Tichys Einblick
Dänemark geht eigene Wege

Gesetz für Asylverfahren außerhalb Europas passiert den Folketing

Das dänische Parlament hat ein Gesetz beschlossen, das das Asylsystem des Landes umkrempelt: Verfahren sind nun außerhalb Europas möglich. Dazu will Dänemark Asylzentren außerhalb Europas errichten.

IMAGO / Ritzau Scanpix

Das dänische Parlament hat einen Gesetzentwurf der Regierung verabschiedet, der vorsieht, dass Asylverfahren künftig auch außerhalb Europas stattfinden können. Laut Ausländerminster Tesfaye sollen so Asylanträge vermindert und gefährliche Routen ausgetrocknet werden.

Die dänische Sozialdemokratin Mette Frederiksen ist eine Regierungschefin, die Wort hält. Im Januar hatte sie mit Bezug auf eines ihrer Wahlkampfversprechen gesagt: »Wir können Null Asylsuchende nicht garantieren, aber wir können die Vision davon ins Leben rufen, so wie wir es vor der Wahl getan haben. Wir wollen ein neues Asylsystem, und wir werden tun, was wir können, um es einzuführen.« Und gegen all das ist wirklich nichts einzuwenden: Man setzt sich ein Ziel, erringt eine Mehrheit dafür und geht an die Umsetzung. Genau das ist Demokratie, entgegen allen Unkenrufen.

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Derzeit setzt Frederiksen ihre Vision durch eine Vielzahl von Schritten um. Letztes Jahr gab es 1.547 Asylsuchende im Land. Das war schon ein Rekord in vielerlei Vergleichen, ob mit den Nachbarländern oder anderen Jahren. Neben dem Entzug des Aufenthaltsrechts für Syrer aus der Region Damaskus rückt nun ein weiteres Vorhaben in den Fokus.

Der Folketing, das dänische Parlament, beschloss einen von der Regierung eingebrachten Gesetzentwurf, der das Asylsystem des Landes umkrempeln dürfte. Das neue Gesetz soll die Durchführung von Asylverfahren außerhalb Europas ermöglichen. Dazu will Dänemark Asylzentren außerhalb Europas errichten, in die es laut Zeit auch Asylbewerber aus dem Mutterland ausfliegen kann. Ausnahmen soll es allenfalls für Schwerkranke geben. Langfristig sollen auch die akzeptierten Flüchtlinge in den Zentrumsländern integriert oder in einem UN- Flüchtlingslager untergebracht werden.

In welchen Ländern das geschehen wird, will und kann die Regierung noch nicht sagen, man habe eine relativ kurze Liste mit einer Handvoll Ländern erstellt. Laut der Tageszeitung Jyllands-Posten gab es Gespräche mit einer Reihe von afrikanischen Ländern, darunter Ägypten, Tunesien, Ruanda und Äthiopien. Konkrete Abkommen müssen durch das Parlament abgesegnet werden. Das setzte die zustimmende bürgerlich-liberale Venstre-Partei durch.

Zweifel von Juristen und »Experten«

Laut  Ausländer- und Integrationsminister Mattias Tesfaye wird so »ein neues Asylsystem« entstehen, das »dazu beitragen wird, dass es weniger Asylsuchende in Dänemark geben wird, weniger Migranten im Mittelmeer ertrinken und weniger Menschen auf Migrationsrouten misshandelt werden«. Anträge werden die Migranten allerdings weiterhin nur an der dänischen Grenze stellen können, wie die Tageszeitung Hallandsposten berichtet. Auch das neue Gesetz entspricht einem Versprechen der Sozialdemokraten aus dem Jahr 2018, also noch bevor sie an die Macht kamen.

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Seit das neue Gesetz im April vom Kabinett vorgelegt wurde, meldeten sich natürlich auch die »Experten« mit ihren Zweifeln zu Wort: Die Länder, die den Vorschlag der dänischen Regierung annähmen, müssten ganz schön »risikofreudig« sein, sagte etwa der Juraprofessor und »Migrationsforscher« Thomas Gammeltoft-Hansen dem Tagesblatt Information (hinter Bezahlschranke) und wurde in der Folge zum gefragten Gastautor. Dabei gab selbst Gammeltoft-Hansen zu, die Idee der Regierung sei »politisch attraktiv«, nur rechtlich nicht einfach umzusetzen.

Das von ihm berufene Risiko der Länder wird allerdings nicht direkt ersichtlich. Im Gegenteil könnte das Abkommen mit Dänemark für sie zu einem sicheren Einkommen führen. Denn ganz umsonst werden ihre Dienste schwerlich sein.
Obwohl also die Durchführbarkeit des Gesetzes noch nicht allen Juristen des Landes einleuchtet, war die parlamentarische Mehrheit dem Gesetz sicher. Am Mittwoch wurde abgestimmt. Neben den Stimmen der regierenden Sozialdemokraten kam Unterstützung auch von der bürgerlichen Venstre, der rechtskonservativen Dansk Folkeparti sowie von den Kleinparteien Konservative, Neue Bürgerliche und der Liberalen Allianz. Dagegen stimmten vier Parteien der Linken.

Tesfaye: Massiver Ressourceneinsatz für Nicht-Flüchtlinge

Die Linie der Regierung ist dabei durchaus sozialdemokratisch. Ausländer- und Integrationsminister Mattias Tesfaye stellte fest: »Wir möchten, dass in Dänemark und in der EU keine massiven Ressourcen mehr für die Bearbeitung der Anträge von Hunderttausenden Asylbewerbern aufwendet werden, obwohl die Hälfte davon keine Flüchtlinge sind.« Dagegen hätten viele Millionen Schutzbedürftige »kein Geld für einen Menschenschmuggler nach Europa«. Doch sie, so Tesfaye, würden »ohne Hilfe« im unmittelbaren Konfliktgebiet oder den Nachbarstaaten »zurückgelassen«.
Laut Tesfaye soll das neue Gesetz eine kaputtes Asylsystem reparieren und dabei auch die Zahl der Ertrinkenden auf dem Mittelmeer und die Misshandlungen durch Schlepper reduzieren. Für den Integrationsminister gilt aber noch etwas anderes: »Menschen, die an Dänemarks Tür klopfen und Schutz suchen, haben keinen Anspruch auf ein Leben in einem Wohlfahrtsstaat.«

Trotzdem – und hier beginnt das Kapitel Großzügigkeit – will das Königreich den wirklich Schutzbedürftigen helfen, nur eben nicht in Dänemark, woran mit Hinblick auf die Menschenrechte nichts auszusetzen sein dürfte, was immer EU-Kommission und UNHCR hier einzuwenden haben. Das kleine Dänemark liegt weit entfernt von den heutigen Krisenregionen der Welt. Es muss eigentlich nur auf einem sehr grundsätzlichen Verständnis von Flucht bestehen und wäre folglich fast alle Sorgen in Sachen Asyl los. Denn wer immer über die dänische Grenze kommt, hat mindestens ein sicheres Land auf seinem Weg durchquert. Dänemark ist umgeben von Freunden. Sehen wir, wie freundlich sie nun bleiben.

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