Bereits Ende 2019 hatte der Vorstandsvorsitzende von Volkswagen Herbert Diess angekündigt, VW würde ab 2026 keine neuen Verbrenner mehr entwickeln und etwa ab Mitte der 2030-iger auch keine Verbrennerautos mehr bauen.
In der nachfolgenden Corona-Automobil-und Wirtschaftskrise rückte diese Ankündigung aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit, weil es in der Corona-Krise wichtigere Probleme in der Welt gab. Überdies hat inzwischen der erbittertste interne Gegner dieser Diesschen einseitigen Konzentrationsstrategie auf den reinen Elektroantrieb, Konzern-Betriebsratschef Bernd Osterloh, die Seiten gewechselt und eine Vorstandsverantwortung bei der Lkw-Tochter Traton übernommen. Er ist damit aus dem strategischen „Entscheider-Lähmschicht“ ausgeschieden, Diess hatte nunmehr freie Hand, der Weg war also frei für neue Umwelt-Aktivitäten.
Und die kamen. Der VW-Konzern sorgte in den letzten Wochen für Schlagzeilen, die die „alte“ Autowelt der PS und Power tief erschütterten:
➤ Audi steigt beim Verbrennungsmotor aus
➤ VW-Markenchef Brandstätter: „keine neue Verbrenner-Familie“
➤ VW investiert Milliarden in eigene Einheitsbatterie
Hinzu kamen Meldungen aus Brüssel, die den Schmerz eingefleischter „petrol heads“ noch vergrößerten und in Summe für die Zukunft von Verbrennermotoren, dem Stolz deutscher Autoingenieure, das Ende bedeuten würden. So sickerte durch, dass EU-Kommissionär Timmermans die Co2 Emissionen bereits ab 2035 auf null senken will. Das wäre faktisch der Tod des Verbrenners.
Entsprechend geharnischt war die Reaktion von Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA): „Die Überlegungen der EU-Kommission, die sog. Flottengrenzwerte für Neufahrzeuge ab 2035 auf Null zu senken würde die europäische Automobilindustrie faktisch dazu zwingen, nur noch rein batterieelektrische Fahrzeuge auf den Markt zu bringen. Das wäre nicht nur das Ende des Verbrennungsmotors, sondern auch das Ende des Plug-In-Hybrids und ist das Gegenteil von Technologieoffenheit, zu welcher sich die Kommission und ihr Vizepräsident Timmermanns immer bekannt hat.“
Verbrenner-Ausstiegspläne des VW-Konzerns
- Audi
Die VW-Tochter Audi will nach Meldung vom Frühjahr 2021 ab 2026 keine neuen Modelle mit Verbrennungsmotor mehr produzieren. Die existierenden Verbrennermodelle werden als Auslaufmodelle aber weiterhin verkauft. Entsprechende Pläne kündigte Audi- Chef Markus Duesmann Konzernkreisen zu Folge auf einem Führungskräftetreffen an.
Neue Modelle bekommen ab 2026 ausschließlich einen Elektroantrieb. Den Plänen zufolge wird nach den bereits eingeführten Modellen e-tron und e-tron GT als nächstes der Geländewagen Q6 einen Elektroantrieb bekommen. Anschließend sollen der A6, der A4 und der A3 auf Strom umgestellt werden.
Ende Juni legte präzisierte Audi-Chef Duesmann dann die bisherigen Meldungen nochmals, aber anders als vielfach gedacht. Der Ort war gut gewählt. Auf der Berlin Klimakonferenz verkündete Audi-Chef Markus Duesmann offiziell ein End-Datum für den Verbrenner. Der letzte soll 2025 anlaufen, spätestens 2033 soll dann Schluss sein mit dem konventionellen Antrieb.
Allerdings mit einer Ausnahme, wie Duesmann laut Automobilwoche ergänzte: In China könnte der Antrieb weiter im Programm bleiben. In dem Land rechne man auch über 2033 hinaus mit einem anhaltenden Bedarf an Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor, sagte Duesmann. Deshalb könnte es dort dann ein Angebot an Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor aus lokaler Fertigung geben. Auch die konzerninterne Weiterentwicklung von Verbrenner im vermeintlichen Elektro-Paradies China wird nicht dementiert.
Im Rest der Welt dagegen soll der Antrieb bei Audi dann Geschichte sein. Bis 2033 werde man die Produktion der Verbrenner nach und nach auslaufen lassen, so Duesmann. Bereits in vier Jahren und damit sogar noch ein Jahr früher als bisher angenommen werde das letzte neue Modell mit klassischem Antrieb anrollen. Ab 2026 bringe Audi dann nur noch neue Modelle auf den Markt, die rein elektrisch angetrieben werden.
