Tichys Einblick
Nach über einem Jahr Corona-Pandemie:

Reale Erholung am Arbeitsmarkt bleibt aus

Die aktuellen Zahlen vom Arbeitsmarkt erscheinen besser als sie sind. Die Folgen der Pandemie beziehungsweise ihrer Bekämpfung werden nur etwas kleiner. Was dafür umso stärker steigt, ist die Inflation.

IMAGO / IPA Photo

Die Pressestelle der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit weiß schon, wie man Zahlen öffentlich verkauft. Und so steht heute in den Überschriften der Pressemeldungen meist „Zahl der Arbeitslosen sinkt im Mai kräftig“ oder ähnliches. Das ist natürlich nicht falsch. Die Arbeitslosenquote sank im Mai 2021 im Vergleich zum April um 0,1 Punkte auf 5,9 Prozent, im Vergleich zum Mai 2020 um 0,2 Punkte. Nach Angaben der  waren im Mai 2,687 Millionen Menschen ohne Job, 84.000 weniger als im Vormonat April und 126.000 weniger als im Mai 2020.

Aber ob die positive Botschaft, die davon ausgehen soll, angemessen ist, kann man hinterfragen. Denn nicht nur ist der Vormonatsvergleich aufgrund saisonaler Einflüsse immer mit Vorsicht zu genießen, in diesem Fall ist auch der Vorjahresvergleich ein Sonderfall. Denn auch der Mai 2020 stand bekanntlich schon ganz im Zeichen der Corona-Maßnahmen.

Selbst BA-Vorstandschef Detlef Scheele klingt bei der Vorstellung der Zahlen vorsichtiger als die Überschriften: „Im Mai zeigen sich erste Anzeichen für eine umfassende Besserung am Arbeitsmarkt. Die Folgen der Corona-Krise sind immer zwar noch sehr deutlich sichtbar, werden aber etwas kleiner.“

Ein wenig euphorisierendes Bild vom Zustand der deutschen Volkswirtschaft und des Arbeitsmarktes geben auch die ebenfalls heute veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zur Erwerbstätigkeit. Die betreffen allerdings erst den April.

Gegenüber April 2020 verringerte sich die Zahl der Erwerbstätigen im April 2021 um 0,5 % (‑234 000 Personen). Es ging zwar langsamer bergab als in den Monaten zuvor, aber es ging bergab mit der Zahl der Erwerbstätigen: Die Veränderungsrate gegenüber dem Vorjahreszeitraum hatte im Februar 2021 noch bei -1,7 % und im März 2021 bei -1,4 % gelegen.

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Eine reale Erholung am Arbeitsmarkt fand im April aber nicht statt. Ob „noch nicht“ ist noch offen. Die rechnerisch gute Entwicklung ist nämlich nur auf den Einbruch der Erwerbstätigenzahl im April 2020 zurückführen (-0,9 % bzw. -404 000 Personen gegenüber April 2019), als die Corona-Krise auf den Arbeitsmarkt durchschlug. Dadurch fällt der Vorjahresvergleich im April 2021 weniger negativ aus als im März 2021 (Basiseffekt). Zuletzt merklich gestiegen war die Erwerbstätigkeit im Vorkrisenmonat Februar 2020, nämlich um 0,4 % (+201 000 Personen) gegenüber Februar 2019.

Außerdem ist zu beachten, dass Kurzarbeitende nach den Konzepten der Erwerbstätigenrechnung und der Arbeitskräfteerhebung als Erwerbstätige und nicht als Erwerbslose zählen.

Einen Eindruck vom Ausmaß der Wirkungen der Corona-Pandemie beziehungsweise der politischen Maßnahmen dagegen verschaffen die Gegenüberstellungen des Statistischen Bundesamtes zu Bruttoinlandsprodukt und Erwerbstätigkeit während der Finanzkrise und der Corona-Krise. Die wichtigste und eindeutigste Zahl

Eine mindestens so aussagekräftige Zahl über die gesamtökonomische Entwicklung in der Krise wurde schon gestern vom Statistischen Bundesamt bekannt gegeben: Die Verbraucherpreise in Deutschland sind nach erster Schätzung im Mai um 2,5 Prozent gestiegen, nach 2 Prozent im April. Das ist ein Zehnjahreshoch. Haupttreiber waren die Energiepreise, die gegenüber dem Vormonat um 10 Prozent anstiegen. Verantwortlich dafür nicht zuletzt der neue CO2-Preis im Dienste des Klimaschutzes. Die Bundesbank rechnet damit, dass die Inflation sogar noch deutlich zulegt, sie „könnte zum Jahresende vorübergehend 4 % erreichen“, heißt es im aktuellen Monatsbericht.

Die Löhne sind dagegen sehr viel weniger gestiegen: Im ersten Quartal steigen die Tarifverdienste im Schnitt nur um 1,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Die Inflation bedeutet also für die meisten Menschen einen realen Verlust materiellen Wohlstandes.

Noch viel deutlicher hat die Kaufkraft der deutschen Haushalte abgenommen, wenn sie nicht nur konsumieren, sondern Vermögen erwerben wollten. Diese Preise misst das Bundesamt nicht. Laut dem FvS-Vermögenspreisindex haben sich seit 2005 die Preise für privates Vermögen nie so stark verteuert wie im ersten Quartal 2021.

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