Tichys Einblick
Probleme verwalten statt lösen

Mogelpackung Sicherheits-Paket

Herr de Maizière, zwingen Sie die Bürger bitte nicht, ihre Verdienste mit eklatanten Versäumnissen in der Einwanderungs-und Flüchtlingskrise aufzurechnen. Befragen sie ihr Gewissen. Handeln Sie. Sagen sie dem Bürger die ungeschönte Wahrheit, die Sie bisher aus Sorge um die Innere Sicherheit zurückgehalten haben.

© Adam Berry/Getty Images

Zugegeben, ich hege eine bescheidene Grundsympathie für Thomas de Maizière. Dass mag daran liegen, dass ich ihn einmal in Dresden anlässlich der Frauenkircheneröffnung und später auch in der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen in Dresden persönlich erleben durfte und von der angenehm zurückgenommenen Art des Wahldresdners überrascht war. Und in Ermanglung weiterer Gelegenheiten bleibe ich diesem ersten Eindruck gerne treu.

De Maizière zeigte sich als feinsinniger Freund der schönen Künste. Ich glaube es spielte bei Volkswagen die sächsische Staatskapelle Dresden, die damals noch in Kooperation mit dem Autobauer aus Niedersachsen stand oder noch steht, bevor das dort über zehn Jahre lang gebaute Premiumfahrzeug Phaeton Opfer des Dieselgates wurde.

Dass dieser Thomas de Maizière 1990 seinem Cousin Lothar, dem letzten Ministerpräsidenten der DDR, eine gewisse Angela Merkel quasi als Vorzimmerdame für Presseangelegenheiten oder ähnliches empfahl, müsste man ihm natürlich nachhaltig übel nehmen. Aber wer weiß, wenn er damals gewusst hätte, was werden wird, vielleicht hätte er sich lieber den Mund zugenäht, als irgendwelches interfamiliäres Vitamin B zu vergeuden.

Älter werden wir alle, aber ich meine damals in Dresden noch einen ganz anderen Thomas de Maizière erlebt zu haben. Mag sein, es liegt am Innenministerium, aber diese Versteinerung im Amt ist 2016 besonders frappierend. Maihofer, Baum, Zimmermann, Schäuble und herausstechend natürlich dieser Otto Schily, der in den über sieben Jahren seiner Zeit im Innenministerium als Mensch verloren gegangen war. Seine Metamorphose zum Steinmenschen war bemerkenswert. Eine Verwandlung. Eine Alterung im Amt, wo Angela Merkel zwar auch nicht jünger geworden ist, der man aber eine übermenschliche Entrücktheit zuschreiben darf, ein immenses Sendungsbewusstsein mit religiösen Zügen, dass mit Gelassenheit kaum zu verwechseln ist. Die Bundeskanzlerin befindet sich auf Missionszug.

Thomas de Maizière ist kein Visionär, kein Entrückter. Er scheint heute einfach nur sehr erschöpft von der Last dieses Amtes noch dazu innerhalb einer großen Koalition, die auch solche Gestalten wie Sigmar Gabriel tagtäglich zufriedenstellen muss, der immer auch seine schlaflosen Nächte um die Zukunft der vergewaltigten Arbeiterpartei braungebrannt mit in die Kabinettssitzungen schleppt.

„Otto, kneif mich, ich glaub es nicht“, soll Joschka Fischer einst Otto Schily zugeraunt haben, als man im Bundeskabinett angekommen war. Hingeraunt wie von einem minderjährigen Lausbub, der sich zum ersten Mal ins FSK18-Kino geschlichen hat. Der Spiegel hat diese burschenschaftlichen Szenerien einmal wunderbar aufgeschrieben, damals, als das Hamburger Magazin noch nicht in dem Maße auf regierungstreuem Suizidkurs war.

De Maizière kneift

Thomas de Maizière muss nicht gekniffen werden, aber er kneift leider immer öfter. Es hat den Anschein, als hätte der brave Soldat Schwejk in ihm die Oberhand gewonnen. Was für eine Leidensfähigkeit. Wie ein Akteur sieht er nicht aus, auch nicht, wie der Verkünder der unangenehmen Botschaft, eher wie der fleißige Stubenkehrbesen, der Ausputzer, der Cleaner, der den ganzen Mist der Bundesregierung irgendwie wieder unter den Teppich kehren oder auf seinen hängenden Schultern durch die Republik tragen muss.