- VW
VW-Chef Herbert Diess hatte bereits 2019 angekündigt, die Entwicklung von Verbrennungsmotoren ab 2026 einzustellen. Seither bereitet man sich bei VW auf das Verbrenner-Ende vor und stellt seine Produktion zunehmend auf E-Mobilität um. So sollen bis 2030 die Hälfte aller verkauften Fahrzeuge vollelektrisch sein. Die Wolfsburger mausern sich dabei zum weltweit größten Tesla-Jäger, und wollen bereits 2021 450.000 elektrifizierte Fahrzeuge verkaufen. Zudem sollen bis Ende des Jahrzehnts sechs Gigafabriken für konzerneigene Batterien in Europa entstehen, um den Akku-Bedarf des Konzerns sicherzustellen.
Bis 2026 können Erfolgsmodelle wie Golf und Passat (mit alten Verbrennern) also neu aufgelegt werden. Bis dann in 2026 mit Trinity ein Elektro- VW auf absolut neuer E-Auto-Plattform (MEB = Modularer Elektro-Baukasten) den Übergang ins E-Zeitalter final besiegelt.
„Aktuell gehe ich nicht davon aus, dass noch einmal eine komplett neue Motorenfamilie an den Start geht“, (VW-Markenchef Ralf Brandstätter ,Automobilwoche„). Stattdessen wolle man die derzeit genutzten Aggregate weiterentwickeln und sie auch auf neue, strengere Abgasnormen wie Euro 7 vorbereiten. Normale Produktzyklen vorausgesetzt gäbe es somit auch 2033 ein Modell von VW, das zumindest auch von einem Verbrenner angetrieben wird – und wenn es Not tut, lässt sich die Bauzeit sicher ein wenig strecken.
Auch Konzernchef Herbert Diess wollte sich jedenfalls auf ein fixes End-Datum für den Verbrenner nicht festlegen. „Der Wechsel zur E-Mobilität erfolgt weltweit unterschiedlich schnell, abhängig von der lokalen Gesetzgebung und der Verfügbarkeit von CO2-freier Primärenergie“, begründete er den Verzicht.
- Porsche
Die VW-Konzerntochter Porsche plant in den nächsten Jahren bis auf die 911-er Reihe aus dem Verbrennungsmotor in Gänze auszusteigen. Vorstandschef Oliver Blume will den Anteil von Elektroautos deutlich steigern. „Bis Ende des Jahrzehnts werden mehr als 80 Prozent unserer Sportwagen elektrisch angetrieben sein – als Hybrid oder vollelektrisch“ (Oliver Blume). Bis 2025 sollen es laut interner Planungen schon die Hälfte der verkauften Wagen einen Elektroantrieb haben. Nur beim legendären Modell 911 wird es weiter Verbrennungsmotoren mit synthetischem Treibstoff geben. Insgesamt will Porsche laut dem Bericht in den nächsten fünf Jahren 15 Milliarden Euro in die Elektromobilität investieren.
- Skoda/Seat
Auf der Grundlage des Modularen Elektro -Baukastens der Konzern-Mutter VW bauen beide Konzern Töchter eine sukzessiven Ausbau ihres Angebotes an elektrifizierten Modellen. Seat hat dazu zusätzlich eine Sub-Marke Cupra gegründet, die ausschließlich E-Autos produziert.
Festlegungen eines fixen Zeitpunktes für einn endgültigen Ausstieg aus dem Verbrenner gibt es bei beiden Konzerntöchtern nicht.
- Ausstiegspläne anderer Hersteller
Die Wellen, die der Stein, den Elon Musk 2010 mit dem innovativen ersten Elektroauto Tesla der Neuzeit in den globalen Autoteich geworfen hat, haben inzwischen die gesamte internationale Autoindustrie erreicht. Überall und bei jedem Hersteller werden Verbrenner auf Elektroantrieb umgerüstete oder neu konzipiert. Angefangen vom neuen Dacia SpringExklusiv zu 9.570 Euro als Billigster, über den E-Smart bis hin zur Luxusklasse mit Jaguar, Bentley und dem 2,5-Tonnen-Daimler EQS oder BMW iX und als Krönung zum Drei-Tonnen-.Elektro-Rolls-Royce Silent Shadow, einem Giganten mit Riesen-Akku über 100 kwh, 670 PS und einer nach oben offenen Preisskala.
