadt Ort des Mangels und konnten sich die Bauern auf dem Lande noch besser über Wasser halten, ist es in Kuba umgekehrt. Sorgt die kommunistische Partei noch einigermaßen für die Städte, blutet das Land aus. Weizen, von dem Brot gebacken wird, kommt zu fast 100% aus dem Ausland. Reis wird kaum angebaut, so dass er importiert werden muss. Das Ausland liefert aber nicht, da Kuba keine Devisen zur Bezahlung mehr hat. Das Bruderland Venezuela, das Kuba lange unterstützt hat, nagt selbst am Hungertuch.
Aber Not macht erfinderisch. Aus Malanga, einer Art Kartoffel, wird dann eben Pfannkuchen gebacken. Schmeckt schrecklich, aber stillt den Hunger. Die Zuckerrohrernte ist schon chronisch schlecht. An den Straßen stehen Bauern und versuchen Kränze mit Knoblauch zu verkaufen. Über allem liegt der ranzige Geruch der Misswirtschaft.
Kuba ist zu über 70% abhängig von Nahrungsmittelimporten. Die kollektive Landwirtschaft funktioniert nicht. Kuba, das fruchtbare Böden und mehrere Ernten im Jahr hat, muss Grundnahrungsmittel aus dem Ausland teuer importieren. Da es keine Devisen mehr hat, kann es auch keine Lebensmittel mehr kaufen. Hunger zieht ein im Paradies der Proletarier.
Wird der Kubaner krank und muss ins Krankenhaus, gibt es dort keine Medikamente mehr. Selbst Pflaster und Verbandsmaterial sind nur gegen Dollar-Wucher-Preise zu kaufen. Es gibt zwar immer noch einen Schwarzmarkt für medizinische Produkte. Aber wer keine Dollar hat, ist verloren. Viele Krankenhäuser haben keine Antibiotika mehr, keine Verbände und keine Nähseide, um die Operationsnaht zu schließen. Das heißt, die Operationen werden nur durchgeführt, wenn die Patienten selbst diese Materialien mitbringen können. Wer sich dies nicht leisten kann oder über keine Verbindungen verfügt, bleibt im wahrsten Sinn des Wortes auf der Strecke. Wie in der DDR ist das Organisieren von Mangelware das A und O.
Die Voraussetzung für privates Unternehmertum ist, dass ein Konto mit Mindestdeckung von 400 $ vorhanden ist. Das ist bei einem Durchschnittslohn von 50$ für Normalsterbliche nicht zu schaffen. Heute erledigt sich das Thema: Es gibt weder Touristen noch Material zur Produktion.
Aber es gibt die oberen Tausend der Funktionäre der Kommunistischen Partei. Deren Kinder fahren mit großen BMW und Audis spazieren und das sorgt bei der Bevölkerung für Verbitterung. Die Funktionäre leben in exklusiven Häusern in teuersten Lagen. Die Familie trägt Luxusmarken. Adidas im Original, nicht als billige Kopie. Das sorgt im Arbeiterparadies für aufgebrachte Diskussionen.
Viele Menschen sind es leid, leiden zu müssen. Aber der allgegenwärtige Geheimdienst sorgt dafür, dass Kritik keine größeren Kreise zieht. Die Gesellschaft ist zerfressen, wie weiland die DDR von der Stasi verseucht wurde. Niemand weiß, wer wen ausspioniert.
Die Menschen wissen natürlich, dass es massive Misswirtschaft und Korruption gibt, schließlich tragen sie selbst dazu bei. Aber sie wissen auch, dass viel Mangel der amerikanischen Blockadepolitik zu verdanken ist.
Und die Kubaner wissen, die DDR wurde durch Westdeutschland aufgefangen. Bei einem Systemwechsel in Kuba fängt sie niemand auf. Sie fürchten, dass Kuba dann von den USA einfach aufgekauft wird und sie dann Gäste im eigenen Land sind.
Um an Geld zu kommen, wird die Armee dann ihre Waffen verkaufen, und in Kuba können alle mit Waffen umgehen.
Die Kubaner sind leidensfähig: Viele sagten: Lieber ein Schrecken ohne Ende als ein Ende mit Schrecken. Aber es kocht, die Stimmung dreht sich und viele denken jetzt: Lieber ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende: