Anja Reschke als Leiterin des „Programmbereich Kultur und Dokumentation im NDR Fernsehen“ ist zwar mehrfach mit Preisen ausgezeichnet, allerdings bedeutet „Dokumentation“ und „Fakten“ für sie längst nicht immer, sich an harte Fakten zu halten. In ihrer Podcast-Sendung „Faktenfinder“ ging es jüngst zum einen darum, die Ständige Impfkommission (STIKO) für deren impfkritische Haltung zu kritisieren: Schließlich würden „in anderen Ländern“ doch Kinder und Jugendliche geimpft, nur die STIKO will keine generelle Empfehlung abgeben, heißt es schon im Begleittext zur Youtube-Aufzeichung des Podcast. Im Netz würden „Schauermärchen“ verbreitet.
Und zum anderen geht es auch um FFP2-Masken für Kinder, auch damit beschäftigt sich Anja Reschke gemeinsam mit einer weiteren Redakteurin vom NDR als Gesprächspartnerin und einem selbsternannten Faktenchecker-Blogger aus Österreich (Mimikama).
Ein aufmerksamer TE-Leser hatte die Sendung im Radio gehört und seinen Unmut darüber mitgeteilt. TE hat sich daraufhin Anja Reschkes Vortrag genauer angehört.
Anja Martini, Wissenschaftsjournalistin beim NDR verweist auf Impfungen von Kindern, die außerhalb von Deutschland in den Vereinigten Staaten, Kanada und Israel und „überall in der Welt“ durchgeführt werden. „Und je mehr Kinder geimpft werden in diesen Ländern, je mehr weiß man, ob es vielleicht irgendwann einmal irgendwelche Nebenwirkungen geben kann, die ganz ganz selten vorkommen.“
Aber hat Martini nicht zugehört? Der Einspieler STIKO zuvor sprach von „ein zu 100“, „ganz, ganz selten“ ist das nicht. Die Wissenschaft sei ein „voranschreitender Prozess“ alles, was heute gesagt wird, „kann morgen verbessert werden“, wirft der „Faktenfinder“ aus Österreich noch dazu ein.
Was er allerdings unterschlägt, ist, dass Wissenschaft in der Pandemie eine so noch nie da gewesenen Einfluss auf politische Entscheidungen hat, insbesondere unter den noch einmal verschärften Infektionsschutzgesetzen – dass also auch die Verantwortung der Wissenschaft noch nie so groß war, wie ein Schaden möglich, den falsche Empfehlungen anrichten könnten – ob nun aus Schlamperei, gar aus schnöden monetären Beweggründen oder Eitelkeiten. Oder einfach aus Unkenntnis.
Irgendwann allerdings könnte sich auch der Problem-Leugner – wo massiver Schaden an Menschen und der Gesellschaft angerichtet wurde – schuldig machen, wenn wider besseres Wissen nicht energisch Richtung Politik interveniert wird.
Anja Reschke hat sich dazu in den düsteren Ecken der sozialen Netzwerke umgehört und liest es entsprechend mit höhnischem Unterton vor:
„Ich hab jetzt so Kommentare im Netz gelesen, sehr pathetisch geschrieben: „Man hat ihnen die Luft zum Atmen, das Gesicht, die Freundschaften, die Hobbys, die Bildung, die Nähe zu den Großeltern, das Leben genommen.“
Der selbsternannte Faktenchecker meint dazu hilfreich, das seien Emotionen, die da erschaffen werden sollen. Was nicht einer gewissen Ironie entbehrt, bedenkt man, wie emotionsgeladen Reschke zuvor vorgelesen hat. Man kann also Aussagen durchaus auch mit Emotionen der negativen Art aufladen (wollen).
Reschke legt noch nach: Sie macht sich lustig über die Behauptung einer „millionenfachen Traumatisierung von Kindern“ oder „von einer Masse an gebrochenen und gequälten Kindern“. Aber auf der anderen Seite hätten, legt sie kleinlaut nach, schon Kinderärzte von Problemen bei Kindern gesprochen.
