Der Freistaat Bayern ist seit mehreren Jahren trauriger Spitzenreiter in der deutschen Suizidstatistik. Etwa 1.520 Menschen nahmen sich dort allein im Jahr 2019 das Leben. Deutschlandweit sind es jedes Jahr etwa 10.000 Tote – mehr als durch Verkehrsunfälle, Drogenmissbrauch und HIV zusammen. Nach Schätzungen begehen weitere 90.000 einen Suizidversuch. Die meisten dieser Menschen, die sich entschließen, ihr Leben aus Verzweiflung zu beenden, leiden an psychischen Störungen. Allen voran an Depressionen – und das relativ unabhängig von Alter und Geschlecht.
Das zeigte leider erst vor kurzem ein weiterer Suizidfall im Landkreis Garmisch-Patenkirchen. Der Tod einer 13-jährigen Schülerin, die ihr Leben beendete, indem sie sich selbst erhängte, sorgte für Fassungslosigkeit und ließ die Forderung nach Aufklärung erneut auflodern. Es war bekannt, dass das Mädchen Probleme hatte – mit einem Suizidversuch hatte laut Merkur aber trotzdem niemand gerechnet.
Therapieanfragen von Kindern und Jugendlichen im Vergleich zum Vorjahr um 60 Prozent gestiegen
Doch genau da liegt der Knackpunkt: Die Kinder- und Jugendpsychiatrien sind dank der Corona-Maßnahmen und den damit verbundenen psychischen Leiden der zahllosen kleinen Patienten nämlich völlig überlastet. Deutsche Kinderärzte sprachen gar von einer Triage, das heißt wer „nur“ Depressionen hat und (noch) nicht akut suizidgefährdet ist, wird überhaupt nicht mehr aufgenommen (TE Berichtete). Auch der Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie des LMU-Klinikums München, Gerd Schulte-Körne, sagte gegenüber der Abendzeitung, dass alle 40 Betten der Einrichtung „überbelegt“ seien. Die Anfrage nach Behandlungsplätzen habe extrem zugenommen, was selbst auf den Intensivstationen zu langen Wartezeiten geführt habe. Laut Schulte-Körner habe es so etwas früher nicht gegeben, der Mediziner und seine Kollegen ständen unter einem „wahnsinnigen Druck“.
Die Lage für Kinder und Jugendliche ist also nicht nur in Bayern, sondern in ganz Deutschland prekär. Die Hoffnung auf ein normales Leben und damit auch auf eine normale Entwicklung ist letztlich auch an Inzidenzwerte und die ständige Angst geknüpft, dass morgen die vierte, fünfte oder sechste Corona-Welle oder eine neue Mutante über uns hereinbricht. Die sowieso schon weit verbreiteten psychischen Krankheiten – Depressionen, Angst- und Essstörungen – werden, wenn das so weitergeht, vermutlich auch unter den Kleinsten weiter zunehmen.
Sollten Sie das Gefühl haben, dass Sie Hilfe benötigen, kontaktieren Sie unbedingt die Telefonseelsorge. Unter der kostenfreien Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 bekommen Sie Hilfe von Beratern, die Ihnen Hilfe bei den nächsten Schritten anbieten können. Hilfsangebote gibt es außerdem bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention. Im Netz gibt es – Beispielsweise bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe – auch ein Forum, in dem sich Betroffene austauschen können.