Tichys Einblick
SEK-Beamte packen aus

Wie Polizisten von ihrem CDU-Innenminister gejagt und verleumdet werden

In Frankfurt wird das Spezialeinsatzkommando der Polizei (SEK) aufgelöst - wegen angeblicher rechtsradikaler Umtriebe. TE sprach mit  Betroffenen, die jetzt auch von Medien gejagt werden.

12.11.2020: Beamte eines Höheninterventionsteams (HIT) des SEK Frankfurt bereiten sich auf ihren Einsatz vor. In Dannenrod wird der Wald für die geplante A-49 gerodet.

picture alliance/dpa | Boris Roessler

Die Nachricht ging Anfang Juni durch die Medien. Die Tagesschau meldete: „Nach dem Bekanntwerden rechtsextremer Polizistenchats wird das Spezialeinsatzkommando (SEK) in Frankfurt am Main aufgelöst. Das „inakzeptable Fehlverhalten“ mehrerer Mitarbeiter mache die Auflösung „unumgänglich“, sagte Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU). „Für mich steht unabhängig vom Ausgang der Ermittlungen fest, dass keine dieser Personen mehr für eine hessische Spezialeinheit tätig werden wird“, sagte Beuth. Wo es rechtlich möglich sei, würden die Beschuldigten aus der hessischen Polizei „entfernt“. Ein solches Fehlverhalten werde er „niemals“ dulden. Denn die aufgedeckten Chats ließen bei einigen Mitarbeitern des SEK auf eine „abgestumpfte, diskrimierende Haltung und teils rechtsextreme Gesinnung“ schließen, so Beuth. Die in der Vergangenheit angemahnte Fehlerkultur habe in Teilen des Frankfurter SEK „vollkommen versagt“.

Eine Formulierung lässt aufhorchen: „Für mich steht unabhängig vom Ausgang der Ermittlungen fest…“, sagt Beuth. Im Rechtsstaat gilt die Unschuldsvermutung. Gilt sie für Beamte nicht mehr? Folgt man seinen Worten, dann hat Beuth eine eigene Agenda, unabhängig von den Ereignissen. Tatsachen bestätigen dies.

Verdacht vom SPIEGEL

Auch der Spiegel wusste von „Rechtsextreme Nachrichten in der Polizei“.
Trotz des großen Medienaufgebots, die Faktenlage blieb dünn. Wir zitieren den Spiegel. „Das Bild eines verstorbenen Kollegen war »überlebensgroß«, so berichten es Augenzeugen dem SPIEGEL. Ein Beamter des Frankfurter SEK, Deckname »Junior«, der 2019 im Einsatz ums Leben kam, sollte mit dem Portrait in den Einsatzräumen offenbar posthum geehrt werden. Das Foto des Verstorbenen sei so prominent am Ende eines Ganges platziert worden, dass es jedem ins Auge gefallen sei, der die besonders gesicherten SEK-Räume im Polizeipräsidium in Frankfurt am Main betrat.“

Und mehr noch: „Die SEK-Leute hätten davor eine Stange für Klimmzüge angebracht. Wer dort vorbeiging, sollte Übungen zu Ehren des toten Kameraden ausführen. Das sei eine Art Ritual gewesen, heißt es.“

Es ist eine freie Erfindung. Mehrere Zeugen bestätigen, dass es sich eben nicht um „Junior“ handelt, sondern gewissermaßen ein amtliches Bild darstellt; es zeigt einen Beamten anläßlich der Jubiläumsfeier zum 40. Jahrestag des Bestehens des SEK. Damals wurde gegrillt und die Leistungsfähigkeit des SEK stolz zur Schau gestellt. Aber es passt ins Klischee der schießwütigen Soldateska. Alles wird benutzt, was hilfreich scheint. So dräut es in der lokal eigentlich gut verankerten Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: „Jeder, der dort vorbeikam, machte Klimmzüge – zu Ehren des toten Kollegen“.

Der Spiegel weiter: „Zuvor war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft gegen 18 aktive und zwei frühere SEK-Beamte ermittelt, die Chatgruppen angehört haben sollen, in denen wohl auch rechtsextreme Inhalte geteilt wurden. Drei der Beschuldigten sind Vorgesetzte, die sich zwar nicht selbst aktiv daran beteiligt, aber davon gewusst und nichts dagegen unternommen haben sollen. 

