Tichys Einblick
Aufklärung statt Indoktrination

Das Versagen des Wissenschaftsjournalismus

Die Naturwissenschaften sind Methoden der skeptischen Analyse und gerade deshalb keine Lieferanten valider Untergangsprognosen. Eine Berichterstattung, die sie zu letzterem missbraucht, ist daher weder Journalismus noch wissenschaftlich.

Es gibt keine „Klimakrise”. In Wahrheit verbessern sich die Lebensumstände der Menschen auf diesem Planeten mit jedem Tag. Ob Einkommen oder Produktivität, ob Bildung oder Gesundheit, ob Kindersterblichkeit oder Lebenserwartung, in jedem dieser Parameter zeigt sich eine positive Entwicklung seit Jahrzehnten, völlig unabhängig von klimatischen Veränderungen. Und das gilt mit ungebremster Dynamik in allen Weltregionen. Die Probleme, die lokal auftretende Wetterextreme mit sich bringen, sind heute nicht größer als vor hundert oder mehr Jahren. Vielmehr sinken die Risiken durch Naturkatastrophen nachweisbar. Mit technischen Fortschritten und steigendem Wohlstand gehen nun einmal robustere Infrastrukturen, resilientere Versorgungsprozesse und leistungsfähigere Notfallsysteme einher.

Gleiches ließe sich über alle anderen behaupteten ökologischen Desaster ausführen. Niemand spürt die Auswirkungen des vermuteten Rückgangs der Artenvielfalt oder des Plastikmülls in den Weltmeeren. Die oft beschworene Verknappung der Ressourcen gibt es auch nicht. Kohle, Erdöl und Erdgas, Metalle und Mineralien gehen uns einfach nicht aus, egal, wie viel wir fördern. Selbst die Coronapandemie fällt in diese Rubrik der rein fiktiven Apokalypsen. Neue Krankheitserreger bereiten heute nicht mehr Schwierigkeiten als in der Vergangenheit. Sondern deutlich weniger angesichts moderner Gesundheitssysteme und der gewachsenen Fähigkeiten, gefährliche Keime zu identifizieren, zu analysieren und Gegenmittel in Form von Impfstoffen, Medikamenten und Therapien zu entwickeln.

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Natürlich sind solche Untergangsfiktionen trotz ihres imaginären Charakters für bestimmte Gruppen äußerst attraktiv. Sie erleichtern die Mobilisierung und liefern zusätzliche Argumente für ansonsten rein ideologisch motivierte Ziele. Sie ermöglichen aufmerksamkeitsfördernde Schlagzeilen. Und sie bieten ein Fundament für lukrative Geschäftsmodelle, die der spirituellen Gewissensberuhigung durch Formen des Ablasshandels dienen. Deswegen werden Phantasien über eine bevorstehende Apokalypse niemals aussterben. Aber der Erfolg, mit dem sich manche davon in modernen Gesellschaften ausbreiten und behaupten können, überrascht dennoch.

Ein selbsternannter Messias, der die Ankunft wütender Beteigeuze-Amöben prophezeit, die unsere Smartphones rauben, so wir diesen nicht abschwören, fände wohl nur wenige Anhänger und sähe sich dem Spott aller anderen ausgesetzt. Im Grunde ähnlich lächerliche Sekten wie „Fridays for Future“ oder „Greenpeace“ werden hingegen wohlwollend betrachtet und von den Mächtigen hofiert. Es stellt sich die Frage, was den einen Mumpitz attraktiver macht als den anderen. Soziale Medien als Plattformen für eine ungefilterte und direkte Kommunikation, in denen Algorithmen die Verbreitung des Dramatischen unabhängig von dessen Wahrheitsgehalt befördern, stehen schließlich beiden zur Verfügung.

Der wohl wesentliche Unterschied zwischen den Beteigeuze-Amöben und der „Klimakatastrophe” besteht in der Option, letztere als durch die Forschung bewiesen zu verkaufen. Eine Täuschung, die zu durchschauen die Kompetenz erfordert, naturwissenschaftliche Erkenntnisse korrekt einzuordnen. Der diesbezüglich zu konstatierende Mangel weist auf ein Versagen des etablierten Wissenschaftsjournalismus hin.