Warum diese Fachleute dann nicht anstelle der zitierten Kommentare aus Facebook zitiert werden, ist Teil des Mysteriums dieser sich anmaßend „Faktenfinder“ nennenden Podcast-Sendung. Denn sollten hier ernsthaft Fakten gesucht werden, dann geht das freilich ganz anders.
Was hier passiert, ist die schon leidlich bekannte spezielle Auswahl bestimmter Stimmen, die, entsprechend unempathisch und unernst vorgetragen, ernstzunehmende Fachkritik an der Regierungsarbeit übertönen sollen schon in der Auswahl der Gesprächspartner. Kritik an der Regierungspolitik wird so erfolgreich diskreditiert.
Um infrage zu stellen, über was Reschke da so verächtlich die Nase rümpft, sei das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) zitiert, das noch im Januar unter der Überschrift „Experten raten bei Kindern vom Tragen einer FFP2-Maske ab“ schreibt: „Kinder- und Jugendärzte sowie der Kinderschutzbund empfehlen OP-Masken für Kinder und raten in jungen Jahren vom Tragen einer FFP2-Maske ab.“
Aber weiter bei Reschke im Faktenfinder-Podcast. Dort dreht die NDR-Kollegin von Reschke den Spieß gleich mal um: Was etwas mit den Kindern im negativen Sinn „machen“ würde, sei die Situation, dass „Vater und Mutter im Home-Office“ sind. „Das alles wird aber erst in den kommenden Wochen und Monaten weiter untersucht werden“, sagt Redakteurin Martini so, als gäbe es die Corona-Maßnahmen erst seit vorgestern.
Und weil auch Martini bestätigt, dass da etwas ist, dass Kinder Schaden genommen haben könnten, macht es Reschke, wie sie es bei den Öffentlich-Rechtlichen gelernt hat, wo es darum geht, Regierungspolitik zu verteidigen. Sie torpediert das zarte Pflänzchen Kritik gleich mal mit der schlimmsten Falschmeldung, die sie findet: „Aber von Triage in Kinderpsychatrien kann jetzt keine Rede sein“, sagt Reschke.
Blöd nur, dass diese „Triage“-Befürchtung nicht aus dem Düsternetz kommt, sondern direkt vom ZDF und ausgerechnet noch aus einer aktuelleren Sendung oder aus einer Maiausgabe 2021 der Ärztezeitung, wo der Sprecher des Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) zitiert wird, der die dringende Warnung ausspricht:
„Es gibt psychiatrische Erkrankungen in einem Ausmaß, wie wir es noch nie erlebt haben. Die Kinder- und Jugendpsychiatrien sind voll, dort findet eine Triage statt. Wer nicht suizidgefährdet ist und ’nur‘ eine Depression hat, wird gar nicht mehr aufgenommen.“
Das alles interessiert Anja Jeschke nicht aus dem offensichtlich einfachen Grund, weil es nicht dafür taugt, ihre These zu stützen, dass Eltern – ja was eigentlich? – sich bloß nicht so anstellen sollen, wenn es um ihre Kinder geht.
Und weil Eltern ja, wie Frau Martini schon festgestellt hatte, eher stören bei der Durchimpfung, fragt Reschke gleich mal nach, ob sich Jugendliche nicht einfach ohne die Zustimmung ihrer Eltern impfen lassen könnten. Ein Wunder fast, dass Reschke hier nicht fragt, ob die Kita das nicht auch gleich ohne Zustimmung der Eltern übernehmen könnte.
Frau Martini empfiehlt den Jugendlichen den Gang zum Kinderarzt, an den sollten sie sich dann wenden, der könnte das abwägen. Der Arzt könnte am Ende über die Eltern hinweg entscheiden, dass Kinder (Sie sagt hier nicht „Jugendliche“) geimpft werden dürfen – auch gegen den Willen der Eltern.