Verurteilung durch Dienstherren und Politik

Die Ermittlungen, deren Folgen unabhängig vom Ergebnis feststehen, gehen zurück auf einen 38-jährigen SEK-Beamten, dem der Besitz und die Verbreitung kinderpornografischen Materials vorgeworfen wird. Bei der Durchsuchung stießen Staatsanwaltschaft und hessisches Landeskriminalamt auf sieben Chatgruppen mit teilweise rechtswidrigen Inhalten, in denen insgesamt 49 hessische Polizisten und sieben weitere Teilnehmer angemeldet waren, so behauptet Beuth. Bei 24 Chat-Teilnehmern habe sich bislang »keine Vorwurfslage« ergeben, so Beuth.
Mittlerweile wurden sämtliche SEK-Beamte aus Frankfurt am Main abgezogen und in eine Unterkunft der hessischen Bereitschaftspolizei in Wiesbaden versetzt. Auslöser dafür war eine Besichtigung der Diensträume im Frankfurter Polizeipräsidium. Was er dort gesehen habe, zeuge nicht nur von einer befremdlichen Trauerkultur, sagt auch der Wiesbadener Polizeipräsident Stefan Müller, der jetzt für eine »Neustrukturierung« der Einheit sorgen soll.

Auch der Frankfurter Polizeipräsident Gerhard Bereswill, in dessen Verantwortungsbereich das SEK bis vor wenigen Tagen arbeitete, spricht von einer »Glorifizierung und Selbstbeweihräucherung« der Truppe, die ihm unangemessen erscheine. Die Diensträume des SEK seien innerhalb des Polizeipräsidiums abgeschottet und nicht für jedermann zugänglich gewesen. Immer wieder gerne wiederholt: Die SEK-Männer hätten dort Waffen und Ausrüstungsgegenstände gelagert, aber auch nach Einsätzen »Wäsche getrocknet« oder »Schuhe zum Ausdampfen hingestellt«.

Die FAZ hat ebenfalls ihr Urteil schon geschrieben: „Diese Räume also, in denen die Elitepolizisten auch ihre Ausrüstungsgegenstände und Waffen lagerten, nach den Einsätzen Wäsche trockneten und Schuhe zum Ausdampfen hinstellten, waren „quasi das Nest“, wie es Polizeiforscher Rafael Lehr formuliert. Als er die Räume am vergangenen Wochenende inspizierte, sei ihm allerdings nichts aufgefallen, was explizit auf Ausländerfeindlichkeit oder Rechtsextremismus hinweisen würde“, sagte Bereswill. Für die FAZ allerdings steht fest: „Muckibude von Rechtsextremen.“

Die Sicht der Betroffenen

TE hat mit mehreren Betroffenen gesprochen – als bislang einziges Medium.
Fakt ist: Das SEK wird nach einem Erlass des Innenministeriums eingesetzt, wenn Polizisten auf Organisierte Kriminalität stoßen, Schusswaffen eingesetzt werden oder eine besondere Bedrohungslage festgestellt wird. Dann geht es um Schnelligkeit. Deshalb gibt es in den Einsatzräumen spezielle Waffenkammern, um das schnelle Ausrücken des SEK zu ermöglichen. Wenn im Spiegel und anderswo von „abgeschotteten Räumen“ berichtet und damit suggeriert wird, eine geheimnisvolle Zelle habe sich organisiert, geht das an einfachsten Fakten vorbei. „Denn das ist Vorschrift“, wundert sich einer der betroffenen SEK-Beamten, mit denen TE sprechen konnte. „Sollen wir die Waffen offen herumliegen lassen?“ Tatsächlich gibt es keinen bekannten Fall, der auf Waffendiebstahl oder Munitionsschwund hinweist oder sonstigen unkorrekten Umgang. Auch an anderen Details zeigt sich, was der Truppe vorgeworfen wird: „Schuhe und Socken ausdampfen“ wird ihnen vorgeworfen: Über 40 Kilo wiegt die Ausrüstung eines SEK-Mannes im Einsatz; mit Spezialgerät noch mehr. „Sollen wir in Badelatschen auf Mitglieder der Organisierten Kriminalität oder auf Angreifer zugehen, die mit der AK 47 bewaffnet sind?“, will einer wissen, der deswegen jetzt um seinen Beruf fürchten muss.