Alles Wissen ist nur ein Modell

Entkleidet man die aktuelle Berichterstattung über die Naturwissenschaften von dem missionarischen Sendungseifer und der selbstdarstellerischen Attitüde vieler Präsentatoren, verbleibt deren Fokussierung auf die Erläuterung von Vorstellungswelten unter Ausnutzung moderner tricktechnischer Optionen. Da fliegen dann viele bunte Kugeln durchs Bild, stoßen aneinander, verschmelzen oder trennen sich und vermitteln ein Bild des Kosmos als chaotisches Murmelspiel. Auf die notwendige Einordnung wird zugunsten der Unterhaltsamkeit verzichtet.

In Wahrheit hat kein Forscher auf diesem Planeten auch nur irgendeine Ahnung davon, ob Elektronen, Photonen, Quarks und all die anderen als Grundbausteine des Kosmos angesehenen Partikel wirklich existieren und falls ja, was sie denn nun genau sind. Schon das Standardmodell der Teilchenphysik ist eben, wie sein Name schon sagt, nur ein Modell. Und wo man im alltäglichen Sprachgebrauch unter einem „Modell“ in der Regel ein möglichst exaktes und detailgetreues Abbild der Wirklichkeit versteht, stellen naturwissenschaftliche Modelle das genaue Gegenteil dar. Nämlich abstrahierende Reduzierungen von Strukturen und Vorgängen auf ihre wesentlichen Aspekte ohne Verzierungen und irrelevantes Beiwerk. Ganz so, wie man aus noppenbesetzten Plastikklemmbausteinen ein Haus bauen kann, das wesentliche Charakteristika eines realen Gebäudes wiederspiegelt, diesem aber trotzdem in nahezu allen Eigenschaften nicht entspricht, gestatten sechs Quarks, sechs Leptonen und fünf Bosonen die Konstruktion eines fiktiven Universums, das wichtige Aspekte der Realität lediglich illustriert, ohne ihr gleichzukommen.

Stephans Spitzen: 
Verzweifeln Sie, aber zweifeln Sie nicht!
Vorgänge wie die Absorption infraroter Strahlung durch Kohlendioxid finden nun einmal nicht statt, weil es Elektronen und Photonen gibt, die sich in bestimmter Weise verhalten. Vielmehr laufen sie so ab, als gäbe es Elektronen und Photonen mit den ihnen zugeschriebenen Eigenschaften. Selbst Begriffe wie „Masse“, „Impuls“ oder „Kraft“ sind nur hilfreiche Vokabeln einer zur Analyse der Natur geschaffenen künstlichen Semantik. Niemand weiß beispielsweise zu sagen, was „Energie“ eigentlich ist. Und das Universum hat auch keine Kenntnis von einem „Energieerhaltungssatz“, geschweige denn von einer Anweisung, diesen einzuhalten. Von Menschen formulierte Naturgesetze repräsentieren symbolische Deutungen des Geschehens, die nicht mit Ursachen oder Beweggründen gleichgesetzt werden dürfen.

Alles bislang erworbene Wissen über unsere Welt ist letztendlich in derartigen, mitunter atemberaubend komplizierten Modellvorstellungen kodifiziert. Eine Berichterstattung, die über den Versuch einer allgemeinverständlichen Beschreibung jener nicht hinausgeht, ist mindestens sinnlos, wenn nicht gar irreführend. Man kann noch so ausgereifte tricktechnische Animationen einsetzen, Informationen über Schwarze Löcher oder Higgs-Bosonen versanden mangels Alltagsrelevanz im besten Fall ohne jeden Effekt. Mitunter verfestigen sie aber auch völlig falsche Auffassungen. Überzeugungen der Form, Elementarteilchen seien kleine massive Kugeln oder Klimamodelle könnten und würden eine Katastrophe prognostizieren, sind jedenfalls erschreckend weit verbreitet.

