Heute tagt der neunköpfige Untersuchungsausschuss des Bundestags zum größten Bilanzbetrugs-Skandal in der Geschichte des Landes wohl zum letzten Mal, hört noch einmal Zeugen wie in unzähligen Sitzungen in den vergangenen sieben Monaten. Doch gestern bereits präsentierten die Vertreter der drei Oppositionsfraktionen, denen die Einsetzung dieses Ausschusses überhaupt zu verdanken war, ihre politische Bewertung. Von den drei Musketieren, so titulierten sich die Aufklärer im vergangenen Herbst selbstironisch auf Twitter, sind allerdings nur zwei übrig geblieben: Florian Toncar von der FDP und Fabio de Masi von der Linksfraktion. Der ursprüngliche Dritte im Bunde der Musketiere, Danyal Bayaz von den Grünen, ist aus dem Bundestag ausgeschieden, weil Winfried Kretschmann ihn zum Finanzminister in Baden-Württemberg berufen hat. Lisa Paus von den Grünen komplettiert jetzt das Trio.
Die Oppositionspolitiker räumen allerdings ein, dass die Rolle des SPD-Kanzlerkandidaten, „der sich immer weggeguckt habe“ (de Masi), nicht zweifelsfrei geklärt werden konnte. So war es auch in Hamburg, wo Scholz als damaliger Regierungschef in einen mehr als fragwürdigen Erlass einer Millionen-Steuernachforderung an die Warburg-Bank verwickelt war. Die Rücktrittsforderungen, die Felix Toncar von der FDP gestern stellte, adressierte er nicht an den Bundesfinanzminister, sondern an die beiden Staatsminister, die für die BaFin und die Antigeldwäscheeinheit des Zolls (FIU) zuständig sind. „Der Wirecard-Skandal war kein Naturereignis“, so Toncar, „sondern er war verhinderbar“, wenn Prüfer und Behörden früher auf die zahlreichen Verdachtshinweise eingestiegen wären. Die Wirtschaftsprüfer von EY, die jahrelang die Wirecard-Bilanzen testierten, obwohl Milliardensummen nur aus Scheingeschäften bestanden, werden vom ganzen Untersuchungsausschuss unisono harsch kritisiert. Das Prüfversagen hat EY bereits eine Reihe von lukrativen Aufträgen gekostet und wird auch noch hohe Schadenersatzforderungen von betrogenen Wirecard-Aktionären und kreditgebenden Banken nach sich ziehen. Auch die Geschichte vom allein verantwortlichen Betrüger Jan Marsalek, dem flüchtigen Ex-Vorstandsmitglied, lässt sich nach den Untersuchungen des Bundestagsausschusses nicht halten. Vorstand und Aufsichtsrat sind verantwortlich für den organisierten Betrug im Unternehmen.
Was hat die Aufklärungsarbeit im Untersuchungsausschuss letztlich erbracht? Ministerrücktritte sind ausgeblieben, weil die Regierungsmehrheit sie nicht wollte. Dafür wurde die staatliche Aufsicht personell und organisatorisch neu strukturiert. Und die Anwälte, die für die betrogenen Aktionäre und Investoren von Wirecard Schadensersatz erstreiten wollen, werden sich aus den Akten bedienen. Denn die juristische Aufarbeitung findet vor ordentlichen Gerichten statt.