Zur Antriebsstrategie der einzelnen Hersteller in Ergänzung selektiv folgende Meldungen:
- BMW will „das grünste E-Auto“ bauen
- Jaguar ab 2025 rein elektrisch, ab 2039 Null-Emissions-Unternehmen
- Volvo ab 2030 nur noch elektrisch
- GM und Ford schwenken auf Elektromobilität ein
- Honda ab 2040 voll elektrisch
- Daimler-Chef Källenius hält CO2-Neutralität vor 2039 für möglich
Aus all diesen Informationen lassen sich in Bezug auf die deutschen Hersteller zwei Schlussfolgerungen ziehen:
- Die deutsche Autoindustrie strebt beim Elektroantrieb nicht nur die gleiche Spitzenstellung an, die sie seit Jahrzehnten beim Verbrenner hat: Spätestens 2023 wird sie diese wieder eingenommen haben, wenn alle Modellplanungen auf der Straße angekommen sind. Von der Jagd auf Tesla ist nirgendwo mehr die Rede.
- Bei keinem Hersteller ist ein endgültiger Ausstieg beim Verbrenner geplant. Niemand verfolgt eine solch rigorose Ausstiegsstrategie wie VW oder Audi. Sowohl BMW wie Daimler betonen stets ihre Technologie-Offenheit für alternative CO2-Minderungsstrategien.
Die Frage ist, welche Konsequenzen die Verbrenner-Ausstiegsstrategie und die Transformation zur E-Mobilität für den VW Konzern hat.
Die einzige sowohl aus global-ökonomischer wie aus automobilmarktspezifischer Sicht richtige Antwort hat BMW CEO Oliver Zipse, aktuell auch Präsident des Brüsseler Automobil-Dach-Verbandes ACEA, gegeben, allerdings ohne Nennung von Ross und Reiter:
Der VW Konzern wird schrumpfen.!
BMW-Chef Zipse hat in einem Interview der Passauer Neuen Presse und des Donaukuriers vor einem „unternehmerischen Schrumpfungskurs“ gewarnt, wenn Autohersteller zu früh aus der Produktion von Verbrennern aussteigen.
Und damit pro domo gleichzeitig die Strategie seines Konzerns verteidigt, langsamer als Wettbewerber Audi aus der Produktion klassischer Verbrennermotoren auszusteigen.
Zipses ökonomisches Hauptargument gegen den Ausstieg ist: „Die wahren Entscheider in unserer Industrie sind die Kunden. Und die sollte man nie aus den Augen verlieren“, sagte der Manager in einem Interview.
Generell herrscht bei allen globalen Herstellern die Meinung vor, dass der Markt für E-Autos etwa die Hälfte des Gesamtmarktvolumens erreichen könnt. Bei BMW beispielsweise sehen die Absatzpläne vor, 2030 die Hälfte der Autos mit rein batterieelektrischem Antrieb zu verkaufen. „Wenn ein Hersteller dann kein Verbrennerangebot mehr hat, dann geht ihm das halbe Marktvolumen verloren, und er befindet sich auf einem unternehmerischen Schrumpfungskurs.“ Zwar werde es in den kommenden 15 Jahren Städte, Regionen und Länder geben, in denen sich der Transformationsprozess zur Elektromobilität vollständig vollziehe. Aber in der Summe der weltweit 140 BMW-Märkte werde das nicht der Fall sein.
Da Volkswagen aufgrund seiner Fokussierung auf die Massensegmente mit Sicherheit in noch mehr Märkten vertreten ist, wiegt dieses Argument besonders schwer.
- Zum einen werden nur die hochentwickelten Industriemärkte auf Dauer den Betrieb und die Infrastruktur von Elektro-Autos ermöglichen können. Der VDA zählt dazu 33 Industrieländer (Tabelle 1.) Das Gros der Entwicklungs- und Schwellenländer konzentriert sich statt auf Elektroautos eher darauf, die täglichen Stromausfälle, die es selbst in Industrieländern nach wie vor gibt, in den Griff zu bekommen. Für Elektromobilität fehlen schlicht die Ressourcen.
- Ach einer aktuellen Statistik des VDA (Tabelle 1) waren in diesen 33 Industrieländern 2020 bei einem globalen Pkw-Bestand von 1,6 Milliarden rd. 10 Millionen elektrifizierte Automobile zugelassen, davon 6,8 Millionen (68 Prozent) als Voll Elektroautos (BEV).
2020 wurden 3.089.221 E-Autos neu zugelassen (Tabelle 2) . Das bedeutet laut VDA einen durchschnittlichen Weltmarktanteil von 4,6 Prozent. (Tabelle 2)
Schlussbemerkungen
Würde der Ausstiegsbeschluß von VW-Chef Diess und Audi Chef Duesmann so radikal umgesetzt wie er gefällt wurde, bedeutete das schlichtweg Schrumpfung der Absatz- und damit Produktionsbasis des Konzerns. Zur Freude der Umweltaktivisten und -beamten, zum Leidwesen der VW Aktionäre.
Aber: Wat den eenen sin Uhl, is den annern sin Nachtigall. Will heißen, was der VW Konzern an Absatz verliert, wächst einem anderen Hersteller zu. It´s the economy, stupid!