Heute können wir bei unseren Lesern keinen Blumentopf gewinnen. Aber sei‘s drum, es ist eh Urlaubszeit, und viele sind gar nicht da. Also schreiben wir es frei heraus: Mustafa Yeneroglu führte unsere schlichte Politikertruppe am Halsband durch die Manege, dass es eine Freude war. Der deutschtürkische Doppelstaatsbürger und Parlamentsabgeordnete der AKP und auch überdies noch deren Menschenrechtsbeauftragter ist mit den Plattitüden aus dem Moralbaukasten unserer „heimischen“ Politiker einfach nicht zu fassen. Wo er das nur her hat? Aus dem Integrationskindergarten jedenfalls nicht.
Aber der Reihe nach: Der aufgeweckte TV-Gesamtschullehrer Frank Plasberg wollte noch einmal den türkischen Putsch und seine Folgen aufarbeiten lassen und hatte dazu Mustafa Yeneroglu, Jens Spahn (CDU), Malu Dreyer (SPD), Christoph Schwennicke (Cicero) und die Schauspielerin Wilma Elles eingeladen. Türkendemo in Köln, Todesstrafe in der Türkei, Verhaftungen, Entlassungen und Pressebeschränkungen waren die sattsam bekannten Stichworte.
Sofort servierte Yeneroglu einen scharfen Aufschlag: Er erkenne sein Land in der „verzerrten Berichterstattung“ in Deutschland nicht mehr wieder. Ein klassisches Aufschlag-Ass. Denn auch viele Deutsche erkennen ihr eigenes Land in der verzerrten Berichterstattung nicht wieder. Die Bestätigung lieferte dann ausgerechnet Jens Spahn, als er auf die tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Erdogan-Türken und Gülen-Türken bei uns hinwies, die „auf youtube zu sehen“ seien. Auf youtube! Das sagt eigentlich schon alles.
Verstehen Sie mich nicht falsch, liebe Leser. Natürlich ist mir klar, dass Erdogan die klassische Machtergreifungsnummer durchzieht. Natürlich räumen die AKPler in den Nächten der langen Messer alle Kontrahenten aus dem Weg, säubern den Staat mit allen Mitteln von jeglichen Oppositionellen und brechen das Recht, wo es opportun erscheint.
Aber ausgerechnet von einer Malu Dreyer, deren Partei den deutschen Zensur-Minister stellt und von einem Jens Spahn, dessen Kanzlerin selbst das Verfassungsrecht mit Füßen tritt (lesen Sie diFabio!) muss man sich nicht zur besten Sendezeit über Rechtsbrüche in anderen Ländern berieseln lassen!
Da sind die Volleys von Yeneroglu schon fast eine Freude. Eintausendzweihundert Gegner entlassen oder nicht zum Staatsdienst zugelassen, die Todesstrafe gefordert, oder gleich die Missetäter der Lynchjustiz überantwortet – das war die Diskussions-Lage in Deutschland zu Zeiten der RAF, warf der AKP-Mann der Runde vor die Füße.
Dann retournierte er den harmlosen Gegenball mit der Todesstrafe in den USA, und außerdem glaube er nicht, dass es überhaupt zur Einführung der Todesstrafe in der Türkei komme.
Und dann ausgerechnet den Repräsentanten des ungezügelten Fremden-Zuzugs einen versteckten Rassismus vorzuwerfen, das ist leider genial: Der Todesschütze von München habe vier Deutschtürken erschossen, aber kein deutscher Politiker habe den Hinterbliebenen kondoliert. Er aber, sowie der türkische Außenminister und auch Herr Erdogan hätten das sofort getan.
Schnitt! Welcher tiefere Sinn steckte in der Sendung? Keiner! Den Linken passt die politische Grundeinstellung der in Deutschland lebenden Türken nicht, soweit klar. Sie haben die Migranten für ihre Zwecke benutzt, aber ansonsten allein gelassen. In die Lücke ist blitzschnell der türkische Staat gestoßen, indem er tausend Imame nach D. schickte und die Leute auf Kurs brachte. Bezahlt vom türkischen Religionsministerium, mit freundlicher Genehmigung der diversen Bundesregierungen. Jetzt haben sie den Salat und gucken blöd.
Schade, dass das deutsche TV-Publikum immer wieder auf diese Scheindebatten hereinfällt. Das Publikum hatte – ganz modern per Twitter, Facebook und Gästebuch abgefragt – laut der Publikumsbeauftragten Brigitte, zu hundert Prozent die Schnauze voll von türkischem Polittreiben auf deutschem Boden. Leute, dann wählt doch nicht die Typen, denen ihr das alles zu verdanken habt!
Wir wollen uns lieber einer recht unterhaltsamen reziproken Integration zuwenden, der von Wilma Elles. Die blonde Wilma ist in der Türkei so etwas wie bei uns … nein, so etwas haben wir leider nicht zu bieten. Die Soap-Opera, in der sie spielt, hat in der Spitze 70% Einschaltquote! Im Schnitt 50-60%! Wilma sprach kein Wort türkisch, als sie dort anfing, hatte die Texte phonetisch gelernt. Inzwischen hat sie einen türkischen Pass. Unterschrieben von Erdogan und allen Ministern. Zum Heulen schön die Geschichte.
Und Wilma ist eine bestens Integrierte. Wie fleißig der Erdogan sei, bemerkte sie bewundernd. Jeden Tag weiht er irgendwelche Brücken ein. Der Mann ist einfach eine Seele von Mensch! Hat Wilma und Familie zum Fastenbrechen eingeladen. Unseren Bundes-Gauck hat Wilma auch schon dreimal getroffen, aber er hat keinen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Nun, die junge Frau haben wir wohl an die Türkei verloren.
Zum Schluss gab die pfeilschnelle Plasberg-Redaktion noch bekannt, wer die meisten Doppelstaatsbürgerschaften in Deutschland bekommen habe: 1. Die Polen. 2. Die Russen und erst 3. Die Türken. Und mit Plasbergs Worten „Ich bin neidisch, dass ich nur einen Pass habe“ wollen wir uns hier verabschieden.