Die Städte Berlin und München haben das „Schwarzfahren“ abgeschafft. Sämtliche Plakate, auf denen das Wort „Schwarzfahren“ zu lesen ist, wurden systematisch von der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) entfernt, wie Bild berichtet: Aus der Warnung „Schwarzfahren kostet 60 Euro!“ wurde „Ehrlich fährt am längsten.“ Laut Bild wolle man sich der „zeitgemäßeren Kommunikation“ anpassen, es handele sich dabei um eine Vorsichtsmaßnahme. Mit anderen Worten: Man fürchtet Rassismus-Vorwürfe.
Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) haben das Wort „Schwarzfahren“ schon verbannt, nachdem der Berliner Senat im September vergangenen Jahres ein „Diversity Programm“ beschlossen hatte.
Das Verhalten der MVG zeigt auch, wie sehr sich das Diskursklima in Deutschland verändert hat. Als 2012 der Münchner Linken-Stadtrat Orhan Akman Diskriminierung witterte und den Begriff durch einen „nicht-rassistischen“ ersetzen lassen wollte, reagierte die Verkehrsgesellschaft noch gelassen: „Uns ist nicht bekannt, dass die Bezeichnung Schwarzfahrer, die im Übrigen weder von uns stammt noch ausschließlich von uns genutzt wird, einen rassistischen Hintergrund hätte.“ Heute tilgt sie das Wort schon vorsorglich und ohne Stadtratsinitiative aus ihren Bussen und Bahnen.
Dass das „Schwarz“ in „Schwarzfahren“ irgendetwas mit Menschen dunkler Hautfarbe zu tun habe, ist tatsächlich aus sprachwissenschaftlicher Perspektive abwegig. Die AZ zitierte aus Anlass der Initiative schon vor neun Jahren Stimmen von Sprachwissenschaftlern, die die Rassismusunterstellung als Unsinn auswiesen. Christiane Wanzeck, Linguistin an der Ludwig-Maximilians-Universität, sagte zum Beispiel damals über den Vorstoß des Stadtrats: „Das ist jemand, der keinen Sprachverstand hat!“ Dass „Schwarzfahrer“ ein rassistischer Ausdruck sein soll, hält sie für „sprachlich null haltbar und an den Haaren herbeigezogen“. Einleuchtendes Argument: Die Begriffe Schwarzarbeiter oder Schwarzfahrer haben mit schwarzen Menschen ebenso wenig zu tun wie der Begriff „blinder Passagier“ einen Blinden herabwürdigt.
Der bayrische Vizelandtagspräsident Karl Füller, der auch Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten ist, wies nach der jetzigen Entscheidung der MVG darauf hin, dass „Schwarzfahren“ womöglich aus dem Jiddischen kommt. Auch darüber hatte die AZ schon 2012 berichtet, als der Linguist Eric Fuß von der Universität Leipzig erklärte, dass der Begriff nach weit verbreiteter Auffassung auf den jiddischen Ausdruck „shvarts“ zurückgeht, der nicht nur „schwarz“, sondern auch „Armut“ bedeute: „Schwarzfahrer sind demnach diejenigen, die sich kein Ticket leisten können.“
Konsequenterweise dürfte demnächst auch die Verbannung der Begriffe „Schwarzbrenner“, „Schwarzgeld“, „Schwarzarbeiter“, „Schwarzmarkt“ aus dem öffentlichen Sprachgebrauch folgen. Ob dann im nächsten Schritt auch der „Schwarzwald“, die „Schwarzwurzel“ und das „Schwarzwild“ abgeschafft werden?