Von der Kita zur Geiselnahme

Wenig Verständnis zeigen Hessens Innenminister und der Polizeipräsident für die Notlage des SEK. Ein Beamter schildert TE eine typische „Einsatzlage“:
„Du bist auf dem Weg zur Kita, willst Deine Tochter abholen. Aber DU wirst abgeholt, vom Hubschrauber wegen einer Geiselnahme. Irgendwie versuchst Du zwischen Einsatzvorbereitung noch Deine Frau zu verständigen, dass es wieder nicht geht mit der kleinen Andrea und der Kita. Es gibt familiären Krach. Am Einsatzort bist Du der Erste, der durch die Tür muss. Das heißt: Jetzt kann die Kugel Dich treffen und töten. Du stürmst einen großen, unübersichtlichen, zerklüfteten Raum voller Regale und das sind alles Verstecke, aus deren Schutz heraus Du angeschossen werden kannst Kollegen geben Dir Deckung. Absprachen sind nicht möglich. Du musst darauf vertrauen, dass sie das Richtige tun, ihr eigenes Leben für Dich hinhalten. Tür für Tür stößt Du im Gebäude auf. Hinter jeder Tür kann der mit der Kalaschnikow auf Dich lauern, und den Feuerstoß überlebst Du nicht. Tür für Tür. Es kann eine Sprengfalle sein. Es geht um Geiselnahme. Du weißt es nicht, was auf dich wartet. Irgendwo siehst Du den Angreifer. Du bist schneller mit der Waffe. Es hätte auch anders ausgehen können. Der Beamte, der schnell genug ist um zu überleben, weiß: Jetzt kommt ein Strafverfahren wegen Totschlags. Streß und Angst verstärken sich, kommen immer wieder, wenn die Ermittler Dich als Verbrecher behandeln und Du Dein Handeln immer und immer wieder rechtfertigen musst – obwohl Du da hinbefohlen wurdest, bist Du der Sündenbock. Spätestens dann fragst Du Dich: Ist das alles richtig?“

Kameraden machen sich verdächtig

In den SEKs herrscht Korpsgeist. Die Kollegen sprechen voneinander als „Kameraden“. Schon das macht sie verdächtig. Aber sie sind auf Tod und Leben miteinander verbunden, müssen sich blind verstehen. Die Einsatzführer wissen das. Der Teamgeist wird durch Ausflüge gefördert. In der Wirtschaft nennt man es „Team Entwicklungstraining“, wenn sich Angehörige des mittleren Managements gemeinsam auf Kanu-Tour begeben oder gemeinsam Holz hacken. Bei Polizisten nennt man es anders, neuerdings: Der Frankfurter Polizeipräsident Gerhard Bereswill, in dessen Verantwortungsbereich das SEK bis vor wenigen Tagen arbeitete, spricht von einer »Glorifizierung und Selbstbeweihräucherung« der Truppe, die ihm unangemessen erscheine. Tatsächlich unterstützen die Beamten einander. Die Familien treffen sich, die Frauen, die Kinder. Gemeinsam wird der Druck verarbeitet, beim Grillen die Todesangst weggeredet. Immer im Bewusstsein, dass ein Anruf kommen kann und der Hubschrauber zum Einsatzort schon aufsteigt.
Und so betrauert das SEK Frankfurt den Tod eines ihrer älteren Kollegen. Im Juni 2019 Anfang Juni hat das SEK vier Männer im Visier, die in den Fressnapf-Markt in Wächtersbach einsteigen und versuchen, den Tresor zu knacken. Die Polizei ist den Tätern allerdings bereits seit Tagen auf der Spur, zwei von ihnen können vor Ort festgenommen werden, den anderen beiden gelingt die Flucht. Bei der Verfolgung wird ein Polizeibeamter eines Spezialeinsatzkommandos von einem Güterzug erfasst und tödlich verletzt.

Ein Kamerad kommt um

Der Beamte war 44 Jahre alt, wäre wenige Wochen später 45 geworden. Er war einer der Erfahrensten im Team, hat die Jüngeren ausgebildet, Anfänger als Mentor betreut. Er hinterläßt eine Frau und eine Tochter. Die Kameraden kümmern sich um die Familie, versorgen sie mit Unterstützung, schenken ihr ein Indoor-Bike, das Leben muss weitergehen. Sie erhalten die Kraftsportgeräte des Getöteten, die Witwe will sie nicht mehr im Haus haben. Eine Stange für Klimmzüge installieren sie in den Diensträumen; das tägliche Krafttraining kommt ohnehin zu kurz. „Niemand wurde gezwungen, hier Klimmzüge für den Verstorbenen zu machen“, sagt ein anderer Beamter zu TE. „Aber sein Tod ist uns nahe gegangen. Es kann jeden von uns treffen, jederzeit“.