Eine besonders fatale Wirkung übt zudem das durch viele Wissenschaftsjournalisten mindestens implizit und häufig sogar offen vermittelte Bild der empirischen Disziplinen als normative Wissenschaften aus, die Richtlinien für und Aufforderungen zu bestimmten Handlungsweisen formulieren. In einem Slogan wie „Follow the Science“ kulminiert diese Fehldeutung. Juristen, Theologen und manch ein Sozialforscher mögen dieses Motto begeistert aufgreifen, da es dem Selbstverständnis ihrer Fachgebiete entspricht. Die Naturwissenschaften jedoch liefern schlicht keine Dogmen, denen man folgen könnte.

Der Ursprung der Skepsis

Physik, Chemie und Biologie eint vielmehr die Suche nach Modellen, die erläutern, wie etwas abläuft. Das ist äußerst nützlich hinsichtlich der Konstruktion technischer Systeme oder auch der Entwicklung wirkungsvoller Medikamente. Keine Auskunft hingegen geben sie über das „was ist“ und vor allem schweigen sie eisern über das „warum“. Genau deswegen bieten sie keine Bewertungsmaßstäbe oder Entscheidungskriterien.

An dem Versuch, den Naturwissenschaften dennoch solche Angaben abzupressen, beteiligen sich Journalisten nicht erst in jüngster Zeit. Seit jeher finden sie für dieses Anliegen Unterstützung von einzelnen Forschern, denen öffentliche Sichtbarkeit und die Unterstützung einer ihnen genehmen politischen Agenda wichtiger sind als Redlichkeit. Allerdings hat man sich, wann immer man dachte, nun endlich dem „was“ und dem „warum“ auf der Spur zu sein, fundamental geirrt. Und manchmal dabei auch furchtbaren Schaden angerichtet. Man denke allein an die sich auf die Evolutionstheorie berufende Eugenik. Doch so wenig, wie die Kernphysik ein Urteil über Kernkraftwerke oder die Molekularbiologie eines über die Gentechnik gestattet, vermag die Astrophysik die Gefährdung durch Beteigeuze-Amöben einzuschätzen. Die teils fanatisch vertretenen Überzeugungen, die Virologie könne Pandemiemaßnahmen determinieren und die Klimaforschung die Klimapolitik, sind daher ihrem Wesen nach wissenschaftsfern.

Tatsächlich haben sich die Naturwissenschaften als Verfahren entwickelt, die Wissen schaffen, indem sie das Unwissen abstecken. Sie belegen dabei selbst regelmäßig die Unzulänglichkeit aller ihrer Modelle und Theorien. Etwa weil diese sich gegenseitig bei der Beschreibung von Phänomenen widersprechen, die in der Schnittmenge ihrer jeweiligen Geltungsbereiche liegen. Oder auch, weil gerade die Anwendung der von ihnen aufgezeigten Optionen immer neue Beobachtungen ermöglicht, die eigentlich als gesichert angesehene Weltbilder umstürzen. In einem Universum, das zu 95 Prozent aus den so bezeichneten Komponenten „dunkle Materie“ und „dunkle Energie“ besteht, sind halt weder die Relativitäts- noch die Quantentheorie, die beide beides nicht kennen, letztgültige Einsichten. Physiker verwenden Zuweisungen wie „dunkel“ oder „schwarz“ übrigens sehr gerne als Allegorien für „keinen blassen Schimmer“.

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Der Zweifel reift in der Naturforschung daher nicht als externer, auf zufällige Weise von den individuellen Charaktereigenschaften einer Forscherpersönlichkeit abhängiger Faktor. Er ist vielmehr den empirischen Fachgebieten als Kreativitätsmotor intrinsisch eingewoben. Wobei sich der Widerspruch nicht in reflexhafter Ablehnung von Modellen und Theorien äußern darf, weil diese zu nicht genehmen Interpretationen missbraucht werden. Der Fehler liegt nicht in der Klimaforschung, die weder Krise noch Katastrophe kennt. Er liegt bei jenen, die Glauben und Wissen nicht unterscheiden können.
Das Versagen der Botschafter

Es ist genau das den Naturwissenschaften innewohnende Instrument der produktiven Skepsis, das solche Irrtümer zu vermeiden und Scharlatane zu entlarven hilft. Würde man es denn der Öffentlichkeit vermitteln. Jedoch versagt der Wissenschaftsjournalismus auf breiter Front in genau diesem Punkt. Mit Hinweisen der Form, Indizien seien keine Beweise und Korrelationen keine Kausalitäten ist es nämlich nicht getan. Wobei selbst diese trivialen Leitlinien in einer Berichterstattung unberücksichtigt bleiben, die jeden Sturm, jedes Hochwasser und jeden regenarmen Sommer als Menetekel einer grausigen Zukunft verkauft.

