Tichys Einblick
Die Squadra Azzurra steht

Italiens Nationalmannschaft: Kein Kniefall vor dem Viertelfinale gegen Belgien

Italiens Nationaltrainer Roberto Mancini und seine Spieler haben die Versuche, die Mannschaft politisch zu vereinnahmen, souverän gekontert.

Italiens Nationaltrainer Roberto Mancini während des Spiels gegen Österreich am 26.06.2021

IMAGO / Focus Images

Bei dieser Paneuropäischen Europameisterschaft 2020, wegen der Pandemie aber in diesem ungeraden Jahr ausgetragen, schwärmen alle vom italienischen Fußball. Und das zu Recht, der Trainer „Il Mister“, Roberto Mancini, hat eine schlagfertige Truppe zusammengestellt, in der jeder für jeden rennt und kämpft, und selbst als Auswechselspieler Ruhe gibt. Keine Primadonna ist im Team. Das Kollektiv scheint alles zu sein.

Schaffen es die Azurri bis ins Finale? Nun, das hängt wohl ganz davon ab, inwiefern das Nationalteam Störfeuer und politische Diskussionen von ganz Linksaußen ignorieren kann. Inwiefern sich das Team abschotten und sich voll auf die nächste Aufgabe am kommenden Freitag konzentrieren kann: nämlich das Viertelfinale gegen Belgien.

Schon seit ein paar Tagen rumort es bei allen Teams des Teilnehmerfeldes bei dieser EM: Regenbogenfahnen hier oder dort? Stadionbeleuchtung in allen Farben? Knien für die Black-Lives-Matter-Bewegung? Mal abgestimmt, mal nicht – von wegen, Così fan tutte, alle machen es so? Von wegen, es ist eine halb-freiwillige Entscheidung.

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Vor dem Match gegen Wales (TE berichtete), knieten sich gerade einmal fünf Italiener hin, als so genanntes Zeichen. Der Rest blieb stehen. So weit, so gut? Nein, die Politik, vorneweg der linke Flügel in der Draghi-Großkoalition, angeführt von Enrico Letta, brach eine Diskussion vom Ast. Brutta figura, eine ganz schlechte Figur habe la Nazionale gemacht, befeuerte Letta das Thema, während die anderen, Matteo Salvini von der Lega und Matteo Renzi, Ex-Premier und PD-Genosse (jetzt Italia Viva), die Squadra Azzurra in Schutz nahmen. Politik und solche Instrumentalisierung habe im Fußball nichts verloren.

Nichtsdestotrotz konnte man diese Diskussionen nicht ganz aus dem Team fernhalten. Natürlich beschäftigte man sich intern, und es wurden im Traingslager der Italiener, in der Sportschule Coverciano, Gespräche geführt, um einer einheitlichen Linie zu folgen. Intern war schnell klar, man wolle niemanden unter den Italienern komplett verprellen, und wie gesagt, so wurde kolportiert, die Mannschaftsräte um die erfahrenen Chiellini und Bonucci, waren sich einig, sich eben nicht für diese „Sache“ (BLM) kollektiv hinzuknien, wie es Enrico Letta und andere gefordert hatten.

Der verantwortliche Pressemanager und Sprecher der Squadra Azzurra, Paolo Corbi, wurde auf der Onlineplattform Fanpage.it so zitiert: „Man müsse verstehen, sich nicht hinzuknien, bedeute auch nicht, dass man den Rassismus nicht bekämpfen würde …“

Aber, die Unruhe war da, und obwohl sich fast ganz Italien einen Erfolg ihrer Squadra Azzurra nach einer kargen Zeit wünscht, konnte man den Eindruck gewinnen, dass eben dieses erfolgreiche Team auch noch moralisch instrumentalisiert werden soll(te).

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Man muss sich auch fragen, ob sich manche Journalisten nicht zu schade sind, vom sportlichen Metier ins Politische zu wechseln, und natürlich wurde auch Trainer Mancini, die Ausgeglichenheit in Person, ausgerechnet vor dem Match gegen Österreich befragt, was seine Azzurri wohl tun würden.

Mancini antwortete sibyllinisch, aber man merkte, dass ihm dieses Thema nicht genehm war, dass er „ein Mann der Freiheit, und das schon immer“, ist. Er, als Mister, wie die Trainer in Italien respektvoll genannt werden, sei schließlich hier, um in Ruhe das Match gegen Österreich vorzubereiten, das allein sei seine Aufgabe. Auch eine Aussage mit politischer Ausrichtung! Für la libertá nämlich, für die Freiheit.

Abwehrchef und Juve-Idol Leonardo Bonucci, so gibt ihn das vielegelesene Sportmagazin, Tutto Sport, wieder, hatte seine eigene Meinung, und die decke sich mit der im Team: „Wieso extra hinknien? Wir sind alle anti-rassistisch eingestellt.“

Unterstützung erhielten Italiens Spieler auch von einem Star aus der Italienischen Rugby-Nationalmannschaft. Maxime Mbandá, kongolesischer Herkunft, sagte der italienischen Nachrichtenagentur Ansa: „Um die Welt zu verbessern, braucht man Willenskraft und Engagement,“ und positive Gesten seien zwar willkommen, aber Meinungfreiheit dürfe man nie mit einer Art von Auferlegung, also Zwang, verwechseln. Mbandá weiter, wären alle gleich, wäre es doch auch langweilig. Mache einer einen Kniefall, ohne darüber nachzudenken, wäre das auch völlig falsch.

Noch steht die Mannschaft wacker, und spielt schön. Gegen Österreich drehte die italienische Elf das Match noch in der Verlängerung. Nun will sie sich gegen Belgien in Ruhe vorbereiten, um weiter zu kommen. Eine Verlängerung der Diskussionen außerhalb des Platzes wird es wohl geben, wenn die Squadra ausscheiden würde. Wie auch immer, der linke politische Flügel tut der Squadra momentan einen Bärendienst.

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