Der politische und  persönliche Angriff trifft aber die Einheit aus einer ganz anderen Perspektive. Ein Beamter soll kinderpornographisches Material verbreitet haben. Bislang gibt es kein Gerichtsurteil, nur einen Verdacht und eine seit vier Jahren laufende Untersuchung. Trotzdem: Die Polizeiführung nimmt das zum Anlass, alle Handys und Chatgruppen sämtlicher Mitglieder zu durchleuchten. Es kommt das zu Tage, was Innenminister Beuth „teilweise rechtsextrem“ nennt: Bei der Durchsuchung stießen Staatsanwaltschaft und hessisches Landeskriminalamt auf sieben Chatgruppen mit angeblichen teilweise rechtswidrigen Inhalten, in denen insgesamt 49 hessische Polizisten und sieben weitere Teilnehmer angemeldet waren. Bei 24 Chat-Teilnehmern habe sich bislang »keine Vorwurfslage« ergeben, so Beuth. Es ist eine Hexenjagd, die nichts mit dem Vorwurf der Kinderpronographie zu tun hat, sondern von diesem Einzelfall ausgeweitet wurde. Dieser Fall wird nur benutzt, um das gesamte Team öffentlich zu denunzieren, Datenträger, Laptops, und Handys auszuwerten.

Vorwürfe, die keine sind

TE konnte die Dokumente der Tatvorwürfe zum großen Teil einsehen. Wir werden sie nicht veröffentlichen. Die Ermittlungen gelten als „Dienstgeheimnisse“. Würden Zitate rückverfolgt wäre die „Entfernung aus dem Beamterverhältnis nach hessischen Disziplinargesetz“ die Konsequenz, die materielle Vernichtung würde auf die soziale folgen.

Einige Beispiele müssen genügen. So sprechen mehrere Beamte in den Chats von „Zigeunern“, gelegentlich von „Sinti und Roma“, oder verwenden andere Begriffe zur Kennzeichnung wie „Nafris“. Das ist eine Abkürzung für „Nordafrikanische Intensivtäter“. So wurden Täter von der Kölner Polizei noch in einem Tweet im Zusammenhang mit den sexuellen Übergriffen auf rund 650 Frauen in der Kölner Silvesternacht von 2016 benannt; erst danach wurde jede gängige Gruppenbezeichnung als angebliches „Racial Profiling“ strikt untersagt; „Mann“ ist die letzte erlaubte konkrete Täterbeschreibung. Die von Beuth zitierten angeblichen rechtsextremen Zitate aber sind alle älter als vier Jahre und stammen aus der aufgewühlten Zeit nach den Kölner Übergriffen.

Jetzt werden derartige Begriffe, mit denen auch die Frankfurter SEK-Beamten operierten, zum Ende der Karriere. So heißt es in den Schreiben des Innenministeriums, mit denen Disziplinarverfahren, Bestrafung und im Extremfall Hausdurchsuchungen bei den Beamten begründet werden: Die damalige Wortwahl sei menschenverachtend, sie rufe berechtigte Zweifel an der demokratischen Gesinnung und Neutralität der Beamten hervor. Beamte, die derartige Begriffe verwenden würden, seien für den Dienst ungeeignet. Sie würden auf mangelnde „Fairness“ hinweisen. Die Begriffe seien Beweis für rassistisches Gedankengut, das mit dem Dienst unvereinbar sei. Keine Gedanken werden darauf verwandt, wie im Stakkato des Geschehens schnelle Verständigung möglich sein soll, wenn unter Druck eine Täterbeschreibung erfolgen muss.

Es gibt auch härtere Begriffe in den Chatverläufen, wenn sie sich auf rein private Vorkommnisse beziehen. Einer beklagt sich über lange Verspätung einer Rückantwort der Behörde eines afrikanischen Landes. Was erwartest Du auch von so einem Deppenland?“, antwortet einer. Das wird jetzt zu seiner Entlassung führen. Es wurden damals von den Beamten privat Internet-Motive verschickt, wie sie heute durch alle sozialen Medien geistern. Manche kann man lustig finden; die Grenzen zum guten Geschmack sind fließend, gelegentlich auch überschritten. Es sind oft grobe Scherze einer Männergesellschaft. Wer die neuen Maßstäbe der Political Correctness anlegt, mag daraus den Beamten einen Strick drehen – und genau das erfolgt jetzt auf dienstrechtlicher Basis. TE ist aber kein eindeutig rechtsradikales, rechtsextremes oder gar nazistisches Motiv unter den Tatvorwürfen bekannt geworden. Wir verfügen nicht über die komplette Akteneinsicht. Aber wir kennen Motive vom Niveau Zigeuner“, Wandervolk“, „Nafri“, die als Begründung für die Entfernung aus dem Dienst explizit und ausschließlich in den Amtsschreiben vorgenommen werden. Damit steht fest, dass in zahlreichen uns zugänglich gemachten Fällen derartige grobe Späße, wie sie von Vielen verbreitet werden, zum Anlass für die Bestrafung und die Zerstörung von Ruf und Karriere sowie bürgerlicher Existenz genommen werden. Eine „Fürsorgepflicht“ des Dienstherren wurde in keinem Fall wahrgenommen.

