Tichys Einblick
Selbstglossade

Das Auswärtige Amt (AA) als Gender-Treibhaus

AA-„Themenmonat August“ fragt Männer: Was verstehen Sie unter „toxische/fürsorgliche“ Männlichkeit? Würden Sie sich als Feminist bezeichnen?

imago images / Steinach

Eigentlich, ja eigentlich möchte man meinen, das renommierteste, vornehmste, solideste Bundesministerium müsste das Auswärtige Amt (AA) sein. Dort gehen Diplomaten (demnächst wohl Diplomat/:_*Innen?) aus und ein, von dort werden Botschafter in 195 Länder der Welt entsandt. Von dort aus werden das deutsche Auslandsschulwesen und qua Kooperationsvertrag die Goethe-Institute koordiniert. Für das Bild Deutschlands in der Welt ist das nicht ohne Belang.

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Möchte man meinen. Im Haus am Werderschen Markt in Berlin scheint man aber andere Hobbys (vulgo: Hirngespinste) zu betreiben. Das Büro der Gleichstellungsbeauftragten des AA hat eine „einjährige Kampagne“ gestartet. Und zwar deshalb: „Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist eine Priorität der deutschen Außenpolitik. Parallel hierzu verfolgt das Auswärtige Amt auch im eigenen Haus das Ziel, Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit zu fördern … Von März 2021 bis März 2022 finden Sie an jedem 8. eines Monats neue Beiträge zum Thema Gleichstellung auf „zeichensetzen.jetzt“ (Laut Impressum herausgegeben von der Gleichstellungsbeauftragten des AA) Siehe www.zeichensetzen.jetzt. Und weiter: „Zwischen März 2021 und März 2022 werden wir an dieser Stelle verschiedene Beiträge zum Thema Gleichstellung veröffentlichen. Dabei wollen wir gemeinsam nachdenken, zuhören, diskutieren, Fragen stellen und vielleicht auch ein paar Antworten finden.“

Und nun kommt’s: Jetzt sind in einem internen Rundschreiben, das TE vorliegt,
„männliche Perspektiven gefragt“ – mit Fristsetzung Freitag, 23. Juli 2021. Es geht um eine „Social-Media-Aktion zu Gleichstellung“.

Wir zitieren wörtlich daraus, dann müssen wir das Rundschreiben nicht glossieren:

„Liebe Kollegen, was verstehen Sie unter den Begriffen toxische/fürsorgliche Männlichkeit? Würden Sie sich als Feminist bezeichnen oder wenn nicht, warum nicht? Wie stellen Sie sich Gleichstellung im Jahr 2050 vor? Was kann Ihnen als Mann eine bessere Gleichstellung bringen? … Ihre Meinungen und Ideen sind gefragt! Wir schätzen selbstverständlich die vielfältigen Perspektiven von weiblichen und nicht-binären Kolleg:innen, wollen aber im Themenmonat August im Rahmen der Kampagne „Zeichen setzen“ speziell männliche Kollegen zu Wort kommen lassen. Wir wollen einen Raum schaffen, Missstände, Wünsche und Hoffnungen in puncto Gleichstellung aus männlichen Perspektiven zu betrachten – denn eine Gesellschaft, in der Gleichstellung Realität ist, kann nur gelingen, wenn sich alle Geschlechter gemeinsam dafür engagieren und es dafür auch sichtbare Vorbilder gibt.

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Einige Antworten möchten wir auf unserem Instagram-Channel @zeichensetzen.jetzt und über den Hausticker veröffentlichen. Dafür wäre es schön, wenn Sie Ihre Antworten auf eine Länge von jeweils 100 bis max. 200 Zeichen inklusive Leerzeichen beschränken – längere Antworten sind auch möglich, wir behalten uns redaktionelle Kürzungen/Änderungen vor … Bitte schicken Sie Ihren Beitrag und ein Foto bis Freitag, 23. Juli an info@zeichensetzen.jetzt“ (Vielleicht sollten sich auch TE-Leser beteiligen!? Denn – wetten dass! – Beiträge werden wohl nur hoch- und karrieremotivierte AA-Streber_*:/Innen einreichen.)

Und weiter im Rundschreiben: „Folgende Stichpunkte können, neben den obigen Fragen, als Anregung dienen …: •  Männliche Rollenbilder/Männlichkeit •  Geschlechtergerechte Sprache •  Vaterschaft •  Vereinbarkeit •  Care Arbeit •  Queeres Leben •  Partnerschaft •  Intersektionalität … Lassen Sie uns gerne wissen, wenn Sie Fragen haben. Mit besten Grüßen – Ihr Gleichstellungsbüro“

Wo der AA-Hase hinlaufen soll, erfahren wir auf „zeichensetzen.jetzt“ dann in einem Interview zur geschlechtergerechten Sprache – geführt mit Prof. Dr. Anatol Stefanowitsch, Linguistikprofessor an der Freien Universität Berlin und Autor des Buches „Eine Frage der Moral – Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“. Stefanowitsch? Das ist der Vorsitzende einer Jury, die alljährlich den Anglizismus des Jahres kürt. Die Wahl der Stefanowitsch-Truppe war 2018 auf das Wort „Gendersternchen“ gefallen. Wirklich! Anglizismus des Jahres!

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In seinem Interview für die Außenamtlichen gibt der Professor für Linguistik (wohlgemerkt am Institut für Englische Philologie!) dann von sich: „Heute leben wir in einer Gesellschaft, in der wir uns im Prinzip einig sind, dass Männer und Frauen gleichwertig sind, und da wir Männer es uns kaum gefallen lassen würden, uns mit weiblichen Formen ansprechen zu lassen, können wir es nicht länger rechtfertigen, das den uns gleichwertigen Frauen zuzumuten. In jüngerer Zeit melden sich nun auch Menschen verstärkt zu Wort, die sich weder als Männer noch als Frauen kategorisieren können oder wollen, und die ebenfalls sprachliche Sichtbarkeit einfordern.“

Wir ersparen uns die Rückfrage, wie es denn ist mit „der“ Löwe, „die“ Giraffe, „das“ Pferd. Nun ja, ein Linguist muss offenbar nicht zwischen biologischem und grammatischem Geschlecht unterscheiden können. Schließlich wurde Stefanowitsch gefragt: „Gendern Sie auch beim Sprechen?“ „Ja,“ ist seine Antwort, „die gesprochene Genderlücke finde ich sehr elegant – es gibt sie schon seit den 1980er Jahren als Aussprache des Binnen-I, sie vereinheitlicht also all die unterschiedlichen orthografischen Formen unter einem lautlichen Dach. Ich verwende allerdings auch oft das generische Femininum, einfach, weil der überwältigende Teil meiner Studierenden weiblich ist.“ Aha!

All diese Glasperlenspiele sind gewiss nach dem Geschmack des obersten (Noch-)AA-Dienstherrn Heiko Maas (SPD). Aber was will er damit erreichen? Will er Spuren hinterlassen? Für den Fall einer schwarz-grünen Koalition nach der Bundestagswahl vom 26. September, wenn ihm im AA eine Annalena Baerbock folgt? Als renommierte „Völkerrechtlerin“ wird sie ja wohl Wichtigeres zu tun haben als zu gendern, zum Beispiel sich zu stählen für Besuche bei Erdogan oder Putin oder Xi Jinping .

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