Das also die viel zu lange Vorgeschichte, die wahrscheinlich völlig umsonst um etwas Verständnis bitten wollte für einen, der sich irgendwann einmal verdient hat, auch ein bisschen nett gefunden zu werden, hin zu diesem Mann, der nun gestern diese Mogelpackung namens Sicherheits-Paket (eine Art Anti-Terror Paket Teil II) vorgestellt hat, dass ja in Wahrheit ein Anti-Zuwanderungs-Paket sein will. Oder falsch, ein Anti-Gewalt-von-Zugewanderten-ausgehend-Paket. Aber das wäre zugegebener Weise nicht nur zu kryptisch, sondern auch auf eine Weise politisch unkorrekt, die dem Minister vermutlich noch mehr Ärger ins Haus gebracht hätte.

Warum? Weil das Paket nur vordergründig geeignet ist, auch Terror in Deutschland zu bekämpfen. Viel wirksamer wird oder sollte es zumindest sein, potentielle Kriminalität zukünftig ausgehend aus dem Kreis der mittlerweile weit über eine Million arbeitsloser auf staatliche Hilfe angewiesener Einwanderer und Flüchtlinge zu eliminieren. Denn wie ist das anders zu verstehen, wenn man durch „Prävention und Integration aber auch durch teilweise schärfere Gesetze“ nun mehr Sicherheit erzeugen will?

Sogenannte Gefährder sollen schneller inhaftiert und abgeschoben werden. Und was für ein Eierlauf des Innenminister im Tagesschau-Interview um die Begrifflichkeiten, wenn er auf die Frage, wie das von statten gehen soll, sybillinisch antwortet: „Wir reden jetzt, was das Thema Abschiebungen angeht, über dann Ausländer, während wir auch Gefährder haben, die deutsche Staatsbürger sind.“

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Einwanderer und Flüchtlinge sind also „Ausländer“, als wäre der eingereiste Däne oder US-Amerikaner potentiell ebenso gemeint und „deutsche Staatsbürger“ sind dann – logisch – alle Deutschen und nicht etwa solche Migranten mit deutschem Pass, deren Integration für de Maizière misslungen ist, deshalb ja wohl auch Millioneninvestitionen in wieder noch mehr Prävention und Integration im neuen Sicherheitspaket, als wären wir in den letzten Jahrzehnten mit unserer milliardenteuren Integrationsarbeit keinen Deut weiter gekommen.

Nein, es geht hier um die akute Gefahrenlage. Nicht nur durch Terroristen, sondern viel mehr basierend letztlich auf einem Kampf der Systeme, der Kulturen, der Religionen und zuletzt dann der desolaten wirtschaftlichen Verhältnisse jener eingewanderten und unter falschen Versprechungen und Hoffnungen hierher geflüchteten hunderttausenden von Familien, die über Jahre, wenn nicht sogar über Generationen hinweg von staatlicher Hilfe abhängig sein werden.

Warum sagt es uns der Innenminister dann nicht genau so? Glaubt er der Schock säße zu tief, würde man erklären, dass präzise Analysen und Prognosen im Ministerium zukünftige gesellschaftliche Verwerfungen voraussagen, denen man nun mit viel mehr Polizei und schärferen Gesetzen begegnen müsse, weil man sich außerstande sieht, den Flüchtlings- und Einwanderungsstrom zu unterbrechen?

Aber es ist noch viel schlimmer. Bis mindestens Anfang 2017 bleiben mindestens 200.000 bereits gestellte Asylanträge unbearbeitet, während immer noch stetig hunderttausende hinzukommen werden. Von den tausenden wenn nicht gar hunderttausenden nichtregistrierten Ausländern im Lande ganz zu schwiegen. Exakt hier liegt die Gefahrenlage. Nicht vornehmlich in der Terrorbekämpfung. Natürlich steigt die Terrorgefahr, aber nicht ganz ohne Sinn heißt das Paket Sicherheitspaket und eben nicht Anti-Terror-Paket-II. Es geht um die Sicherheit der Deutschen angesichts einer anhaltenden unkontrollierten Zuwanderung und angesichts weiterhin fehlender oder mangelhafter Grenzkontrollen und dem Unwillen, polizeiliche Kontrollen auf eine Weise durchzuführen, dass aufgegriffene sich hier illegal aufhaltende Einwanderer festzusetzen und unverzüglich abzuschieben oder eben einem radikal beschleunigtem Asylverfahren zuzuführen sind.