Die eigentliche Unterlassungssünde besteht in der Ignoranz gegenüber einer viel relevanteren Richtschnur, die den Naturwissenschaften eigen ist und ihren Blick auf die Dinge von allen anderen Disziplinen unterscheidet. Denn ganz gleich, wie tragfähig die Argumente und wie belastbar und umfangreich die Belege für eine bestimmte Theorie auch erscheinen mögen, gibt es immer mindestens ein weiteres, auf abweichenden Postulaten beruhendes und andere Schlussfolgerungen nahelegendes Modell, das ebenso gut zu den bekannten Fakten passt. Ob es bereits formuliert wurde, ist dabei unerheblich. Allein die Schwächen der etablierten Ansichten zwingen angesichts einer völlig unabhängig von unseren Interpretationen agierenden Natur dazu, von seiner Existenz auszugehen.

An dieser entlang eines hindernisreichen Weges von Galilei über Newton bis Einstein, Heisenberg und Schrödinger erkannten und gegen die Autoritäten der jeweiligen Epoche erkämpften Maxime zerschellt die verbreitete Sehnsucht nach durch Physik, Chemie und Biologie formulierten, objektiv als notwendig anzuerkennenden Direktiven für politisches Handeln. In ihr manifestiert sich die Freiheit der Forschung als Notwendigkeit, mit Unsicherheiten zu leben. Unabhängig davon, ob diese nun die zehnte Nachkommastelle einer Naturkonstanten oder die zukünftige Entwicklung des Klimas betreffen. Das Prinzip nötigt dazu, immer auch Alternativen zu denken und zu berücksichtigen. Seine Übertragung auf gesellschaftliche Fragestellungen ist mit der Chance verbunden, die Hegemonie der Emotion durch eine der Vernunft abzulösen.

So ist eine Welt, in der weitere Kohlendioxid-Emissionen zu Klimaveränderungen führen, die unsere Zivilisation überhaupt nicht betreffen, keinesfalls auszuschließen. Schon in den vergangenen hundertfünfzig Jahren hat sich die Erwärmung der bodennahen Luftschichten um etwa ein Grad im globalen Mittel angesichts technischer, ökonomischer und sozialer Umwälzungen als unerheblich erwiesen. Was durchaus auch in der Zukunft gelten könnte, da sich die Menschheit in der Gestaltung und Kontrolle ihrer Lebensgrundlagen immer weiter von der Wildnis emanzipiert. Wer dennoch auf einer ausschließlichen Orientierung an Katastrophenszenarien beharrt, folgt nicht der Wissenschaft, sondern nur seinen Ängsten.

Da haben die Beteigeuze-Amöben schlechte Karten, lässt sich die Mahnung vor diesen doch allzu leicht als unbegründeter, lediglich furchtgetriebener Stuss entlarven. Bei Gesundheits-, Umwelt- und Klimathemen aber verhilft ein ideologisierter Wissenschaftsjournalismus so manchem Firlefanz zu einer wirkungsvollen Tarnung. Dies abzustellen bedarf einer der Aufklärung verpflichteten Berichterstattung, die Lesern, Hörern und Zuschauern nicht länger vorbetet, was sie meinen müssen. Sondern ihnen vermittelt, wie sie denken können. Und gerade in dieser Hinsicht bieten die Naturwissenschaften einen besonders reichhaltigen Fundus an Konzepten. Weil sie im Kern eine Methode zur kritischen Analyse sind und mitnichten ein Lieferant für Krisen auf Bestellung.

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