Die angebliche psychologische Betreuung“ der stressbelasteten Beamten wurde als Fortsetzung des Verhörs wahrgenommen, berichten Beteiligte: Psychische Defekte sollten erfragt werden, um Maßnahmen zu rechtfertigen. So wurden die Beamten buchstäblich zum Abschuss vorbereitet und freigegeben; entlastende Begründungen wurden von den Vernehmern nicht akzeptiert. Wie von Beuth vorgegeben steht das Ergebnis bereits fest; es wurde nur nach Belastungen gesucht oder solche konstruiert. Jeder einzelne Beamte wurde von Mitarbeitern des Staatsschutzes, dem Einsatzleiter und zwei Sachbearbeitern einzeln befragt. Aus Helden im lebensgefährlichen Einsatz wurden Beklagte ohne Chance der Rechtfertigung für im Zweifelsfall mäßig politisch korrekte Witzeleien. Sechs Beamten wurden die Wohnungen durchsucht; auch ihre aktuellen Handys und Datenträger ausgewertet. Damit hat sich Hessens Innenminister Beuth mehr Material beschafft, um das SEK in seiner Gesamtheit zu erledigen. Geschickt vermischt er Vorwürfe aus rechtsextremen Chatgruppen eines Innenstadtreviers mit dem der SEK-Beamten, obwohl es sich zeitlich und personell um unterschiedliche Vorgänge handelt. Aber alles ist Recht, um die Beamten öffentlich zu denunzieren.

Die Zerstörung einer Eliteeinheit

Die Folgen können für die Sicherheitslage der Stadt verheerend sein. In Frankfurt waren bis zur Auflösung insgesamt ein Polizeiführer und 64 Beamte in drei Gruppen im Spezialeinsatz, hart geschult, sorgfältig ausgewählt, ständig trainiert – das allerdings zuletzt in der Freizeit. Wegen der steigenden Einsatzbelastung entfiel Training während der Dienstzeit. Deshalb auch sollte das SEK um eine weitere Gruppe auf über 80 Mann aufgestockt werden – die Zunahme besonders schwerer Kriminalität hat dazu geführt, dass die Beamten im Dauereinsatz sind. Trotz dieser Gefahrenlage wurde die Einheit aufgelöst und durch eine Gruppe des SEK Kassel und weitere „Spezialkräfte“ ersetzt, die allerdings auch mit dem Helikopter mindestens 30 Minuten länger zum Einsatzort brauchen.

Damit ist Frankfurt derzeit polizeilich unzureichend geschützt.

Die vorhandene Einheit ist zerstört: Das Vertrauen der Kollegen untereinander wurde bewusst und gezielt unterminiert, die Beteiligten gezielt gedemütigt: Einer der Beamten, der in rund zwei Dutzend Dienstjahren sein Leben zigfach aufs Spiel gesetzt hat, wurde zur Abteilung „Objektschutz“ versetzt; in der Hierarchie der Polizei ist das der Höllensturz. Dienstzulagen wie Polizei- und Gefahrenzulage wurden gestrichen, Dienstausweis und Waffe eingesammelt. Die Helden der SEK wurden zu Outlaws gebrandmarkt. Einige leben seither in prekären wirtschaftlichen Situationen. Ganz wichtig: Auch das Jobticket des Rhein-Main-Verkehrsverbundes wird abgenommen. Nichts wird ausgelassen, wenn der starke Beuth es will um Mitarbeiter zu demütigen.
„Dafür also habe ich mein Fell riskiert“, sagt einer, der in einer entscheidenden Situationen Beuth geschützt hat.

Nachtrag:

Die Einbrecher vom Freßnapf-Center in Wächtersheim, bei deren Verfolgung einer der SEK-Beamte „Junior“ ums Leben kam, wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt:

„Bereits zu Prozessbeginn hatten sich Gericht, Staatsanwalt und Verteidiger für den Fall von Geständnissen auf einen Strafrahmen verständigt, der den Brüdern, die seit ihrer Festnahme in Wächtersbach in Untersuchungshaft saßen, einen erstmaligen längeren Aufenthalt in einem deutschen Gefängnis ersparen könnte.

Und so kam es auch: Der 36-jährige Angeklagte wurde zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt, sein jüngerer Bruder zu 15 Monaten. Beide Strafen wurden für fünf Jahre zur Bewährung ausgesetzt.“

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