Für viele vielleicht eine Überraschung: Arzt und Kind haben tatsächlich die Möglichkeit, eine Impfung über eine ablehnende Haltung der Eltern hinweg vorzunehmen, wie beispielsweise der MDR recherchiert haben will :
Kommt der „Minderjährige zur Ärztin und bittet um die Corona-Impfung“, heißt es da, „muss sich diese ein Bild davon machen, wen sie vor sich hat und ob der junge Patient intellektuell und emotional in der Lage ist, die Bedeutung und eventuelle Folgen der Impfung zu verstehen.“
Aber bereits 13-Jährige könnten sich so theoretisch ohne Zustimmung der Eltern impfen lassen, stellt der Berliner Medizinrechtler Martin Stellpflug im Gespräch mit dem MDR ergänzend fest: „Eine 13-Jährige könne aber durchaus einwilligungsfähig sein, was die Impfung angeht.“
Demgegenüber sagt Anja Martini im Podcast bei Reschke, bei einem 14-Jährigen könnte es schwierig werden, bei einem 16-Jährigen „könnte es ein bisschen einfacher werden“ aber grundsätzlich sei die Zustimmung der Eltern notwendig. Aber bevor Kinder überhaupt beim Arzt sagen können, „ich möchte bitte geimpft werden“, so Martini, wird es wohl noch etwas dauern, schlicht deshalb, weil der Impfstoff nach wie vor knapp wäre.
Und Reschke fragt weiter, was denn eine Jugendliche zu Hause machen soll: „Und dann fragt man sich, wie soll sie denn zu Hause reagieren, also das Thema zu Hause aussparen? Oder Fakten dagegen halten?“ Das Szenario ist für Reschke ganz klar: Hier das öffentlich-rechtlich gebildete Kind, dort die bösen Eltern, die ihren Hass und ihre Hetze aus den sozialen Medien saugen wie Vampire. Blöd nur, das Kinder und Jugendliche jene Gruppe sind, mit der geringsten Bereitschaft zum ÖR-Konsum.
„Soll sie diskutieren oder es sein lassen?“, fragt Reschke den Kollegen aus Österreich. Der antwortet: „Ganz klar, jemanden finden, der helfen kann. Es gibt Stellen für Jugendliche, ganz bestimmte Ansprechpartner.“ Und diese „Anprechpartner“, so der Mimikama-Blogger weiter, sollen das „Gespräch begleiten.“ Es ist unfassbar aber wahr, was da den Kindern gegen die eigenen Eltern empfohlen wird: „Sektenbeauftragte sind da nicht ganz verkehrt. Denn die Mechanismen von Verschwörungsmythen gleichen denen von Sekten.“
Angesichts solcher Aussagen muss man sich vielleicht doch nicht so sehr wundern, dass in den sozialen Medien „verschwörungstheoretisch“ verbreitet wird, nicht impfbereiten Eltern sollten die Kinder weggenommen werden.
Und weiter: „Wenn ich mich wirklich impfen lassen möchte und das ist meine Überzeugung und ich bin jetzt wirklich 15, 16 Jahre alt, dann komme ich alleine nicht gegen meine Eltern an.“ Weil der hier Erzählende aber offenbar merkt, was für eine familienfeindliche Ansage das ist – noch dazu eine, die an düstere Epochen denken lässt, als Eltern vor ihren Kindern nicht mehr den Mund aufzumachen wagten, schiebt der Mimikama-Blogger nach: „Wir wollen ja nicht, dass Familien an so einem Thema zerbrechen.“
Also noch mal zusammengefasst, was da in einer Sendung, die sich ausgerechnet „Faktenfinder“ nennt, empfohlen wird: Externe sollen helfen, Sektenbeauftragte gegen impfkritische Eltern. Gegen Eltern, die sich beispielsweise an der Haltung der ständigen Impfkommission orientieren.