Das Bundesverfassungsgericht hat die Eilanträge zum Bundeslockdown hinsichtlich der Ausgangssperre abgelehnt. Das ist zunächst keine Aussage über die Verfassungskonformität der Bundesnotbremse, die bleibt ja im Hauptsacheverfahren weiterhin offen.
Grundlage für die Ablehnung der Eilanträge ist das etwas verwirrende Prinzip der „Doppelhypothese“, das in solchen Fällen zur Anwendung kommt. Das Bundesverfassungsgericht beschäftigt sich dabei in der Bewertung der Eilanträge inhaltlich nicht mit der Verfassungskonformität des Gesetzes selbst. In der Pressemitteilung heißt es etwa: „Bei der Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Anordnung haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahmen vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben“. Stattdessen findet eine Folgenabwägung statt, in der letztendlich nur untersucht wird, welche Entscheidung des Gerichtes, die gravierenderen negativen Folgen haben würde, wenn die Entscheidung sich im Hauptsacheverfahren als falsch erweist. Was hätte die schlimmeren Auswirkungen – dass die Ausgangssperre zu unrecht weiterhin bestehen oder, dass die Ausgangssperre zu unrecht gekippt werden würde?
Die Verfassungskonformität bleibt im Hauptsacheverfahren offen. Was allerdings wirklich bedenklich ist, ist die Zeitspanne, in der das Verfassungsgericht operiert, schon für die Behandlung der Eilanträge ließ man sich zwei Wochen Zeit. Fachkundige Quellen vermuten, dass das Verfassungsgericht seine Entscheidung solange verzögern will, bis der Bundeslockdown ohnehin vorüber ist um abzuwarten, wie sich die öffentliche Stimmung in den nächsten Wochen bewegt. In keinem Fall, so der Eindruck, will man sich gegen den Zeitgeist stellen.
Hat das Grundgesetz Paragraphen?
Das Verfassungsgericht selbst scheint etwas in Corona-Panik zu sein, erst jüngst sagte man eine mündliche Verhandlung über die Anhebung der absoluten Obergrenze der Parteienfinanzierung ab, mit der Begründung, dass die „aktuell äußerst dynamische, in ihrem weiteren Verlauf schwer absehbare Entwicklung der SARS-CoV-2-Pandemie“ keine Durchführung der Verhandlung gestatte, zuvor wollte man die Verhandlung in „externen Räumlichkeiten“ durchführen.
Der skandalbelastete neue Präsident des Gerichts, Stephan Harbarth, der bis 2018 noch Bundestagsabgeordneter der Union war, befindet sich in einer schwierigen Lage. Die Bedeutung des Gerichts wird zu Gunsten des EuGHs immer weiter abgebaut – durch immer unverhohlenere politische Motive bei der Richterpostenbesetzung durch die Politik droht Karlsruhe marginalisiert zu werden. Ganz offenkundig versucht man jetzt die Gunst der allgemeinen Medienöffentlichkeit zu gewinnen. Das absurde Klima-Urteil ist der Gipfel dieser Entwicklung, erstmals legte man die Pressemitteilung gleich auch noch in französischer Sprache bei, damit – so wohl die Hoffnung – in der ganzen Welt die Menschen von der Bedeutsamkeit dieses deutschen Gerichts schwärmen.
Screenshot Twitter
Die Eilanträge zu diesen extremen und direkten Grundrechtseinschränkungen werden allerdings relativ lax, fast beiläufig behandelt. An einer Stelle war im veröffentlichen Beschlusstext zur Bundesnotbremse, der mit den Worten „Im Namen des Volkes“ überschrieben ist, von einem Paragraphen 77 Abs. 2 GG die Rede. Dass es im Grundgesetz keine Paragraphen, sondern Artikel gibt, um die besondere Bedeutung der Worte hervorzuheben, hat das oberste deutsche Gericht wohl vergessen. Gegenüber TE räumte ein Sprecher des Verfassungsgerichts die Korrektur ein, verzichtete aber auf weitere Erklärungen.
Das Verfassungsgericht hat wohl nicht mehr die Möglichkeit oder nicht mehr den Willen, sich inhaltlich ernsthaft mit den Dingen zu beschäftigen. Bei den schwerwiegendsten Grundrechtseinschränkungen in der Geschichte dieser Republik will sich das höchste unabhängige Verfassungsorgan der Justiz am liebsten einfach wegducken. In Karlsruhe geht man wohl lieber den Weg des geringsten Widerstands.