Wie dreist die deutsche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angebliche EU-Gaben an Deutschland vermarktet, wurde vor wenigen Wochen deutlich, als sie an der Seite von Angela Merkel, ihrer Chefin in ihrer Zeit als Bundesministerin, in Berlin verkündete: „Die Europäische Kommission hat heute grünes Licht für den deutschen Wiederaufbauplan gegeben. 25,6 Mrd. Euro werden dadurch nach Deutschland fließen.“ Freundliche Worte fand sie für die von der Bundesregierung geplanten Absichten, vor allem in Digitalisierung und nachhaltige Projekte zu investieren. Mehr als die Hälfte der Milliardensumme soll in die Digitalisierung fließen: „Damit liegt Deutschland europaweit an der Spitze“, so von der Leyen.
Michael Rasch, Frankfurter Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung, bringt diese Absurdität in der NZZ auf den Punkt: „Deutschland muss Verwendung eigener Gelder legitimieren.“ Vom ursprünglichen 750-Milliarden-Volumen sind 390 Mrd. als Geschenke, sprich „Zuschüsse“, geplant, die von allen EU-Staaten gemeinsam über den EU-Haushalt finanziert werden. 360 Mrd. sollen als rückzahlbare Kredite im Rahmen unterschiedlicher Programme an die EU-Mitgliedstaaten fließen. Die Kredit-Tilgung erfolgt durch die jeweiligen Empfängerländer. Da Zuschüsse und Kreditrückzahlungsbeträge für die EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich hoch sind und sich gegenseitig zum Teil kompensieren, errechnen sich für das NGEU-Programm insgesamt schuldenfinanzierte Transfers von rund 145 Mrd. Euro. Rasch rechnet vor, dass sich die eigentlichen „Zuschüsse“ (sprich Geschenke) von 390 Mrd. Euro in der Praxis auf Zuschüsse über 145 Mrd. Euro für die Nettoempfänger saldieren, die von den Nettogebern bezahlt werden. 16 Nettoempfänger-Ländern (vor allem Spanien und Italien) stehen 11 Nettozahler-Länder (vor allem Deutschland) gegenüber. Die 145 Mrd. Euro entsprechen weniger als 40 Prozent der Ausgangssumme. Raschs Schlussfolgerung: „Viel ehrlicher und transparenter wäre es, wenn die Geber einfach die 145 Mrd. Euro bereitstellen würden, ohne einen absurd wirkenden Ein- und Auszahlungsmechanismus.“
“Schwerer wiegen jedoch die langfristigen Risiken im Zusammenhang mit der gemeinschaftlichen Kreditaufnahme. Denn der Wiederaufbaufonds höhlt das Prinzip der Eigenverantwortung aus. Zudem eröffnet das bereits beschlossene enorme Garantievolumen den Mitgliedstaaten einen Weg, auf EU-Ebene – unter Umgehung der Fiskalregeln – Schulden aufzunehmen und sich diese Mittel über EU-Programme als Zuschüsse zuzuweisen. Hinzu tritt ein Haftungsregime, das national orientierte Politiken befördern könnte. Insgesamt besteht die Gefahr, dass mit dem Wiederaufbaufonds ein Weg eingeschlagen wird, der die Europäische Union als Rechts- und Solidargemeinschaft schwächen und damit langfristig den Wesenskern sowie die Stabilität der Wirtschafts- und Währungsunion gefährden könnte.“