Man braucht nicht viel Phantasie. Am morgigen Donnerstag treten beide im malerischen Kloster Seeon am Chiemsee vor die Presse. Mit Abstand, was natürlich nur der „Pandemie“ geschuldet ist: „Ich bin der Markus, und das ist der Armin, der Kanzlerkandidat.“ Und zwischen uns passt natürlich kein Blatt Papier. Der Abstand ist aus Anstand, damit sich der Armin nicht ansteckt vom Talfahrts-Virus der CSU. Die steuerte noch nie so wenig zum Wahlsieg bei wie diesmal. Der Markus hat ganze Arbeit geleistet.
Leser mit Blick aufs Wesentliche erinnern sich an die denkwürdige Begegnung des großen CSU-Staatsmanns mit Gretas Klima-Kindergarten auf der Zugspitze, es war Mittwoch, der 4. September 2019 — und von da an war jedem Kundigen klar, wohin die Reise mit Söder geht: „Ich bin der Markus, und das ist der Thorsten, der Umweltminister.“ Und was ihr macht, finde ich toll. Greta! Luisa! Klima! CSU! Opportunismus ist der Tod des Konservativen. Inzwischen kommt die CSU gerade mal auf über 30 Prozent, der tiefste Tiefpunkt in der Geschichte der einst stolzen Volkspartei.
Doch bei dem Steuer-Thema haben die Truppen von „Ich bin der Markus“ ausnahmsweise völlig recht. Denn der Armin hatte doch tatsächlich vergessen, dass sein eigenes Wahlprogramm solche Steuersenkungen verspricht. Sonntag abend präsentierte er der staunenden Öffentlichkeit im ARD-Sommerinterview die Zusage: Mit der Union gebe es „keine Steuererleichterungen im Moment — dazu haben wir nicht das Geld.“ Ach, der Laschet Armin kennt wohl sein eigenes Programm nicht. Oder war da schon der Blütentraum einer Koalition mit dem Habeck Robert im Hinterkopf, der gerade in Klanxbüll Staatstragendes gesagt hat, aber noch nichtmal weiß, was die Pendlerpauschale ist.
Jedenfalls reagierte FDP-Chef Lindner bereits, als noch kaum ein Journalist gemerkt hatte, dass der Armin da gerade ein Kernthema der Union ins Nirvana verlegt hatte. Er schätze Laschet zwar sehr, „aber hier hat er sein eigenes Wahlprogramm zur Makulatur erklärt.“ Irritiert (um es milde zu sagen) zeigte sich auch Friedrich Merz, im „Team Laschet“ der Fachmann für Finanzen. Im DLF stellte er gleich am Montag morgen klar, mit den im Programm versprochenen Entlastungen nicht lange warten zu wollen: „Weltspitze bei der Steuerbelastung und Weltspitze bei der Wettbewerbsfähigkeit, das passt auf Dauer nicht zusammen.“
Mit heeren Worten verspricht das Unions-Programm, das der Armin wohl vergessen hat oder einer künftigen Koalition schon mal opfert: „Wir wollen Familien finanziell stärken.“ Das ist mit den „Elter 1 und Elter 2 -Grünen“ eben nicht zu machen. „Wir werden den Solidaritätszuschlag für alle schrittweise abschaffen und gleichzeitig kleine und mittlere Einkommen bei der Einkommenssteuer entlasten.“ Hart arbeitende Menschen sollten künftig mehr Netto vom Brutto behalten.
Und es wird sogar martialisch, denn die Union will „ein Entfesselungspaket auf den Weg bringen, das Unternehmen von Steuern entlastet.“ Zu deutsch: nach 16 Jahren Unions-Kanzlerschaft sitzt das Unternehmertum also in der Folterkammer des Fiskus und muss von ebendieser CDU, die sie da angekettet hat, befreit werden….. Man löscht also den Brand, den man selbst gelegt hat. Armins Klartext bei der ARD: „In dem Programm steht keine einzige Steuerentlasung drin.“ Annalenas Buch ist ja schließlich auch kein Sachbuch.
Was aber nicht drinsteht im Wahlprogramm zweier Parteien, die das „C“ im Namen tragen: das Thema Lebensschutz. Erstmals in ihrer Geschichte finden CDU und CSU kein einziges Wort zum größten ethischen Skandal eines abendländischen Kulturlandes. Dass ungeborene Kinder ihre Lobby allein im Programm der AfD haben, gehört zu den Tatsachen dieser Wahl.
Das Thema Abtreibung ist alles andere als ein Randthema. Für mich als Christ ist es von zentraler Bedeutung. Da bezahle ich lieber ein paar Euro mehr Steuern. Fast alle namhaften Lebensschützer haben bereits das Partei-Handtuch geworfen in einer Union, die mit der Mogelpackung „christlich“ am 26. September an den Start geht. Man denke nur an den früheren Bundestagsvizepräsidenten Johannes Singhammer (CSU).
Christian Hillgruber, Professor für öffentliches Recht an der Universität Bonn, sieht einen schweren strategischen Fehler der Christdemokratie: „Ihrem Selbstverständnis entsprechend müsste sich die Union als Fürsprecher der ungeborenen Menschen als den Schwächsten und Wehrlosesten hier engagieren, damit das Rechtsbewusstsein nicht noch stärker als bereits geschehen erodiert.“
Doch die „Christen“-Union schweigt. Man hat das einstige Herzensthema der Union schlichtweg vergessen. So wie der Armin, der hier bei TE schon mal als „rheinischer Katholik“ gerühmt wird, nun auch das Steuerthema vergessen hat. Viel Spaß beim Wählen.