„Niemand ist illegal“

Aber wie soll man Illegalität nachweisen, wenn es eine solche überhaupt nicht mehr gibt? Wenn jeder ins Land darf, weil er an der Grenze nicht kontrolliert wird, ist auch niemand illegal hier. Da haben die Gegendemonstranten auf AfD-Veranstaltungen tatsächlich recht, wenn sie rufen: „Niemand ist illegal“. Das darf man dann nicht mehr als Forderung, sondern  muss man als reine Feststellung verstehen. Also der Wunsch, den Status Quo zu erhalten contra einer Eindämmung. Und so eine Eindämmung sieht das neue Sicherheitspaket auch überhaupt nicht vor. Die Maßnahmen zielen fast ausschließlich auf die sicherheitstechnische Verwaltung der ansteigenden Zuwanderung, nicht etwa auf ihre ursachenverändernde Eindämmung oder eine grenzsichernde kontrollierte Beendigung mit durchgreifendem Effekt auf geplante weitere Einwanderungen in Millionenhöhe aus dem Nahen Osten und dem afrikanischen Großraum.

Und wenn der Innenminister von einer erfreulicherweise angestiegenen Zahl von Abschiebungen spricht, dann sollte er erwähnen, dass es sich hier keinesfalls größtenteils um zwangsweise überführte Fälle handelt, sondern – je nach Bundesland – um oft mehrheitlich mit finanziellen Anreizen erkaufte Ausreisen. Ausreisen, die der Ausgewiesene ja theoretisch jederzeit – die Grenzen bleiben ja quasi offen – wieder in Einreisen verwandeln könnte, wenn die Zuwendungen verbraucht sind.

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Ein weiteres Indiz für die reine Verwaltung der weiterhin zu erwartenden Umstände der ansteigenden Zuwanderung ist der Wunsch de Maizières, die bisherigen Regelungen zur Doppelten Staatsbürgerschaft beizubehalten. Denn was heißt das denn? Es heißt, dass man sich die vage Hoffnung nicht verbauen möchte, dass eventuell mal der eine oder andere eingedeutschte Migrant doch noch in sein altes Heimatland zurückkehren mag, wenn dort wieder einigermaßen friedliche Verhältnisse herrschen, oder wenn das bereits als sicheres Herkunftsland eingestufte Heimatland sonstwie an Attraktivität zurückgewinnt. De Maizière möchte nun auch keinen neuen Unfrieden in unser Land bringen mit einer Änderung dieser Regelung und einer so spaltenden Diskussion, erklärt er der Tagesschau.
In diesen Statements zum neuen Sicherheitspaket soll nun die ganze Hilflosigkeit irgendwie verschleiert werden, aber wer noch hinhören mag oder kann, der erkennt die Tragik dahinter. Dieser Minister mag nicht einmal ein Befürworter der unkontrollierten Einwanderung sein, aber er weiß nicht weiter.

„Was ich nun aber heute gemacht habe, ist als Bundesinnenminister meiner Verantwortung für die Sicherheit dieses Landes gerecht zu werden“ erklärt der Minister, er hätte Vorschläge vorgelegt, von denen er „glaube, dass sie für unser Land gut sind, dass sie für unseren Koalitionspartner politisch zumutbar und zustimmungsfähig sind, und das stand im Mittelpunkt“.

Ach Herr Minister, dass das für unser Land „gut“ sein wird im Sinne einer wirksamen Verbesserung der unhaltbaren Zustände, daran wollen und können Sie selbst nicht glauben. Ihnen zu Gute halten kann man allenfalls, dass die von Ihnen erwähnte Zumutbarkeit für den Koalitionspartner „im Mittelpunkt“ ihres das Chaos maximal nur verwaltenden Pakets gestanden haben mag. Dass Sie Angela Merkel in die Politik geholt haben, als Sie sie ihrem Cousin andienten, kann man ihnen heute beim besten Willen nicht vorwerfen. Aber dass Sie den Punkt hinauszögern, zu sagen, mit mir bis hierher und nicht weiter, das sollte man Ihnen spätestens jetzt nachtragen. Nein, Sie gehören doch eigentlich nicht zu denen, die das Amt über Ihr Gewissen stellen wollen. Sie schreiben auf Ihrer persönlichen Webseite, sie seien stolz darauf, am Einigungsvertrag mitgewirkt zu haben. Das sei ihnen gegönnt.

Auch ihre Arbeit beim Aufbau der neuen Bundesländer bleibt wohl ein besonderes Verdienst. Aber zwingen Sie die Bürger nun bitte nicht dazu, ihre Verdienste mit eklatanten Versäumnissen in der Einwanderungs-und Flüchtlingskrise aufzurechnen. Befragen sie ihr Gewissen. Handeln Sie. Sagen sie dem Bürger die ungeschönte Wahrheit, so Sie eine sehen, die Sie bisher aus Sorge um die Innere Sicherheit zurückgehalten haben. Nehmen Sie ihren Dresdner Mitbürgern den Wind aus den Segeln, die sich in Ermanglung solcher klaren und ehrlichen Worte und Handlungen zu tausenden so zweifelhaften Versammlungen wie Pegida und Co anschließen. Machen Sie es besser.

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