Bis zur Jahrtausendwende war es relativ einfach, die politische Ausrichtung von Zeitungen, aber auch Fernsehsendungen, zu erkennen. Man wußte einfach, wer sich wie und vor allem welchen Themen zuwandte. Am deutlichsten kam die Tendenz einer Zeitung im Gebrauch gewisser Kürzel oder Begriffe zutage. Wer die Bundesrepublik Deutschland in seinen Texten BRD nannte oder Westberlin in einem Wort schrieb, übernahm die Schreibweise der DDR und machte sich damit zu deren Gehilfen. Bis noch kurz vor dem Mauerfall setzten die Zeitungen des Axel Springer-Verlages die drei Buchstaben „DDR“ hingegen immer in Gänsefüßchen. Wer die Terroristen von Links als „Baader-Meinhof-Gruppe“ titulierte, stand den Linksextremisten zumindest ideell näher als die, die konsequent von der „Baader-Meinhof-Bande“ sprachen. Das gleiche galt für Links beim Begriff „palästinensische Befreiungsorganisation“ im Gegensatz zur „palästinensischen Terrororganisation“ PLO.
Oft erkannte man die jeweiligen Leser schon am äußeren. Wer die „Frankfurter Rundschau“, die „Süddeutsche Zeitung“, den „Spiegel“ oder gar die „TAZ“ vor seiner Nase hielt, trug häufig Cordhose, kariertes Flanellhemd und den obligatorischen Palästinenserschal um seinen Hals geschlungen. Man liegt, glaube ich, nicht falsch, wenn man ab Mitte der 70er Jahre etwa 2/3 der Lehrerschaft an diesem Outfit erkannte. Frauen dieser Couleur trugen über dem lila T-Shirt und zum hennagefärbten Haar gern weite Jacken im Mao Stil, die auch noch das letzte Zeichen von Weiblichkeit verbergen sollten. Dem gegenüber die „FAZ“-, „Welt“- und Handelsblattleser. Die Herren im Anzug oder business-casual, was helle Hose und blauen Blazer bedeutete. Konservativ-liberale oder schlicht bürgerliche Wesen trugen ihrer Grundeinstellung zum Leben passend überwiegend helle und frische Farben, linke Zeitgenossen gefielen sich als Ausdruck ihrer Verzweiflung über das Joch des Konsumkapitalismus in dunkler oder gar im Sinne des Sartre’schen Existentialismus gleich ganz in schwarz.
Mit dem Ende des Sowjetimperiums und der Wiedervereinigung Deutschlands schien der ideologische Todfeind der Freiheit überwunden. Die ideologischen Auseinandersetzungen verloren an Schärfe und überhaupt schien die Welt alles in allem harmonisch und vor allem an wirtschaftlicher Prosperität orientiert zu sein. Die großen Schlachten schienen geschlagen, neue waren noch nicht in Sicht. Man stritt sich um Kernkraftwerke oder den sauren Regen. Mit Helmut Kohl ging 1998 der letzte Politiker der alten Bundesrepublik mit einem inneren Bekenntnis zu Patriotismus, Nation und zugleich zu Europa und der festen Freundschaft mit den USA von Bord. Nach ihm zog mit Gerhard Schröder, der sich selbst gern „Brioni-Kanzler“ nannte, die „Spaßgesellschaft“ in Deutschland ein. Anstelle von Information in den Medien, sprach man jetzt von Infotainment. Unterhaltung über alles, Unverbindlichkeit als Tugend, Prinzipienlosigkeit und Egoismus als Lebensmotto. In den Redaktionsstuben wurden die Themen nach dem Fun-Faktor ausgesucht.
Mittlerweile aber hat sich das Rad der Geschichte weitergedreht. Der Traum von der friedlichen Welt musste verabschiedet werden. China und Russland sind erneut zu gefährlichen Herausforderungen für den Rest der Welt geworden. Der Ernst des Lebens müsste eigentlich jetzt in die Redaktionsstuben zurückkehren. Nur mit wem? Die meisten der jungen Journalisten sind bar aller Geschichtskenntnisse und jeder geistigen Präzision und Disziplin, schlicht nicht in der Lage, die jetzigen Anforderungen zu erfüllen. Anstelle dessen wird sich in Zeitgeistgeplapper und Nichtigkeiten versenkt. Dabei ist gerade jetzt eine grundlegende Auseinandersetzung über das Wesen der Freiheit und die Absicht ihrer Feinde erforderlich, so wie lange nicht mehr. Wieder sind es die Zeitungen des Axel Springer-Verlages, allen voran „Welt“ und „Bild“, die die Dramatik unserer Tage verstanden haben. Wenn auch sie in den vergangenen Jahren einer gewollten Orientierungslosigkeit anheim gefallen waren. Vollständig aus dem konservativ-liberalen Wertekanon ist die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ herausgefallen. Ein Vergleich der Anzahl notwendiger Richtigstellungen und Korrekturen im Blatt mit früheren Zeiten – allein das spricht Bände.
Wie in Deutschland Deutsch gesprochen wird, entscheidet immer noch die Gesellschaft für Deutsche Sprache, und die lehnt Gender-Sprech konsequent ab. Vorreiter neben ARD, ZDF und natürlich dem Deutschlandfunk sind „Süddeutsche Zeitung“, „Frankfurter Rundschau“, „Frankfurter Allgemeine“ und „Stern“, um nur die wichtigsten zu nennen. Nicht gegendert wird bei allen Titeln des Springer-Verlages, sowie dem Magazin „Focus“. Beim „Spiegel“, so hört man, gab die Chefredaktion dem Drängen der Redaktion nach Genderschreib- und sprech nicht nach. Die anhaltend schlechte Auflagenentwicklung des einstigen „Sturmgeschützes der Demokratie“ (Augstein) lässt weitere Experimente mit der Leserschaft wohl nicht zu.
Man darf gespannt sein, wie die Entwicklung weitergeht und ob dem gebührengesponserten Sprachverfall durch eine neue Bundesregierung im Herbst möglicherweise Einhalt geboten wird. Auch das Geschehen beim einstig konservativen Flagschiff „FAZ“ bleibt spannend. Noch scheint man sich nicht vollständig entschieden zu haben. So konnte man vor wenigen Tagen im Leitartikel auf Seite 1 eine schallende Ohrfeige für den Gender-Sprech lesen, um schon auf den folgenden Seiten diesem eigenartigen Treiben gleich mehrfach zu begegnen. Kurzum: Es gilt die Devise: Sag mir, ob Du genderst, und ich sage Dir, wer Du bist und auf welcher Seite Du stehst. Es scheint, daß mit der Rückkehr des Ernstes in der Gesellschaft auch das Ende der Unverbindlichkeit und des Larifari eingeläutet wird.