Rezo ist das Sinnbild für die Blödheit der Generation Z – schließlich ist er ihr selbsternannter Vertreter. Oder? Das glauben nur Linke jenseits der 50.
Ich vermeide es eigentlich immer, über den blauen Papageien im Raum zu sprechen. Allerdings wird an meiner Generation dank ihm aktuell Rufmord begangen, daher sehe ich mich sozusagen gezwungen, die „Generation Z“ zu verteidigen. Erstmal zu den Hintergründen. Dieses Jahr ist Superwahljahr und deswegen haben der Journalist Tilo Jung sowie Rezo gedacht, sie könnten zusammen mit ZEIT Online ja ein Kanzlertriell veranstalten. Ja, der Typ der behauptet, die DDR sei rechtsextrem gewesen, und der andere, der sich selbst als der Zerstörer der CDU sieht, wollen zusammen ganz objektiv den Raum für eine faire Debatte bieten – Annalena wird sich auf hammerharte Fragen gefasst machen müssen, für ihre Verhältnisse sind allerdings auch alle Fragen hammerhart. Nur leider wird es dazu nicht kommen, denn Laschet will – aus wirklich unerfindlichen Gründen – nicht kommen.
Stellen wir uns die Szene mal vor. Da sagt Laschet etwas, Rezo tickt komplett aus und brüllt und quietscht herum, dass das ja falsch sei. Und das mit dem Austicken und Brüllen ist kein Auswuchs meiner Vorstellungskraft oder eine Übertreibung. Es geht im Internet gerade ein Ausschnitt aus einem von Rezos Videos um, in dem er genau das tut. Er spielt einen Videoausschnitt ab, in dem Laschet eine Rede über das Corona-Virus hält und die Saisonalität des Corona-Virus anspricht. Rezo bricht das Video ab und brüllt in einem künstlich theatralischen Wutausbruch, was der blöde Laschet da für Fake-News verbreitet. In einem Ton, mit dem den Zuschauern klar werden soll, dass nur ein dämlicher populistischer Clown mit geistiger Behinderung so etwas Dummes sagen würde, wie Laschet es gerade getan hat.
Blöd nur, dass mittlerweile selbst Lauterbach bestätigt, dass es durchaus einen Saisonalitätseffekt gibt. Also, auf welche Harwääärt-Studie beruft Rezo sich bei seinem Vorwurf? Oder hat der YouTube-Abklatsch von Jan Böhmermann etwa eigene Forschung betrieben? „Die Modellierungen waren eindeutig“ sagt er jedenfalls. Na dann.
Ironischerweise ist es Rezo, der hier dreist Fake-News verbreitet, während er das einem anderen vorwirft. Nur, wer will das korrigieren? Selbst wenn Laschet ein offizielles Statement abgibt, wird das doch nicht die erreichen, die diese Lüge geschluckt haben. Es ist weder verwerflich, dass Laschet sich für so einen Zirkus nicht hergeben will, noch ist es auf irgendeine Weise überraschend, das sollte selbst Rezo klar sein. Ist es nur leider nicht. Nein, stattdessen wird er jetzt vorwurfsvoll: „Wenn man sich für diese Generation nicht mal einen Abend frei nimmt, im ganzen Wahlkampf, dann, glaube ich, ist das ein schlechtes Zeichen“, sagt er. WDR & Co. verbreiten das Zitat eilig über alle Kanäle.
Na Mensch, jetzt hat Laschet eine ganze Generation verraten, nur weil er mit Rezo (mindestens 28) und Tilo Jung (35) nichts zu tun haben will? Das ganze Theater hat jetzt eine große Debatte losgetreten. Mit den einen, die Laschet in Schutz nehmen und denen, die den Hashtag #laschetkneift auf Twitter trenden lassen. Letztere sehen Rezo jetzt als „den Vertreter der jungen Generation“. Dabei haben sich viele aus meiner Generation persönlich beleidigt gefühlt – ich nicht zuletzt. Und diese Beleidung kann ich nun wirklich nicht auf mir sitzen lassen. Lustig an der Sache: immer wenn ein junger Mensch diese Meinung in den sozialen Medien kundtat, brach daraufhin ein Shitstorm von Rezo-Fans über ihn herein – von hauptsächlich alten (oder älteren) Leuten.
Welche Generation vertritt Rezo?
Ist es tatsächlich meine, oder doch die der 68er, die jetzt im Umweltaktivismus der jungen Generation ihren zweiten Frühling erleben? Eins weiß ich sicher: zumindest die über 18-Jährigen (also die jüngsten Wahlberechtigten), finden Rezo meist zum Fremdschämen.
Er ist mit seinen 28 Jahren ein erwachsener Mann, aber er redet wie ein 13-Jähriger, der zum ersten Mal Rap gehört hat und jetzt versucht, möglichst viele Anglizismen in einen Satz zu bringen. Es ist noch nicht so lange her, dass ich 13 Jahre alt war und ich weiß, dass die meisten 13-Jährigen entweder nie dieses sprachliche „Ja lol ey“-Level erreicht haben oder innerhalb von Wochen wieder rausgewachsen sind. Rezo spricht künstlich so, wie er spricht, weil er glaubt, so bei seiner Zuschauerschaft zu landen – jedenfalls hoffe ich das für ihn. Auch wenn es aus seiner Szene durchaus erfolgreiche YouTuber mit einer überschneidenden Community gibt, die nicht sprechen, wie ein Viertklässler nach einer Überdosis Coca-Cola. Auch blau gefärbte Haare und pseudopubertäres Gehabe machen einen fast 30-Jährigen noch nicht zur Stimme der Jugend.
Welche Gesellschaft will Rezo abbilden? Er konnte mit seiner „Zerstörung“ der CDU schon offensichtlich nicht die Mehrheit meiner Generation überzeugen, warum also sollte sein Beitrag in der Kanzlerfrage von Bedeutung sein? Klar kann man meiner Generation viel vorwerfen. Aber so dumm ist wirklich keiner. Auch die meisten von uns schaffen es nicht, ein politisches Video von Rezo zu Ende zu schauen, ohne ihren Bildschirm zu demolieren. Die restlichen Klicks stammen von Schaulustigen und den armen Praktikanten bei der Zeit, die sich die Videos aus beruflichen Gründen angucken müssen. Volle Solidarität übrigens.
Anzeige
Wenn Ihnen unser Artikel gefallen hat: Unterstützen Sie diese Form des Journalismus. Unterstützen