„Israelkritik ist kein Antisemitismus“. Das stand auf einem Schild, das ein Demonstrant auf einer der palästinensischen Protestmärsche in Berlin in die Luft hielt. Jährlich am 15.05., anlässlich der israelischen Unabhängigkeit, begehen die Palästinenser und ihre vielen Sympathisanten den „Tag der Nakba“, des „Unglücks“, der an Flucht und Vertreibung erinnern soll. Es ist ein schicksalhafter Tag, aber es ist kein Tag der Versöhnung oder des Friedens.
Und auch in diesem Jahr kam es zu mehreren solcher Demonstrationen in zahlreichen deutschen und europäischen Städten. Alleine in Berlin gab es drei solcher Aufmärsche. Einer davon endete in Gewalt: Als die Polizei die Menge aufgrund von Nichteinhaltung der Corona-Regeln auflösen wollte, flogen Flaschen, Steine, Holzplanken und sogar eine Baustellen-Warnbake. Einige Extremisten unter den Teilnehmern versuchten Türen einzutreten. Gewalt auf den Straßen demonstriert gegen frühere Gewalt.
Auch die Demonstrationszüge, die ohne Gewalt abliefen, können nur unter großer Mühe als „friedlich“ bezeichnet werden. So begann um 16:00 Uhr ein weiterer auf dem Berliner Oranienplatz und zog weiter zum Hermannplatz.
Doch zurück zu dem Schild „Israelkritik ist kein Antisemitismus“, das vom Oranienplatz zum Herrmannplatz getragen wurde. Es erwies sich als bloße Floskel.
Auf der Demonstration liefen westlich gekleidete Palästinenserinnen mit Tattoos und offenem Haar neben Queeren mit buntem Haar und streng gläubigen Muslimas mit verhülltem Haar. Alle drei Gruppen eint, dass sie im Westjordanland mit brutaler Repression durch die Hamas rechnen müssten – und in Berlin brüllen sie: „From the river to the sea, Palestine will be free“. Es ist eine Formel, die für unbeteiligte Passanten harmlos klingt. Aber vom Jordan bis zum Mittelmeer, da liegt Israel. Und wenn es palästinensisch wird, dann heißt das mörderisch: Die Juden sollen ins Meer. Und mit ihnen die Schwulen, die Andersgläubigen, die Westler, die Demokraten, die Feministen. Free ist nicht für sie, und doch demonstrieren sie mit.
In der skandierenden Menge werden Schilder emporgehalten, auf denen Israel als „Kindermörder“ und „Apartheidsstaat“ betitelt wird. Die Organisatoren schreien sozialistische Parolen ins Mikrofon: „Solidarität heißt Widerstand, dem Faschismus in jedem Land“ und „Hoch die internationale Solidarität“.
Dazwischen die antisemitische BDS-Bewegung. Sie setzt sich für Boykott, Deinvestition und Sanktionen gegen Israel ein. Die Bewegung übt Druck auf Künstler, Akademiker, Politiker und Händler aus: Kauf‘ nicht beim Juden, sprich nicht mit dem Juden, trete nicht auf seinen Bühnen auf. Es sind uralte Forderungen, manchmal notdürftig getarnt mit der Einschränkung, dass nur Produkte aus besetzten Gebieten oder Firmen, die Palästinenser ausnutzen, gemeint sind.
„Israelkritik“, vielmehr blanker Antisemitismus, mörderische Slogans und ein bißchen Revolutionsromantik: Natürlich ist DIE LINKE auch vertreten, andere kommunistische Fahnen und Symbole werden geschwenkt.
Was zählen schon Menschen, wenn es um eine Ideologie geht? Das vereint diese Gruppen.
Später wird gerufen: „Deutschland finanziert, Israel bombardiert“. Über das UNRWA, das UN-Hilfswerk für Palästina, fließen jährlich hunderte Millionen Dollar an die Hamas, ein nicht unerheblicher Teil des Geldes kommt aus Deutschland. Der Ruf stimmt sogar, obwohl nicht so, wie sich die Demonstranten das vorstellen. Deutschland finanziert, Hamas schießt auch mit Hilfe dieser Mittel bislang tausende Raketen nach Israel und hat ein terroristisches Unterdrückungssystem errichtet.
In einer Rede ruft eine Organisatorin auf englisch: „Wir sind dankbar für das, was die Menschen in Palästina heute tun und schicken ihnen unsere Unterstützung“. Wofür sind sie dankbar? Für 2.000 Raketen innerhalb weniger Tage, die auf Zivilisten abgefeuert werden? Für Staatsterror und Grundschüler, denen der Antisemitismus als Pflichtfach ins Lehrbuch und in die Köpfe gehämmert wird? Die englisch sprechende Frau erklärt es nicht, doch wenig später erklingen wieder die Rufe „Palestine will be free, from the river to the sea“.
Die Kritik an Israel wird mühsam rationalisiert. Was als legitime Kritik daherkommt, changiert schnell in unterschwelligen und dann zu offenem Antisemitismus. Auf den Demos findet sich keine Israel-Kritik, hier zeigt sich blanker Hass auf Juden. Ohne Israel wären diese wieder schutzlos. Nicht nur die, die den skandierten Rufen nach wieder ins Meer getrieben werden sollten. Alle. Weltweit. Nur die Angst vor dem starken Arm Israels hält den Judenhass im Zaum. So weit denken die Demonstranten nicht. Sie sind mit den Palästinenser-Tüchern ihrer Eltern groß geworden. Jetzt schlägt die kindliche Erinnerung in Hass um, den die Groß- oder Urgroßeltern pflegten und der sich über die Nachkommen neue Bahn frisst. Es ist, also ob etwas aufbricht und die Straßen beherrscht, was in einem tiefen Schoß zu schlummern schien. Politiker schauen weg, die Polizei ist zurückhaltend.
So wird auf Deutschlands Straßen wieder offen und unverhohlen zum Mord an Juden aufgerufen; in vielen Medien wie ARD und ZDF wird verständnisvoll und völlig verharmlosend darüber berichtet. Wie über ein etwas aus den Fugen geratenes Stadtteilfest. Die klammheimliche Freude mühsam nur kontrolliert und doch unübersehbar.
Das ist inakzeptabel.